• In Vergessenheit geraten

    2024年8月17日〜18日, ドイツ ⋅ ☀️ 19 °C

    DAY 51 A JOURNEY ALONG THE COASTLINE OF EUROPE (Fahrtstrecke 88 km)

    Meyn - Schafflund - Lindewitt - Paulsgabe - Haselund - Viol - Schwesing - Mildstedt - Wisch

    Da es sich mittlerweile bei Regen nicht mehr um jenes leichte Sommernieseln handelt, das erfrischend unser Gemüt benetzt, sind wir sehr dankbar um die kleinen Unterbrechungen in den heftig nässenden Wolkenausschüttungen, um unseren Spaziergängen Raum zu geben.

    Irgendwo bei Meyn parken wir am Straßenrand, denn in Handewitt kannst du eigentlich nur Gras kaufen, aber nicht zum Schnüffeln am Boden finden. Hier bringen die Eltern ihre Kinder noch mit dem Auto zur Schule, denn die hat nur im Süden noch nicht angefangen. Dass wir hier rumlaufen, mag einen ungläubigen Blick lösen, aber nicht unbedingt das Nachdenken fördern.

    Warum auch. Nordfriesland ist Reiseland im Sommer und da bewegen sich viele fremde Kennzeichen durch den Raum. Allerdings vermutlich nicht in Meyn, wo der europäisch geförderte Radweg an der Ecke zur Dorfeinfahrt endet. Was wohl bedeuten könnte, dass Radfahrer eingeladen werden, im Dorf eine Brotzeit einzunehmen, ein kühlendes Getränk zu bekommen, oder just auf einen Schwatz eingeladen zu werden.

    Ich weiß, ich bin ein Träumer, denn stattdessen müssen sie einfach nur der Landstraße folgen, die sie mit Autofahrern ab jetzt teilen, um nach Flensburg zu kommen. Und dabei fällt mir ein bekanntes, menschliches Phänomen auf. Die Annahme.

    Ich weiß schlichtweg nicht, ob auf der anderen Seite des Dorfes auch ein Radweg ist, denn ich habe erst darauf geachtet, als ich den hier so abrupt enden sehe. Aber ich bilde mir ein, dass ich Recht habe, weil ich ähnliche Erfahrungen schon gemacht habe.

    Ein Fazit könnte also sein, die Dinge besser zu überprüfen, bevor ich sie als wahr darstelle, oder so eine Aussage nicht zu machen. Aber um etwas daraus zu lernen, muss ich sie jetzt doch stehen lassen, denn wir sind zu weit weg, um nachzusehen.

    So ein Blog dient vielleicht zur eigenen sehr persönlichen Selbstvergnügung, aber es wäre doch schade, wenn ich nicht wenigstens den Versuch machen würde, von dem etwas weiter zu geben, dass ich begriffen habe.

    Wir parken seitlich an einem Feldweg, damit der Bauer ggf noch durchfahren kann. Es regnet wieder wie üblicherweise, aber der Boden kann das noch aufnehmen, später auf den Dorfstrasse werden die Pfützen zu Fontänen, die Bodenhaftigkeit wird gefährdet, mehr noch die Sicherheit von Fußgängern, gäbe es sie denn.

    Ab und an ein Fahrzeug, ich schreibe eine Geschichte, betrachte das abgemähte Land um uns, das sich abmüht, um nächstes Jahr den gleichen Ertrag zu bringen. Da fällt mein Blick auf einen Kaffeebecher im Gras. Vorbei ist die Romantik, bevor sie überhaupt anfangen konnte. Hier war schon Jemand, und hat dem Land seinen Stempel aufgedrückt. Denn die Halbwertszeit von Kaffeebechern ist 70 Jahre oder so, ein Menschenleben lang.

    Die KZ Außenstelle in Schwesing wäre stattdessen fast in Vergessenheit geraten. Nach nicht mal 50 Jahren hat sich keiner mehr daran erinnert, was hier geschehen ist, obwohl die Bevölkerung 1944 sehr wohl involviert war. Zumindest die, die Geschäfte mit ihr gemacht haben. Aber die sind 50 Jahre älter, und wenn schon nicht tot, dann wenigstens vergesslich. Und wenn der Mensch eins in seinem Leben gelernt hat, dann ist es das Vergessen, was manchmal ja auch lebensnotwendig ist. Das dürfen wir nicht vergessen.

    "In Schwesing bei Husum befand sich von September bis Dezember 1944 ein Außenlager des KZ Neuengamme. In dieses Lager verschleppte die SS etwa 2.600 Männer aus zahlreichen Ländern Europas. Sie mussten auf Baustellen des sogenannten Friesenwalls, einer aus heutiger Sicht sinnlosen Verteidigungsanlage, Zwangsarbeit leisten..."
    https://gedenkstaetten-sh.de/gedenkstaetten/kz-…
    https://www.instagram.com/reel/C-vdYGeutSL/?igs…

    Die Anlage ist hundespaziergangsgross, Hilde hat viel zu schnüffeln, denn vor ihr waren ganze Heerscharen von Vierbeinern unterwegs zwischen dem wildwachsenden Farn und den Brennnesseln. Und dem gut gemähten Rasen, auf dem wir gehen. Dass ist viel besser als auf dem groben Weg, wo die Steine im Lehm zum Stolpern einladen.

    Ob sie erinnern sollen, oder ob wir heute aus Bequemlichkeit besser sie vermeiden. Den Schornstein kannst Du nicht übersehen, auch wenn grüne Äste aus seinem Schlot heraus wachsen. Was wird dort verbrannt worden sein.

    Auf dem Hof Frowähr finden wir Obdach, ein Landvergnügenhof, wo wir doch den ganzen Tag über schon Vergnügen hatten. Aber hier wird es ernst. Der Bauer erzählt von den Schwierigkeiten, dem neuen Erreger, der von einer Mücke übertragen wird. Blauzunge kann für Schafe tödlich sein, Kühe können aufgrund ihre Körpergröße überleben.

    Es gäbe wieder Fälle von Gelbfieber im Land, wir sollten unsere Impfungen besser überprüfen. Im Hofladen könne nur online bestellt werden, die Ware bringt der Bauer zum Glück noch zu Fuß. Am Morgen ist der Himmel blau, die Gänse gründeln im Wasser. Gestern war plötzlich der Mond zwischen den Bäumen zu sehen, wie eine matschige Birne. Dann kam die dunkle Nacht, und ich habe mich gefragt, was der Mond jetzt macht, der kann doch nicht einfach weg sein. In Vergessenheit geraten.

    Habe viel geträumt und wollte gar nicht wach werden. Obwohl das besser war, um die Gedanken zu unterbrechen. Zum Glück hat es die Sonne in den neuen Tag geschafft. Das kam doch ziemlich überraschend.
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