• Cremlingen

    16–17 Sep 2024, Jerman ⋅ ☁️ 13 °C

    3.003 TAGE AUF UNSERER LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 160 km/ Gesamt 363.981 km /Ø121,20 km)

    15.09.2024
    Parkplatz in
    Querum
    38108 Braunschweig
    Deutschland

    Nur wenn man ein Hund ist, dann kann Hund im blauen Bus diagonal vom Fahrersitz auf die Rückbank springen. Das macht bestimmt Spaß, braucht aber manchmal Hundemut, wenn Hilde zögert zu springen, die Notwendigkeit abzuwägen scheint.

    Sie könnte über die Palette klettern, auf der etliches steht, und müsste vorher durch den schmalen Mittelgang, den der Müllsack auch benutzt. Also ist ein gewagten Sprung sicherer, selbst wenn sie auf meinen Beinen landet, die von dieser nächtlichen Attacke nichts ahnen, wie Flummis nachhüpfen.

    Davon wache ich auf und natürlich auch, weil sie sich anschließend unter der Decke einrollen. Das braucht Platz und fast die Bettbreite von 60 cm, von der ich sie danach an die Wand zurückschiebe.

    Also bewegte Nächte, an die ich mich gewöhnt habe, denn in neun Jahren hat sich nicht viel geändert, nur das Bett ist schmaler geworden. Lese von einem Radfahrer, der mit Hund durch Skandinavien radelt und meint, dass er seine Nächte in Sheltern mit Oskar "regelrecht feiert".

    Als wir gestern durch die Hildesheimer Börde fahren, queren wir seinen Heimatort, von dem er in Indien wohl am Weitesten entfernt war. Seine ruhigen Kommentare tragen den Humor der norddeutschen Tiefebene, sodass ich dir gerne mal empfehle, seinen Reisen zu folgen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er tatsächlich sesshaft wird, aber wer weiß das schon.

    Auf Instagram findest du ihn unter @timo.schaper, im Internet unter
    linktr.ee/Weltreise.mit.Rad

    Auch wenn ich kein Radfahrer bin, liebe ich es, Menschen auf Reisen zu folgen, die den Elementen auf ihrem Weg sehr nahe kommen. Radfahren, Wandern, Segeln. Der blaue Bus begegnet den Menschen schon auf Distanz, und hält die Elemente ein bisschen fern, trotzdem ist er die nächste Möglichkeit für uns, sozusagen "am Ball" zu bleiben.

    Fast bar jeglichem Komfort, was gerade mit dem Ausfall der Standheizung sehr deutlich wird, leben wir zwar zurückgezogen, aber dennoch auf einer Ebene mit all denen, die unsere Wege kreuzen. In Rolfshagen stand ein Schild, dass der Platz an diesem Sonntag nicht benutzt werden kann, aber nicht, dass um elf Uhr vormittags der Umzug der "Dorfkinder des Auetals" stattfindet. Als der erste Traktor mit seinem bunten Anhänger voller grölender Musik und feuchtfröhlichen Menschen hält, ist es zu spät.

    So erleben wir einen Menschenauflauf mit Musik und Tanz unmittelbar vor uns, nach dem Motto auf dem Rolfshagener Wagen, "lieber Korn im Blut, als Stroh im Kopf". Ob der mögliche kausale Zusammenhang, der im Laufe des Lebens eintreten könnte, die Spanne zwischen jung und alt umfasst, ist mir nicht eindeutig klar. Auf jeden Fall kann man auch vor Mittag schon so betrunken sein, dass man sich zwischen die beiden verbliebenen Camper stellt, das "rotgeäderte Unding", wie einst Franz-Josef Degenhardt schon sagte, rausholt, und vor Aufregung angesichts der Menschenmenge nicht pinkeln kann.

    Ansonsten war es eine Stunde lautstarker Fröhlichkeit im lustigen Tanzspiel, dem ich nur mit Staunen folgen kann, weil sich mir leider diese Atmosphäre nie geöffnet hat, selbst wenn ich mich mit Freibier auf dem Dorf den örtlichen Geflogenheiten als Nachbar versucht habe anzupassen.

    Sie haben mich in Ruhe gelassen trotz meiner leichten Zunge, mit der ich den Fremden in mir immer wieder verraten habe. So ein Intellektueller hat in einem Dorf immer diesen Status, sie stechen auch hier heraus in ihrem Benehmen am Rand des Geschehens, trotz der uniformierten Bekleidung, deren Beschriftung das Dasein in der fröhlichen Bierseligkeit besingt.

    Denn wer würde sonst eine Boulebahn beim Freibad bauen, die dem korsischen Dorf nahe kommt, in dem man gerne Urlaub macht. Obwohl ich hier schon mehrfach war, hat nie jemand an lauen Sommerabenden seine Kugeln im Kreis fröhlicher Mitbürger in den Sand geworfen.

    Als die 20 Fahrzeuge lautstark unseren Ort verlassen, zieht der Nachbar aus Hannover die Vorhänge wieder zu, und wir fahren weiter durch Sonne und Wind über Hildesheim nach Braunschweig. Halten bei Mehle an für einen schönen Spaziergang, während über Elze ein Zeppelin in der Luft zu stehen scheint.

    Burgstemmen und Marienburg, Hildesheim in seiner ganzen Breite. In Braunschweig treffen wir kurz den Enkelzwerg, der bald schlafen gehen muss. Wir spazieren am Rübenfeld im Sonnenunter- und Mondaufgang durch den stillen Abend und besuchen Claus zum norwegischen Abendessen.

    Von der Sommerreise mitgebrachte Tomatensuppe mit Ziegenfeta "Geitost". Hilde flitzt durch den Garten zur Begrüßung und rollt sich auf dem Sofa ein, wir erzählen über die letzten Ereignisse hinweg, während der Abend müde wird, Hilde und ich uns im Bus vor der Tür schlafen legen.

    Der neue Tag im eleganten Grau erwägt einen hellen Streifen im Osten, wo vielleicht eine frühmorgendliche Sonne vorwitzig wie der erste Hahnenschrei den Morgen begrüßt hat, sich aber erschöpft wieder schlafen legt.

    Die ersten Regentropfen wie Rufe der Kraniche von den Rieselfeldern, an deren Rand wir spazieren gehen, den Morgen auf Hundeart begrüßen wollen.
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