• Kellinghusen

    Nov 2–3, 2024 in Germany ⋅ ⛅ 5 °C

    3.050 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 179 km/ Gesamt 369.613 km / Ø121,18 km)

    Wohnmobilstellplatz
    25548 Kellinghusen
    Deutschland

    Nachdem ich letztens im Traum die politischen Wahlen bearbeitet habe, ist diese Nacht das Schulsystem von seinen Anfängen über Summerhill bis zur aktuellen Situation dran. Der Gedankentraum endet mit einer taumelnden, stechbereiten Biene im blauen Bus, sodass ich die Tür aufreiße, um uns voneinander zu befreien.

    Ich glaube, in meinem Kopf möchte grade niemand zuhause sein. Und auch mir fällt es nicht leicht. Das Gute ist, dass ich ausreichend schlafe und weniger aufwache, zumal die Temperaturen in der Nacht sich deutlich absenken. Fünf Grad sind schon gut zu fühlen, da braucht es morgens schon eine Standheizung, um die Luft zu erwärmen.

    Gestern sind wir in Bredstedt früh um sieben Uhr aufgebrochen, um einen anständigen Spazierweg zu finden. Abseits von Treia hat jemand auf einem Platz vor einem Windrad übernachtet, sodass wir dort parken können, um auf der schmalen Straße durch die Felder spazieren zu gehen.

    Die Zugänge zu den Windrädern sind hier überall fast straßennah geschlossen, sodass du weder parken noch spazieren kannst. Das habe ich vorher nie so gesehen, das wirkt nach einem System, das sich erstmal so anhört, als würde man Reisende ärgern wollen.

    Allerdings fällt mir auf, dass die Räder riesig sind und nicht weit oben sich drehen, sondern fast bodennah, geschätzt keine zehn Meter hoch. Vielleicht ist das ein gewollter Schutz für Menschen. Außerdem ist es hier mit Abstand schon ziemlich laut, obwohl ich ja sagen höre, dass Windräder keinen Lärm machen würden.

    Nun ja, für einen ersten Spaziergang reicht es, zum Frühstücken suchen wir etwas anderes. Treia hat Geschichte und nicht nur eine alte Kirche. Am Ortsrand parken wir im Grünen, während der Morgenverkehr auf der Landstraße deutlich zunimmt.

    Frühstück. Hilde ist bärig hungrig. Eine Zeitlang lese ich, während sie im Bett ausruht. Ich habe den Bus nicht aufgeräumt, weil ich ja davon ausgehe, dass die neue "Revolution - Laundry" in Eckernförde, wo ich vor einigen Monaten gewaschen habe, mir auch dieses Mal ein wohlriechendes Zuhause beschert.

    Falsch gedacht, die Maschine ist defekt, wie auch die anderen Beiden in Schleswig-Holstein, die wohl mittlerweile wieder abgebaut wurden. Vandalismus dient dazu, dem Menschen zu schaden, nicht dem System. Es trifft die, die sich aus verschiedenen Gründen eben keine Waschmaschine leisten können, aber das ist denen egal, die mit Mutwillen zerstören wollen.

    In den südlichen Ländern sind defekte Maschinen eine echte Seltenheit, sodass ich mich frage, was ist falsch in Deutschland. Es erschreckt mich, die Veränderungen zu sehen, die vielleicht nicht jeden so offensichtlich anspringen. Aber ich bin seit neun Jahren intensiv im Land unterwegs und spüre deutlich, dass sich die Situation verschlechtert.

    Nicht, dass ich in Gefahr bin, in Deutschland zu übernachten, wenn ich mich umsichtig verhalte. Wobei meine thüringer Erfahrung dagegen spricht, und mich gemahnt, auf dem Land deutlich vorsichtiger zu sein, wo sich Gesinnungen ausbreiten, wie Flammen im Gras, wenn sie einmal gezündet werden.

    Aber der "Umgangston" wird rauer, das ist erschreckend. Nachdem wir also umsonst alle Standorte für Außenwaschmaschinen angefahren haben, bleiben wir schon früh um halb zwei in Kellinghusen auf dem Stellplatz.

    Vielleicht kurz zur Erklärung. In Deutschland liegen viele der öffentlich zugänglichen Waschmaschinen stadtnah, weil es dort mehr Menschen gibt, die sie nutzen. Für uns ist das ungünstig, denn selbst wenn ich davor parken kann, ist Hilde mit der Unruhe um sie herum überfordert und muss den Bus verteidigen. Das tut niemand gut. Also verzichte ich auf solche Möglichkeiten.

    Kellinghusen hat einen kostenlosen Stellplatz für eine Nacht am Park, nicht fern von Geschäften und Freibad, was den Aufenthalt im Sommer vermutlich ziemlich unruhig macht. Jetzt geht das schon, wir können entspannt spazieren gehen und ruhig schlafen.

    Zum ersten Mal in der dunklen Zeit habe ich Lust, mit Licht zu lesen, und verbringe auch lange Zeit in meinem Buch, bis ich wirklich müde bin und gut einschlafen kann. Das ist mit halb neun immer noch früh, aber meine abendlichen Aktivitäten sind ansonsten ziemlich eingeschränkt.

    Vielleicht noch eine kurze Ergänzung zum gestrigen Text. Früher haben wir immer mal ein Zimmer gemietet, da waren unsere finanziellen Möglichkeiten tatsächlich anders. Das möchte ich heute gar nicht, weil es uns im Bus viel besser geht. Ich könnte meine Sachen auch gar nicht mehr hin und her schleppen, denn ohne Stock ist das Gehen schwieriger geworden.

    Aber selbst das Bleiben an einem Ort fällt mir ja nicht mehr so leicht, wobei sich die Fahrzeiten in der Regel zeitlich und "kmdrig" deutlich verringert haben. Da das Sehen jetzt einen wichtigeren Raum in meinem Leben einnimmt, brauche ich das Fahren, um in Bewegung zu bleiben.

    Währenddessen bekommt das Lesen und Schreiben einen höheren Stellenwert, weil es mich geistig wach hält. So bleibt meine Lebenssituation immer im Bewegung und versucht mich, mit den sich verändernden Einschränkungen, auf einem guten Level zu halten.

    Ich bin durchaus mit meinem Leben zufrieden, nur für Hilde wünsche ich mir mehr Bewegung, das portugiesische Strandleben im letzten Winter hat uns schon ziemlich gut getan. Mal sehen, was im neuen Jahr möglich ist.
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