• Salzhausen

    4.–5. nov. 2024, Tyskland ⋅ ☁️ 9 °C

    3.052 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 94 km/ Gesamt 369.832 km / Ø121,17 km)

    Wohnmobilstellplatz
    21376 Salzhausen
    Deutschland

    Als Marie mir schreibt, sie würde mich in dem Restaurant, wo sie arbeitet, auf eine Tasse Kakao einladen, stelle ich mit einen kleinen Gasthof am Wasser vor mit einem nahen Parkplatz, auf dem wir ggf auch im Bus sitzen können. Doch anstatt mir die Wegbeschreibung anzugucken, gebe ich die Route gedankenlos ein, und stehe vor einem großen Problem.

    Denn Bergedorf ist kein kleines Städtchen, sondern hat seine eigene Metropole mit Fußgängerzone und Glasfassadenhäusern, in deren Mitte das Restaurant liegt. Wir hätten in einem offenen Parkhaus halten sollen, zu Fuß die Innenstadt durchqueren müssen, um Marie zu treffen.

    Keine Chance, denke ich. Und wie weit wir entfernt sind von einem normalen Leben. Marie ist gar nicht auf den Gedanken gekommen, dass wir uns so nicht bewegen können. Und ich habe nicht angenommen, dass das für Marie normal ist.

    Zuletzt haben wir uns auf einem Hof im Berliner Vorland getroffen, mit Lagerfeuer im Garten und Entengeschnatter. Das ist meilenweit von Bergedorf entfernt. Nicht nur räumlich, sondern auch menschlich. Und leider auch körperlich, denn die Zeiten, in denen Hilde und ich durch eine Stadt spaziert sind, wähnen sich in längst vergessener Vergangenheit.

    Heute suchen wir uns die Wege genau aus und vermeiden Unebenheiten, in Städten gehe ich lediglich vom Parkplatz zum Arzt oder einkaufen, wobei ich froh bin, dass es dafür Wagen gibt, auf denen ich mich durch Gänge schieben kann.

    Nein, ein Spaziergang durch Bergedorfs Innenstadt ist nicht drin, aber nur wenige Straßen entfernt, schenkt mir Gott einen Parkplatz vor einem geschlossenen Sushirestaurant. Marie braucht nicht lange, um die Straßen zu uns zu überqueren, und wir nehmen uns einfach mal im Bus in die Arme.

    Hilde erkennt Marie und freut sich sehr, sie wiederzusehen. Zeit ist vergangen, und ich bin dankbar, dass wir uns begegnet sind. Bis bald, so sagen wir im Abschied, und Marie betont, aber wirklich bald. Und doch wissen wir beide, dass es vielleicht auch sehr lange dauern kann. Das Leben kann oft genug sehr abwegig sein.

    Die Sonne scheint, und als ich wieder aufschaue, ist Marie aus meinem Blick verschwunden. Stattdessen fahren wir am blauen Wasser der Elbe entlang, so breit fließt sie, dass man glauben mag, wir seien an einem blauen Meer des Südens.

    Als wir in Salzhausen einparken, steht die Sonne so leuchtend gelb auf den herbstlichen Blättern der schlanken Bäume, dass es mich an einen Song von Grateful Dead erinnert. Wir machen einen Abendspaziergang über trockenes Laub nahe dem geschlossenen Freibad unter hohen, kahl werdenden Äste alter Freunde.

    Im Bus hören wir Musik, ich schreibe lange mit lieben Menschen, die Nacht öffnet still ihre schlafenden Tore. Am Morgen ist der Himmel grau, die Blätter still, wir schleichen an Zäunen entlang. Im blauen Bus spielt wieder Musik, und wir hören zu, folgen den Worten, den Melodien um jede Ecke. Hilde schläft und meine Gedanken wandern.
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