• Wieda

    Nov 13–14, 2024 in Germany ⋅ ☁️ 7 °C

    3.061 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 150 km/ Gesamt 370.640 km / Ø121,08 km)

    Gästezimmer
    Bei lieben Menschen
    37447 Wieda
    Deutschland

    Die Armmanschette für die 24Stundenmessung des Blutdrucks ist mir schon nach einer Stunde aufs Handgelenk gerutscht, und kann nur mithilfe des hochgekrempelten Pullovers oberhalb des Ellenbogen gehalten werden. So beginnt eine lange Serie an wusseligen Erfahrungen und "endet" eben in rennender Salbe, die über Hilde's Wunde auf meine Hose tropft.

    Eindeutige, ungewollte Slapstickeinlagen, von denen ich anscheinend nicht genug bekommen kann. Zudem hat Hilde immer noch Bauch, sodass ich zumindest telefonisch ihre Tierärztin kontaktiere, die von einem ernährungsfreien Tag mit anschließender Diät spricht.

    Da schlabbert die Hilde doch gleich mal die überflüssige Salbe weg, ob das schmeckt, ist vermutlich gar keine Frage. Eine Nacht lang habe ich versucht, irgendwie eine Schlafstellung zu finden, die nicht zu einer Schlafstörung führt, trotzdem bin ich immer wieder aufgewacht, während der Arm aufgepumpt wurde. Oder weil sich Hilde quer über meine Beine legt.

    Wir queren den Harz über St. Andreasberg und werfen einen Blick durch kahle, vertrocknete Baumstämme hinunter zum Oderteich, den man vor einigen Jahren von hier oben nicht erkennen konnte. Oder den Wurmberg, der jetzt aller Blicke frei fast von rundherum zu sehen ist.

    Fürs Baumsterben interessiert sich kaum noch jemand. Im Gegenteil, große Freude regt sich, dass so viel Grünzeug sich langsam aus dem Boden erhebt. Aber das ist verständlich angesichts des Wirrwarrs in dieser Welt.

    Als der tschechische Präsident Vaclav Havel Frank Zappa zum amerikanischen Botschafter in Prag machen wollte, war das noch eine Schlagzeile wert. Heute sind Komiker an der Macht und ehemalige Zeichentrickfiguren könnte gerade neues Leben eingehaucht werden.

    Ich habe den Überblick über die Geschlechter verloren und bin heilfroh, dass Hunde noch in einer Sprache bellen. Wer interessiert sich da noch für den Harz und die schneebedeckten Tannenspitzen der Vergangenheit. Ohne Bäume breitere Loipen heißt das Motto für den Winter, der familienfreundliche Wald für Alle.

    Als wir im Harz reisen, ist es trüb bis freundlich, die Wege bleiben matschig bis gepfützt, Spaziergänger brauchen Spritzschutz an den Hosenbeinen. Aber die Straßen sind leer und die Blicke weit. Ich bin zur falschen Jahreszeit unterwegs, aber zum Glück ist es bei den Freunden trocken, die Hilde kann im Garten schnüffeln, und wir haben es warm und satt.

    Wir sprechen übers Altern, die Zeit zwischen Jetzt und den Neunzigern, die wir uns wünschen. Und am nächsten Morgen lese ich vom Flamingostand. Ich müsse es 18 Sekunden lang aushalten, auf einem Bein zu stehen. Kurzer Test bis fünf Sekunden ist unproblematisch, den Rest probiere ich später.

    Standfestigkeit ist gefragt, in jeder Generation. Es beginnt zu regnen. Wir sitzen auf dem Parkplatz hinter den Ruinen der Klosterkirche von Walkenried. Habe Kekse geschenkt bekommen. Herzen liebevoller Zuneigung.

    Und einen neuen Rucksack, in glänzendem Blau, nachdem sich mein alter Rucksack überall aufgelöst hat. Nun mache ich Werbung für einen Pflegedienst mit Ginkgoblatt für langes, gutes Leben. Das passt doch.
    Read more