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- Day 150
- Saturday, November 23, 2024 at 10:47 AM
- ☁️ 2 °C
- Altitude: 22 m
GermanyHuntlosen52°59’30” N 8°17’11” E
Huntlosen

3.071 TAGE AUF UNSERER
LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 132 km/ Gesamt 371.632 km / Ø121,01 km)
Landvergnügenhof
Gut Moorbeck
26197 Großenkneten
Deutschland
Es gibt Morgen, an denen ich besonders gerne aufwache. Man sagt zwar, Träume sind Schäume und Tränen gleich Schwänen, aber trotzdem tragen sie in ihren Flügeln immer einen Schuss Wahrheit. Oft sind sie alle da, die Menschen, die wir verloren haben, und die, die wir nie finden konnten. Aber für ein Happy End haben beide in meinem Leben nicht die richtige Ausrüstung dabei. Immer bleibt ein Rest Phantasie übrig, sich wünschen zu können, aber nicht wissen zu dürfen.
In der Nacht war es ganz still, ich habe vom überfrierenden Regen gelesen und null Grad, aber heute morgen fahren sie wieder. Langsam durch die schwarze Dunkelheit an den Häusern des Guts vorbei, das nur noch von einer leuchtenden Kugel erhellt wird.
Ein Fahrzeug bremst, jemand geht über den Hof, im hinteren Gebäudeteil bewegt sich ein Mensch im leicht erhellten Fenster. Der Gegenverkehr leuchtet durchs Gelände, als würde er direkt oberhalb vom See entlang fahren. Hilde schläft, ich habe Tee gekocht, als erstes aber die Stützstrümpfe angezogen, weil die Beine nach dem Liegen noch dünn sind.
Manches Mal ist das auch im Traum so, dass ich noch jung und schlank bin. Dann möchte ich gerne die Zeit anhalten, mich wie ein Pfeil mitten im Leben festsetzen. Wie in dem Song von Ludwig Hirsch 'Der große schwarze Vogel'.
"...Und dann fliegen wer
Aufi, mitten in Himmel eini,
In a neuche Zeit,
In a neuche Welt.
Und i werd' singen,
I werd′ lachen,
I werd′ "das gibt's net", schrei′n,
Weil, i werd' auf einmal kapier′n
Worum sich alles dreht..."
Nur halt einfach umgekehrt. Nicht das Ende des Lebens ersehnen, sondern nochmal mitten drin landen, aber alles andere vergessen. Also das, was man glaubt zu wissen, und all die Erfahrungen, über die man sich glücklich schätzt. Vielleicht dort landen, wo die Kinder jung waren, und versuchen, manche Fehler nicht zu machen.
Ach ja, die Wünsche und die Träume. Dabei bin ich gar nicht unglücklich. Wer hätte das gedacht, dass wir immer noch unterwegs sind. Wie zum Anfang der Reise, im stillen, kalten norddeutschen Land. Bald zwischen den Meeren, die dort Seen heißen und mich immer schon angezogen haben wie Magnete.
Damals waren wir fast ganz alleine, kannten niemanden. Während wir heute hier und da und dort auf Einladungen stoßen. Menschen, die aus Lesern zu Freunden wurden, wie Martina aus Lingen an der Ems. Vor einigen Jahren habe ich auf dem Hof hinter dem Haus im Regen eine Lesung gemacht, mit Gästen aus den nahen Ruhrgebiet und von hier.
Eine kleine Lesung aus meinem ersten Buch, das in der Zwischenzeit ausverkauft ist, und nur noch als PDF erhältlich ist. Wenn der zweite Band verkauft ist, gibt es das nicht. Dann bleibt lediglich die Erinnerung. Wie fast immer im Leben.
Wir sind durch ein sonniges Land gekommen, mit kleinen Spaziergängen in großen Orten wie in Epe, wo die Vereine Bäume gepflanzt haben. Oder auf Kreisverkehren ganze Landschaften ausgestellt haben.
Lingen mit seinem Kraftwerk und der stillen Ems, wo die Sportboote überwintern, und Standup-Paddler mit ihren Hunden in wärmeren Jahreszeiten Gleichgewicht geübt haben, wie Martina später erzählen wird. Im Aufenthaltsraum ihres Pflegedienstes, aus dem sie jetzt in Rente gegangen ist, lädt sie mich zu Tee und Schafskäse ein. Sie hat eine Maschine Wäsche gewaschen, die die Nacht über trocknet, der Bus parkt geschützt hinter einem Schuppen.
Die Gespräche sind unterhaltsam, interessant im Erleben des vorherigen Geschehens, bei denen Menschen ja gerne in der Erinnerung schwelgen. Oder aber vom glücklichen Ausgang dramatischer Ereignisse erzählen. Wenn wir unsere Geschichten nicht verarbeiten könnten...Ja davon sprechen dann vielleicht die, bei denen sie zu einer Chronischen Krankheit geworden sind.
Ich bin mir sehr bewusst, dass ich durchaus bewahrt geblieben bin. Warum ich und nicht du, das sind die Fragen, die wir nicht beantworten können. Der Tag schält die Bäume aus der Nacht. Am Morgen fahren wir zum Dieksee für unseren Spaziergang, der eisigkalte Wind erinnert mich, dass ich die Handschuhe aus ihrem Sommerquartier holen muss.
Hilde möchte auch zügig in den Bus zurück, während ich mich nochmal mit Martina treffe. Aber dann doch spüre, dass ich fahren möchte, denn so eine Begegnung reißt uns immer aus der Beschaulichkeit unseres Lebens heraus.
Die stillen Abende, der ruhige lange Morgen nach dem Frühstück, an dem ich lesen kann, Hilde schläft. Heute sind wir stattdessen unterwegs, ich suche einen Bäcker, später halte ich bei NP in Lindern, wo ich den Vorrat für die nächsten Wochen einkaufen. Es stürmt so sehr über den Parkplatz, dass ich stehen bleiben muss, um nicht umgerissen zu werden.
In Huntlosen parkt ein Fasan vor dem Bus. Als er verschwunden ist, macht Hilde einen großen Run auf der einsamen Wiese. Kurz mich frech angucken und dann losflitzen, immer in einer Acht um mich herum. Zwei-, dreimal, dann kommt sie zurück. Als würde sie mir zeigen wollen, was sie dringend braucht. Und dafür wollen wir ja ans Meer.
Das Gut Moorbeck ist auch ein Landvergnügenhof, sozusagen im 'Nebenerwerb'. "Willkommen auf Gut Moorbeck
Ein neues Wohlgefühl entsteht.
Freut euch auf einen Ort, an dem sich Vertrautes und Liebgewonnenes mit Inspiration, Achtsamkeit & Lebensfreude verbinden."
So heißt es auf der Homepage. Gut essen, wohnen, Wellness. Goldschmiede, Seminare und Events, ein Hofladen mehr wie eine Geschenkesammlung. Der Stellplatz kostet sonst 15 Euro die Nacht, ich bleibe bei zwei leckeren Stücken Torte, mein Abendessen.
Bin hier mehr der nicht übliche Gast, darf aber trotzdem mit Hund, Stock und schmutzigen Schuhen rein, aber als ich sage, sie möge mir den Kuchen hinten in den Rucksack legen, bekommt die junge Dame Schnappatmung. Es würde doch alles gequetscht. Ist im Bauch auch so, antworte ich ihr freundlich, und bringe den Kuchen dann doch heil in den Bus, bevor der große Regen kommt.
Wir haben eine ruhige Nacht. Aber vorher muss ich erstmal aufräumen, der Einkauf liegt noch querbeet, die letzten Tage sind noch nicht eingetragen, die aktuellen Bilder möchte ich noch veröffentlichen. Und Hilde hat noch nicht ihren Tagesabschluss verdrückt.
Irgendwann hört es auf zu regnen, und am Morgen kommt erst kalte Luft in den Bus, dann kann ich den roten Himmel hinter den Bäumen ablichten. Jetzt geht es auf acht Uhr zu, ich stelle gleich den Wecker eine Stunde früher, diesen Elan und das Glücksgefühl des Morgens muss ich ausnutzen, um zukünftig noch ein bisschen früher in den Tag aufzuwachen.
Diese besondere Atmosphäre wiegt kein Schlaf auf. Wie der Himmel zartrosa den Rauch aus den Schornsteinen gleich einem Pinselstrich verteilt. Die Sonne aus Rot sich in Orange verwandelt, während Hilde noch die dunkle Nacht unter der Bettdecke vorzieht. Herbstleuchten in den roten Blättern der Hecke, während die Eichenblätter schon auf dem Gras vertrocknen, Raureif auf der oberen Begrenzung des Holzzauns liegt. Gefrorene Pfützen auf den Wegen im festgefahrenen Lehm, grüne Wiesen umranden den Blick, ein Windrad am Horizont.
Vieles gab es 1660 noch nicht, als die Wassermühle ihren Dienst am See aufgenommen hat. Wer sich für die Geschichte des Gut interessiert, hier ist der Link
https://www.gut-moorbeck.de/
Wir werden langsam in den Tag hinein uns erfreuen. Mit Spaziergang, Frühstück, Lesezeit hier und Ruhezeit dort. Das Reiseleben muss man genießen, da ist das Wetter erstmal außen vor, weil viel mehr das Innen zählt.Read more