• Waabs

    28–29 nov. 2024, Allemagne ⋅ 🌬 6 °C

    3.076 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 115 km/ Gesamt 372.186 km / Ø120,99 km)

    Landvergnügenhof
    24369 Waabs
    Deutschland

    Der Regen trommelt auf unser Dach und schlägt heftig gegen die Fenster. Über uns rauschen die Winde mit fünfzig Stundenkilometer durch die Kronen der Bäume, als würden wir neben einem D-Zug stehen. Immer und immer wieder fegt eine Böe über uns hinweg, und ich schaue sorgenvoll im Licht der Taschenlampe nach den Bewegungen der kahlen Kronen vor einem schwarzen Himmel.

    Wir stehen auf einem Landvergnügenhof in einem Weg mit Strauchwerk, das der Wind von Norden her ziemlich zerzaust. Es ist erst abends um acht Uhr, aber in der Nacht soll die Kraft des Sturms deutlich zunehmen. An Schlafen ist so nicht zu denken.

    Als wir um halb acht am Morgen aufbrechen, verlässt Ulf gerade den Hof mit seiner Hündin Merle im ersten Licht des Tages, das sich goldgelb im Osten zeigt. Ein letztes Gruß, ein dankbarer Kopfnicken für den ruhigen Schlafplatz, dann fahren wir zurück zum Meer.

    Der Parkplatz ist leer, der Himmel aber wieder grau, die Sonne scheint einem zweiten Schläfchen gegenüber nicht abgeneigt zu sein. Am Strand Heerscharen von Raben, die dem Schiff einen schwarzen Schal umgelegt haben, während eine zweite Gruppe am anderen Ende des Strandes lagert.

    Wir sind ansonsten alleine, Hilde findet ihren Stock wieder, der halb in Wasser liegt, wir spazieren am Ufer des Meeres entlang. Es ist deutlich kälter geworden mit drei Grad, und meine Beine fühlen sich schwerer an. Aber Hilde trollt am Strand entlang, ihren schlechten Eigenschaften folgend auf der Suche nach Fressen.

    Zurück am Bus entscheide ich mich noch ein Stück zum Frühstück zu fahren, weil es hier unruhig wird, die Nebel über Land und Wasser zieht. Neukirchen. Die Kirche aus den Anfängen des 19. Jahrhunderts. Die Tür steht offen, ein warmes Licht scheint hinaus. Ein kleiner Friedhof am Ende der Gasse, gegenüber ein Haus.

    Am Ortsende ein Parkplatz am Hundestrand, wir parken seitlich am Ufer eines kleinen Flusses, der in der Ostsee mündet. Ich mache Frühstück für uns, dabei zerbricht meine Müslischale gänzlich, sodass ich sie anschließend entsorgen muss. Tatsächlich habe ich einen hohen Verbrauch an solchen Schalen, die täglich zum Einsatz kommen. Bestimmt ein halbes Dutzend haben uns schon begleitet, ähnlich viele Tassen, aber nur ein Teller.

    Der Tag bleibt trübe, aber die Ansichten nehmen zu. Rosen und Holz, Strandfunde und Straßenschätze finden meine Augen, während wir nach Steinbergholz fahren und dort zum Hundestrand. Eine Frau in gelber Jacke kommt vom Wasser hoch, nimmt eine Decke aus den Taschen ihres Fahrrads, setzt sich auf die Bank überm Wasser und schaut hinaus. Als würde sie es jeden Morgen tun, als wäre sie in Trauer. Sie weicht einem Gespräch aus, vermeidet den Kontakt mit Hilde.

    Im Café am Fährhafen parken viele Fahrzeuge, es ist Mittag und die Kellnerin in Weiß hat reichlich zu tun. Biker seien willkommen, aber am Fenster sehe ich nur alte Damen im weißen Haar. Gelting mit seiner Halbinsel Birk unter Naturschutz. Vorher stoppen wir bei den bunten Häusern am Strand von Wackerballig. Dann an der Mühle Charlotte, später am Leuchtturm Falshöft.

    Dazwischen liegt die Geltinger Birk, über die ich einen interessanten Artikel anbiete, da wir dort nicht unterwegs waren.

    https://www.geltinger-birk.de/

    Die Ostsee nähert sich der Schleimündung, während wir auf der Innenseite des Flusses, der sich hier zu einer seenartigen Bucht weitet, nach Maasholm fahren. Sackgasse. Ein Stellplatz hinterm Yachthafen kostet zwanzig Euro ohne Strom. Beim Hafenmeister steht eine Skulptur mit dem Rücken zum Geschehen, die sich dieses Elend nicht anschauen will.

    Es gibt so viele schöne Orte an der Ostsee, aber hier am oberen Ende der Schlei hat der gute Geschmack deutlich Schaden genommen. Vielleicht erinnert sich noch jemand an meinen Beitrag aus dem August 2020, als Olpenitz noch im Bau befindlich war, und wir zwischen weißen Häusern und sonnenhungrigen Touristen mit großen Jachten unterwegs waren.

    Heute ist das ein Resort. Nur Anlieger frei, wird ein großes Stück Land von der Wirklichkeit abgetrennt. Lediglich ein Schild erklärt den Lageplan für die da draußen, die vielleicht wünschen würden, zu denen da drin gehören zu wollen. Da wir nicht gemeint sind, trollen wir uns von dann. Und suchen einen Schlafplatz für die Nacht.

    In einem Ort an der Ostsee soll es einen schönen Stellplatz geben. Als wir aufs Gelände fahren, ertränkt jemand gerade das Unkraut auf dem Platz mit einer gehörigen Ladung aus einer Pumpe, in der irgendein Vernichtungsmittelchen sein Dasein fristet. Ich drehe den Bus sofort um, hier werden wir auf keinen Fall bleiben.

    So kommen wir auf den Fliederbeerenhof, just als es mit dem Beginn der Dunkelheit zu regnen anfängt, können vor dem Pferdeanhänger in einem schmalen Gang zwischen Strauchwerk unter hohen Bäumen parken. Kaum haben wir uns ein bisschen mit der Gastgeberin unterhalten, und einige Gläser Marmelade als Dankeschön gekauft, beginnt der Sturm.

    Der mir erstmal keine Gedanken macht, höre ich doch Musik und bin damit beschäftigt, die Bilder des Tages in die Storys zu stellen. Um acht Uhr schreibe ich eine Nachricht und höre zum ersten Mal den Zug über unseren Köpfen dahinrauschen.

    Ein Blick in den Himmel über uns und einer auf die Wetterkarte zeigt mir, dass unser Platz sehr ungünstig ist. Böen mit siebzig km/h sprechen eine andere Sprache, für die ich eine Antwort finden muss. Auf jeden Fall können wir hier nicht bleiben.

    Der Stellplatz in Sehestedt am Nordostseekanal bietet sich an. Er liegt unterhalb des Ortes, zwar auch in Windrichtung, aber drum herum gibt es keine hohen Bäume, die ihr Astwerk abwerfen könnten. Dreißig Kilometer bei dem Wetter machen eine Dreiviertelstunde aus, und ich bin sehr dankbar, dass außer uns kaum jemand sich raustraut, denn nachts im Regen zu fahren, zählt nicht zu meinen besonderen Stärken.

    Wir parken neben einem größeren Wohnmobil, während auf dem Kanal die Geräusche der riesigen Schiffe motorend sich im Wind verlieren. In den frühen Morgenstunden wache ich auf und höre den Sturm an Kraft zunehmen, wie er über uns hinwegfegt, der Schiffsverkehr scheint eingeschlafen zu sein.

    Trotzdem haben wir eine ruhige Nacht und einen guten Schlaf, im Wechsel regnet es oder der Wind stürmt. Manchmal ergibt sich auch Beides, oder geht im Geräusch der Standheizung unter, die den Raum auf einem Niveau hält, der dem Schlaf zuträglich ist.
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