• Pulheim

    Dec 10–11, 2024 in Germany ⋅ ☁️ 6 °C

    3.088 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 133 km/ Gesamt 373.894 km / Ø121,07 km)

    Landvergnügenhof
    50259 Pulheim
    Deutschland

    Reisen im Winter hat seinen Charme, auch wenn mir manchmal der Schnee fehlt, den es in Mitteleuropa so selten gibt. Und wenn, dann an unpassenden Tagen. Heute wäre ein guter Tag, um Spuren zu hinterlassen, was in Pfützen nicht so gut geht. Und im nasser Erde bleiben meine Schuhe stecken.

    Nein, mit Schnee könnte ich Erinnerungen schaffen, die vom Himmel aus gesehen vielleicht einem Herz gleichen. Ich habe mich immer gefragt, ob es an meiner Geburt geschneit hat. Vielleicht so ein kleiner Kaiserschnittschneefall, dass alle aus dem Fenster geschaut haben, und just in dem Moment riefen, er ist da. Der erste Schnee.

    Irgendwoher muss die Sehnsucht doch stammen. Oder dass ich jetzt eigentlich gerne nordwärts fahren würde, wenn es südlich nicht weniger weh tun würde. Aber ich jeden Herbst neu überlege, ob ich nicht doch und warum nicht. Vielleicht nochmal ne Hütte miete, Holz statt Stein. Sturm und Nordlichter. Dieses Jahr bin ich zu spät. Oder.

    Ich bin ein Träumer. Mir ist aufgefallen, dass ich mich viel schlechter entscheiden kann. Spontan geht das gut, aber wenn ich planen kann, dann wäge ich hin und her. Mein Kalender ist voll mit durchgestrichenen Reisezielen und unvollendeten Träumen. Aber irgendwie ist es auch schön, mir dann im Rückblick nochmal bewußt zu machen, welche Reisen tatsächlich sich ergeben haben.

    So also fahren wir von Lennestadt aus, an den ganzen Talsperren im Sauerland vorbei, die den grauen Himmel widerspiegeln, mit den kahlen, großen Bäumen an ihren Ufern, den verlassenen Campingplätzen den Hang hinauf. Kleine Orte im Uferknick, die plötzlich von einem Lichtstrahl aufgehübscht werden, doch wenn ich sie erreiche, ist der Spuk schon vorbei.

    Wildgänse sind heimisch geworden, sie spielen mit Hilde einen Western nach, als sie sich oben auf der Wiese versammeln, wie die Indianer im tanzenden Wolf. In Wipperfürth überlege ich, auf dem kostenlosen Stellplatz zu nächtigen, aber die emsigen Feierabendeiler, die ihr Fahrzeug suchen, machen weitere Gedanken sinnlos.

    Ich will mindestens bis zum Rhein kommen, die imaginäre Dezembergrenze zwischen früher und immer noch mich gut erinnern. Musik in der Innenstadt von Köln, die verschiedenen Wohnungen, in denen ich genächtigt habe, geliebt, gelacht, gekifft. So schön, wie Köln Anfang der siebziger Jahre war, ist es leider nicht geblieben, selbst wenn du mir was anderes erzählen würdest.

    Mancher hat so einen geheimen Liebesort in seinem Herzen, das kannst du einfach nicht toppen. Auch nicht mit den besten Geschichten. Ich lese, dass ich den Dom vom Landvergnügenhof aus sehen könnte, tatsächlich sind es aber die Kraftwerke, die mir im Blick über Felder im Weg stehen.

    Der Wind fegt über die freie Fläche, wir parken neben einem leeren Gewächshaus und den Gänsebraten gegenüber im eingezäunten Viereck, die von einer Ecke zur anderen schnatternd sich mästen.

    Ich habe eingekauft. Ziege, Schaf, Dickmilch, Gutsleberwurst. Lassen Sie es sich schmecken. Zuviel des Guten liegt schwer im Magen, ich schlafe lange und träume wenig Sinniges zusammen. Wache auf und ab. Und am Morgen sammele ich die Reste zusammen und bilde mein Leben neu.

    Hilde hat Farbe bekommen, mein einziger Lichtblick an diesem grautrüben Morgen, vielleicht liegt es an der Babynahrung, die ich seit ihren Magenproblemen hinzufüge. Sollen wir nicht im Alter wie Kinder werden. Dann habe ich das ja mit meiner unschlüssigen Entscheidungsunfähigkeit schon mal erreicht.

    Wir parken hinterm Heinenhof, ein Backsteinbau, der in die Jahre gekommen ist. Da fühlen wir uns glatt wohl. Es ist windstill, und ich höre ein wunderschönes Konzert mit Van Morrison in Montreux aus dem Jahr 1990, da war ich gerade mal vierzig Jahre alt. Wie die Zeit vergeht. Heute bin ich 74, ich muss erst anfangen, die Zahl in mein Leben zu integrieren. Den Link zum Konzert von Morrison, der fünf Jahre älter ist, füge ich bei. Vielleicht macht es dir auch hundert schöne Minuten.

    https://youtu.be/r0c9OQYoXLU?si=JUmvJ3AsZPFIrcDu
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