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- Dag 179–180
- 22. desember 2024 kl. 11:37 - 23. desember 2024
- 1 natt
- 🌧 4 °C
- Høyde: 238 m
FrankrikeBruley48°42’23” N 5°51’19” E
Bruley/France

3.100 TAGE AUF UNSERER
LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 195 km/ Gesamt 375.888 km / Ø121,25 km)
Wohnmobilstellplatz
54200 Bruley
Frankreich
Als ich aufwache, ist es schon sieben Uhr vorbei. Die ganze Nacht hat es geregnet und gestürmt, jetzt ist es überraschend ruhig. Mit einer falschen Bewegung erwische ich den Wasserkocher, den ich gerade auffülle, und ein Schwall Nässe überschwemmt den Boden dort, wo ich meine Stützstrümpfe anziehen wollte. Früh am Morgen sind die Gedanken ungeordnet, aber ich erinnere mich noch vage an den Rat der Fußpflegerin, mich doch regelmäßig einzucremen, am Besten vorm Schlafengehen.
Nichts davon habe ich im den letzten drei Wochen umgesetzt, und gestern auch das Fußbad vergessen, weil Steffi angekommen ist. Jetzt habe ich halt die Schmerzen. Es sind ja nur Füße, obwohl ich auf sie den ganzen Tag treten werde, aber mir ist schon klar, dass dieses Nichthandeln mein ganzes Leben überzieht.
Wie oft denke ich, dass es gut läuft, und ich übersehe meine Routine, die in gewisser Art lebensnotwendig ist und sich durch viele Handlungen hindurchzieht. Das sind nicht nur die Medikamente und die Stützstrümpfe, das betrifft insbesondere mein geistiges Leben, meine seelische Stabilität.
Die Folgen kommen oft unerwartet, aber dann auch schmerzhaft, und sie sind nicht einfach mit einem Pinselstrich wieder grade zu bügeln. Das Fatale an vielen Psychopharmaka ist, dass eine gute Einstellung und eine regelmäßige Medikamenteneinnahme oft dazu führt, dass der Patient sich so gut fühlt, dass er glaubt, es ginge auch ohne sie.
Der Absturz ist nicht abrupt, tatsächlich fühlt es sich lange gut an, ohne Medikamente zu leben, weil sie natürlich auch Nebenwirkungen haben, aber dann ist es plötzlich mit dem "Guten" vorbei, der Körper reagiert auf das fehlende Medikament, der Patient ist sehr gefährdet. Da hilft dann oft nicht mehr, die erneute Einnahme der Medizin zu forcieren, sondern im Mindesten ist eine ärztliche Begleitung, oft ist ein stationärer Krankenhausaufenthalt unumgänglich.
Das weiß ich alles und habe es dreißig Jahre lang versucht, meinen Betreuten verständlich zu machen. Trotzdem gelingt es mir selbst, genau in diesem Punkt zu scheitern. So tun die Füße heute morgen sehr weh, trotzdem muss ich mit Hilde rausgehen und hoffen, ich habe es dieses Mal begriffen.
Es ist ja jetzt nicht so, dass ich alles vernachlässige. Gestern habe ich Baguette für Hilde gekauft, dass auf der Ablage trocknet, für ihr Futter und für meine Ernährung sorge ich schon. Und auch, wenn das Gehen schwierig ist, machen wir unsere regelmäßigen Spaziergänge über den Tag verteilt, allerdings sind es eben kürzere Wege, die ich derzeit nur gehen kann.
Pünktlich zum nächsten Regenschauer sind wir draußen, der Wind fegt so heftig über den Platz, dass Hilde erstmal ein paar Schritte zurück macht. Den Lärm aus Steffi's Bus definiere ich mit der neuen Standheizung aus China, die mir erstmalig bewusst macht, was hinter dem Wort Chinaböller auch stehen kann. Der Rasenstreifen zieht sich an der Straße entlang, die glücklicherweise unbefahren ist, sodass wir auf ihr gehen können.
Die neuen Wanderschuhe machen das Gehen federnd, als sei der Asphalt noch weich. Das wirkt angenehm, trotzdem wird es noch länger dauern, bis die beiden Freunde werden.
Das erste Bild des gestrigen Tages ist auch das letzte aus Deutschland. Wir haben gerade noch in Überherrn getankt und in der Europa-Apotheke konnte ich das letzte Medikament kaufen, das mir fehlt. Der Tankwart spricht mich in französisch an, ich bin so perplex, dass ich in Deutsch antworte. Er ist Franzose mit einem wunderschönen Akzent in der deutschen Sprache, dass ich lachend frage, ob wir schon in Frankreich seien. Gleich dahinten, antwortet er mir, die meisten Kunden sind tatsächlich von drüben, wo der Diesel bis zu zehn Cent mehr pro Liter kostet.
Als ich das Bild vom Ort mit den dahinter liegenden Industrieanlagen von Völklingen aufnehme, haben wir auf einem Feldweg angehalten, um noch einen letzten heimischen Spaziergang zu machen. Denn überm Berg liegt Frankreich mit seinen langgezogenen schmalen Straßen, die nach Westen führen, und mich immer schon in Angst und Schrecken versetzt haben, wenn ich über die Kuppe gefahren bin, und die Straße war für einen Augenblick weg.
Und wieder bin ich schlagartig verliebt in den morbiden Charme meiner Herzensheimat. Wobei das ja nicht wirklich stimmt, denn es gibt durchaus noch mindestens ein Land, dem auch mein Herz gehört. Aber La France ist einfach schön und dazu weihnachtlich geschmückt. So ein wenig einfach, ohne das große Brimbaborium. Fast so, als hätten Kinder die Gestaltung durchgeführt und nicht die örtlichen Mitarbeiter.
Zur Nacht fahren wir nach Bruley, auf den Parkplatz, wo der Pizzawagen vorfährt, und wir Steffi treffen, die in ihrem Winterurlaub von Belgien zu Dali in Spanien fahren möchte. Die beleuchtete Kirche schaut auf uns herab, während der Regen auf niemand Rücksicht nimmt. Gegenüber steht ein Niederländer mit seinem Camper neben einem Franzosen mit Wohnwagen, um den Platz herum sind Wohnhäuser, deren Weihnachtsschmuck aufwendiger gestaltet ist.
Gerade eben, als mein Porridge fertig ist, kommt die Sonne raus, der Himmel blaut auf, und die weißen Wolken erzählen von himmlischen Schäfchen, die über einen Azurteppich hopsen. Frankreich rollt mir den roten Teppich aus.Les mer