• Le Cailar

    Dec 31–Jan 1, 2025 in France ⋅ ☀️ 5 °C

    3.109 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 115 km/ Gesamt 377.189 km / Ø121,32 km)

    Table d'Orientation
    30740 Le Cailar
    Frankreich

    Ein Jahr geht zuende. Überall kommen mir Rückblicke entgegen, und ich erfreue mich an die meisten, doch einige stimmen mich traurig. So viel kann in 365 Tagen passieren, was wir nicht beeinflussen können. Und wenn es möglich wäre, wie hätten wir uns dann verhalten.

    Von mir gibt es keinen Rückblick, keine Reminiszenz, kein Pro und Contra. Würde ich darüber meditieren, wäre ich eingeschlafen. Könnte ich darüber schreiben, hätte ich mich verzettelt. Sollte ich mich erinnern müssen, würden mir die Worte im Hals stecken bleiben.

    Es ist nicht so, dass ich die Vergangenheit verdränge, natürlich könnte ich einige Ereignisse aufzählen. Aber ich halte es nicht für sinnvoll, denn ich lebe nach vorne. Mit meinen Geschichten schließe ich das Erlebte ab, und bin damit bereit für das Unbekannte.

    Natürlich habe ich auch einen neuen Jahreskalender, in den ich meine Wünsche und notwendigen Termine eintrage, aber erst wenn ich den Tag erreiche, werde ich erfahren, ob mein Plan in Erfüllung geht. Aber darüber hinaus ist jeder Tag ein weißes Blatt für mich, die Dinge ereignen sich, und ich bin der Überzeugung, dass ich immer am richtigen Ort bin.

    Auch dort, wo ich mich komplett falsch fühle, denn aus jeder Erfahrung gewinnt unser Leben einen reichen Schatz, wenn wir ihm vertrauen. Denn wie sollte ich sonst auf den Berg kommen, wenn ich nicht vorher durch ein Tal gegangen bin.

    Ich finde nicht, dass dies bedeutet, man müsse in jeder Situation standhaft bleiben und sie aushalten. Gott hat uns die Sinne gegeben, um zu unterscheiden. Und natürlich weiß ich auch, dass Menschen unglaubliches Leid zugefügt wird, ohne dass sie eine Entscheidung treffen können, sich dagegen zu wehren, aus der Situation zu entkommen. Und dabei ist es nicht mal ein Privileg, in der westlichen Welt zu wohnen.

    Ich kann nur für mich und mein Leben sprechen. Für meine Situation, meine Vergangenheit, Gegenwart, und Zukunft. Für meine Tiefen und für meine Höhen. Und vielleicht mag es Dir helfen, Deine Sicht der Dinge zu überdenken, Dich im Neuen Jahr neu auszurichten.

    Ich freue mich auf Morgen, so wie ich dankbar bin für jeden neuen Tag, der sich mir öffnet. Und ebensoviel Dankbarkeit empfinde, wenn ich mich schlafen lege. Wohl wissend, dass ich nicht tiefer fallen kann, als in Gottes Arme.

    So danke ich Dir, dass Du uns in diesem Jahr auf unserer Reise mit deinen positiven Gedanken begleitet hast, und wünsche Dir, dass Du voller Erwartung und Vorfreude in das nächste Jahr hineinschaust, weil es definitiv das Beste ist, was auf Dich zukommt.
    ‐--------------------------------
    Als wir aufwachen, liegt der Nebel um uns herum. Es war nochmal eine kalte Nacht, bis minus drei Grad Celsius. Jetzt soll das Wetter sich ändern, erzählt Andy, die Temperatur steigt, aber der Regen kommt. Das war bei unserer ersten Begegnung auch so, dass das Wetter nach unserem Abschied umgeschlagen hat. Damals, an der Ostseeküste, ein wenig südlich von Tallinn. Da sind sie auch in gewisser Weise heimwärts gefahren wie heute, während unsere Reise sich in die andere Richtung bewegt.

    Aber wie lustig sich diese Begegnung gestern gestaltet hat. Andy und seine Frau parken an diesem Aussichtspunkt. Er weiß aus meinen Texten, dass wir auch in der Gegend unterwegs sind, und als ein blauer Bus vorbeifährt, ist er der Überzeugung, das seien wir gewesen. Seine Nachricht mit Handynummer findet sich auf meinem Account, und tatsächlich sind sie keine halbe Stunde von uns entfernt.

    Wir haben Steffi gerade mit dem neuen Gipsverband ins Hotel zurückgebracht, und wollen unbedingt an den Strand für einen Sonnenuntergangs - Spaziergang, aus dem ein Potpourri unglaublicher Farbengewalt entsteht. Dann wird es dunkel, und der Navi führt uns auf eine unbefestigte, dunkle Straße im Nirgendwo.

    Bloß kein Gegenverkehr, an beiden Seiten liegen tiefe Gräben, die Straße ist so schmal, dass nur anderthalb Fahrzeuge darauf Platz haben. Dann kommt ein Ort mit Lichterketten, dessen Ausgang sich in die schwarze Nacht hineinbohrt. Ich könnte irgendwo sein, habe keine Orientierung, und wäre nie hier um Dunklen langgefahren, wenn ich nicht erwartet würde.

    Und mit welcher Freude, ich bin tief berührt. Wir stehen noch lange draußen im Gespräch unter sternklarem Himmel, bis uns die Zehen einzufrieren drohen. Was für eine schöne, völlig unerwartete Begegnung. So etwas kann man nicht planen, das ist ein Geschenk des Lebens!
    Read more