• Horgenzell

    27.–28. jan., Tyskland ⋅ ☁️ 7 °C

    3.136 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 58 km/ Gesamt 380.717 km / Ø121,40 km)

    Wohnmobilstellplatz
    88263 Horgenzell
    Deutschland

    Heute morgen hat alles gepasst. Wir sind alleine draußen auf den Wiesen, Hilde kann rumrennen, die Sonne schaut kurz über die Berge mit ihrem ersten Rot, Schnee auf den Spitzen, und der Regen kommt erst, als wir kurz vor der Rückkehr in den blauen Bus sind. Perfektes Timing.

    Das klappt ja nicht immer im Leben. Oft genug lieg ich einfach daneben, grade was so meine Reisemodalitäten angeht. Da stimmt das Timing nicht. Andererseits denke ich dann aber auch, dass wir wohl zu dieser Zeit an diesem Ort sein sollten, obwohl ich noch kurz vorher mit mir selbst gehadert habe.

    Wäre doch so schön, jetzt im sonnigen, warmen Süden zu sein, sag ich mir dann, nur um einige Augenblicke später festzustellen, wie gut es uns grade jetzt hier geht. Mittags sind wir mit einer Leserin verabredet, und ein Gefühl sagt mir, dass der rote Bus, der gerade auf dem anderen Parkplatz ankommt, mit ihr zu tun hat.

    Dann tut sich aber lange nichts, bis ich aufschaue und eine Frau im Rollstuhl auf uns zufahren sehe. Eine reiselustige Österreicherin, die sich von einer blöden Kinderlähmung nicht aufhalten lässt, ihre Träume zu verwirklichen. Respekt. Ihre Katze wäre leider an die Wohnung gebunden, sodass sie nur mal ein paar Tage reisen könnte, solange die Nachbarin das Tier versorgt.

    Wir haben ein angenehmes Gespräch, dann schwingt sie sich wieder hinters Lenkrad und fährt nachhause. Der Platz um uns herum hat sich zusehends angefüllt mit aller Arten von Spaziergängern auf zwei oder vier Beinen, was Hilde keine Ruhe lässt, sodass wir auch aufbrechen in diesen herrlich sonnigen Tag.

    Tettnang und Ravensburg. Wir sind morgen nachmittag in Friedrichstadt verabredet und wollen nicht zu weit nach Westen fahren. Keiner der anvisierten Plätze hat auch nur annähernd das Niveau, Gemütlichkeit zu verbreiten, und die Frage der Übernachtung befriedigend zu beantworten.

    Bis wir nach Horgenzell kommen, und ich sehe, dass der Platz an der Wiese neben den Wohnhäusern fast leer ist. Hier steht ein Ehepaar mit Hund, die im Sommer Käse auf der Alm machen, und mein Nachbar, der in der Gegend arbeitet, aber weiter weg wohnt. Der Platz kostet fünf Euro, und du kannst sieben Tage hintereinander dort stehen. Im Winter sei er oft ganz alleine hier gewesen.

    Wir waren schon mal hier, im Sommer, da war der Platz rappelvoll. Das ist ja auch wie Urlaub machen. Ein Platz an der Wiese mit Spazierwegen vor der Tür, den schneebedeckten Bergen im Blick, und die Sonne, wie sie über dem Bodensee in der Talsenke ihren Lauf nimmt. Nebenan ein Fußballplatz, weiter hinten eine Schule, rechterhand Wohnhäuser.

    Es gäbe keine Kneipe, kein Geschäft hier, einfach ländliche Idylle. Natürlich gibt es auch hier Hundespaziergänger und Wanderer, Familien, die ums Dorf an einem Sonntag laufen. Hier kann ich mir vorstellen, was es bedeuten würde zu bleiben. Mit 50 Cent für den Strom und 5 Euro für die Nacht ein ideales Plätzchen. Günstiger als jedes Zimmer mit Bad.

    Unvorstellbar. Ich bin schon froh, wenn ich irgendwo 24 Stunden stehen kann. Aber ein paar Tage, eine Woche, ein Monat. Nur Lesen, Musik hören, Schreiben, Spazierengehen. Niemals. Dann hätte ich auch in einer Wohnung hocken bleiben können. Der Mensch braucht Herausforderungen, auch wenn er dann jammert, es würde ihm alles zuviel. Aber Stillstand ist für mich ein kleiner Tod. Das ist nur meine Sicht der Dinge, ich könnte Socken stricken lernen oder ein Instrument spielen. Fitness machen oder Joggen. Fernseh gucken oder schlafen.

    Ich glaube, es liegt am Regen, dass ich solche gedankenlosen Ausflüge mache. Wir spazieren am Nachmittag zur untergehenden Sonne und am Morgen zum Sonnenaufgang. Essen und Ruhen, ich schreibe eine Geschichte, und schlafe ein bisschen. Der Rücken ist verspannt, und wenn Hilde einseitig zieht, zwickt es gehörig. Eine kaltnasse Kombination mit kaputten Knien, vermutlich komme ich nicht um einige Stunden Krankengymnastik herum, wenn ich in den nächsten Monaten öfter in Norddeutschland unterwegs bin.

    Vielleicht geht's auch weg, wenn es wärmer wird. Aber erstmal beginnt es zu stürmen, dass die Bäume wackeln, und Hilde sich zum Schlafen einrollen.
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