• Vielbach

    3–4 févr., Allemagne ⋅ ⛅ 3 °C

    3.143 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 175 km/ Gesamt 381.543 km / Ø121,39 km)

    Landvergnügenhof
    56244 Vielbach
    Deutschland

    Minus sechs Grad in den Morgenstunden, aus dem Tal steigt die Sonne auf, die Wiesen sind gefroren, wir haben gut geschlafen, machen den ersten Spaziergang. Neben uns parkt ein altes Wohnwagengespann mit einer interessanten Geschichte.

    Ich komme mit dem Mann ins Gespräch, sie wären jahrelang im Mittelmeer auf einem Segelschiff unterwegs gewesen, eine besonders schöne, abenteuerliche Zeit. Er habe sich vorgenommen, mit fünfzig Jahren aufzuhören zu arbeiten, so reisen sie schon lange, wenn sie nicht die Enkelkinder aufwachsen sehen, oder im Wald um ihren kleinen Ort spazieren gehen.

    Der alte Wohnwagen ist ganz neu, sie wollen einen Lebensabschnitt damit füllen, das Frühjahr wird voll Sehnsucht erwartet. Gerade haben sie erstmal einen Luftballon gestartet. Ob man auch im Winter reisen kann. Ihn treibt es mehr zu reisen, aber vielleicht erwacht ja ihre alte Sehnsucht auch wieder. Man wird ja nicht jünger, und die Welt ist so groß und schön, wer will da schon warten, bis es zu spät ist.

    Ich kann das auf gar keinen Fall. Auf dem Obsthof bleiben wir tatsächlich bis weit über den Mittag, bis wir dann nach einem letzten Spaziergang aufbrechen. Ich habe gesehen, dass Pfungstadt gar nicht so weit entfernt, dort wohnen liebe Menschen, die sich freuen, uns mal wieder persönlich zu begegnen, statt immer von uns zu lesen.

    Meine Anfrage kommt spontan, aber sie ziehen die leckere Linsensuppe einfach ein paar Tage vor, und haben so eine Idee zum Abendessen, bei dem leckere Käsesorten ebenso nicht fehlen dürfen wie gute Gespräche. Am nächsten Vormittag machen wir einen Waldspaziergang zusammen, da hat auch Lucky, ihr Hund, endlich die Möglichkeit, Hilde kennenzulernen. Denn ihre erste Begegnung an der Haustür ist gleich eskaliert, sodass wir die Hunde trennen mussten.

    Die Freunde sind interessiert an der Duschkabine am blauen Bus, die ich aufgrund meiner schwindenden, körperlichen Kräfte nicht mehr nutze. Ich habe sie seit zwei Jahren nicht mehr benutzt, und als jetzt der Reißverschluss geöffnet wird, saust eine wildgewordene Wespe, die dort überwintert hat, dicht an meinem Gesicht vorbei. Sie wird sich wundern über die eisigen Temperaturen trotz des strahlenden Sonnenscheins, und ich hoffe, sie findet noch ein paar Freunde, die ihr wohlgesonnen sind.

    Am Sonntag queren wir den Großraum Frankfurt, meine Idee ist Idstein, vielleicht dort auf den Stellplatz zu gehen. Zuerst ist aber mal das Tanken erforderlich, und ein kleiner Spaziergang um eine Wiese herum. Komme mit einer Frau ins Gespräch, die über unseren Schriftzug stolpert. Die Sonne habe sie rausgelockt. Sie spricht vom Luftholen im Sonnenschein, und einer seelischen Atmung nach wochenlangen trüben Wintertagen. Mit einigem Abstand folgen wir ihr, der Weg schlängelt sich um die Hälfte der Wiese, und weiter unterhalb der Bahnlinie entlang.

    Ich sehe Schrittspuren über die Wiese und komme auf die tollkühne Idee, das Gras einfach zu queren. Leider ist sie von einer Seite durch einen Graben begrenzt. So ein kleines Hindernis wird für mich nahezu unüberwindbar, ich müsste auf den Po runter, was schon sehr anstrengend sein würde.

    Zum Glück kommt ein junges Ehepaar vorbei, die Frau hält Hilde, und der Mann überquert den Graben, reicht mir seinen Arm, und hält mich fest. Ich bin sehr dankbar, sie hätten es gerne gemacht, sagen sie zum Abschied. Vielleicht haben wir jetzt alle eine Lektion über Mitmenschlichkeit bekommen. Das ist heute wichtiger denn je zuvor.

    Im letzten Licht der Tages kommen wir auf dem Birkenhof in Vielbach an, Hilde ist ganz aufgeregt. Meine defekte Sandale hat es auf der Wiese komplett zerlegt, nimm einfach meine, sagt Randy, er habe sie im letzten Jahr gekauft. Jetzt sei Winter, ergänzt seine Frau Sandra beim abendlichen Tee, da braucht er sie nicht. Heute bekomme ich es aber dicke ab, und da fragt mich noch einer, warum ich im kalten Winter nicht im Süden bin.

    Frieren Sie nicht in der Nacht, fragt mich der Nachbar, als er sich mittags von uns verabschiedet, hat er mir Eier vom Bauern mitgebracht, und ein Buch von uns mitgenommen. Auf eine Art haben wir Freundschaft miteinander geschlossen. Die Sonne ist so warm, dass sie geradezu ins Fenster hineinspringt.

    Trotzdem sind die Wiesen im Schatten noch gefroren, die Vögel zwitschern in den kahlen Ästen, eine stille Katze streift das Gras, Laufenden warten auf der Wiese, Hilde schläft.
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