• Wieda

    14–15 févr., Allemagne ⋅ ☁️ -2 °C

    3.154 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 142 km/ Gesamt 382.930 km / Ø121,41 km)

    Gästezimmer
    Bei lieben Freunden
    Wieda
    Deutschland

    Morgens sind wir noch eine gute Stunde alleine im Haus. Die Freunde sind arbeiten gegangen, zum Frühstück gab es eine heiße Gemüsesuppe, fein püriert. Der Puls schlägt hoch, ich habe nach dem Aufstehen geduscht, muss meine Sachen mühsam die Wendeltreppe hochschleppen. Das Gästezimmer liegt zum Garten hinaus, für Hilde ein Spielparadies.

    Wenn sie nicht ständig auf den Papa achten müsste, der so hilfsbedürftig wirkt, außerhalb vom Bus. Die Freunde sorgen sich um mich, ob ich das Leben im Bus nicht tauschen möchte, gegen vier Wände, eine Tür, ein Fenster. Damit ich es warm und trocken habe.

    Ich versuche sie zu beruhigen, dass es im Bus all das gibt, es der beste Ort für mich und Hilde ist. Denn das begreift jeder schnell, dass Hilde's ständige Kommentare zu allen möglichen Veränderungen mir schneller die Kündigung bringt, als das ich den Vertrag unterschrieben habe.

    Wir sind einfach wohnungsuntauglich. Hier sind die Nachbarn weit genug weg, und hier bleiben wir ja auch nur eine Nacht. Die letzten Tage in Braunschweig, der Enkelzwerg ist krank, der Sohn muss arbeiten, es schneit, und wir gehen spazieren. Sitzen im Bus, schauen aus dem Fenster, besuchen Freunde, essen gut und leben günstig.

    In der letzten Nacht sinkt die Temperatur auf minus 3,5°C, unter der Bettdecke ist es warm, draußen fühlt sich die Kälte nicht unangenehm an, weil der Wind eingeschlafen ist. Wir verabschieden uns von Claus und bringen meinen Sohn zur Arbeit. Ich habe ein kleines Zeitfenster zum nächsten Termin im Norden. Da bietet sich eine kleine Reise an.

    So wie damals, als ich jung war, und zwischen zwei Jobs einfach zehn Tage durch Frankreich getrampt bin. Ich sehe mich noch, für Stunden an einem Schild zu stehen, um ein Auto auf der kleinen Landstraße anzuhalten. Es war Mai, die Sonne hat mich ausgebrannt, nachts in Toulouse habe ich meinem Sonnenstich auf so einer exotischen Toilette mit Loch im Boden ein Opfer gebracht.

    Ein anderes Mal am Strand einen Sonnenbrand an den Füßen eingefangen, sodass das Gehen mit vollbeladenem Rucksack zu einer Tortur wurde. Alles Geschichte, denke ich manchmal, also überstehst du das jetzt auch, wenn das Gehen zu einer körperlichen Anstrengung wird.

    Später mal im Himmel wirst du lustige Geschichten darüber erzählen können. Wir fahren durch den Harz, die Temperatur sinkt auf fast sechs Minusgrade, die Straßen sind gut befahrbar, ich darf schöne Bilder sehen, ein paar davon mitbringen.

    Abends essen wir lecker mit den Freunden, reden über Deutschland, die politische Situation, München. Mein Sohn hatte mich angerufen, weil es ihn so sehr bewegt, was im Land geschieht. Es sei unfassbar, und es macht wütend. Das kann ich verstehen. Obwohl ich mich seit zwei Wochen weigere, Nachrichten zu lesen, geht nicht alles an mir vorüber. Aber ich schlafe besser, träume entspannter.

    Vor einigen Monaten hatte ich den Freunden erzählt, dass meine Wohnorte und meine verschiedenen Arbeitsplätze jeweils zwei große Seiten füllen. Heute zeige ich es ihnen. Vielleicht verstehen sie so besser, warum mein Leben in dieser Weise verläuft. Sie können ihre Wohnungen an einer Hand abzählen, ihre Arbeitsstätten mit zwei Fingern. Tatsächlich wohne ich im Bus am längsten. Maximal neun Jahre habe ich vorher fest irgendwo gewohnt. Da war ich alleinerziehender Vater.

    In der letzten Nacht schlafe ich durch. Das Bett ist zu weich, um es zu verlassen. Trotzdem halte ich Kontakt zur Oberfläche, merke Hilde's Bewegungen, und mir begegnen bekannte Menschen in den Träumen. Es schneit, Hilde hat es sich nochmal auf der Bettdecke bequem gemacht.

    Noch einige Erledigungen in der Gegend, dann schauen wir uns in Richtung Main um. Jemand hat mein Duschzelt gekauft, wir bringen es ihm, er baut es ab. Anfang März will er mit seiner jungen Familie Richtung Türkei und Asien aufbrechen. Open End. Ein guter Plan.
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