• Salzhausen (2)

    Mar 2–3 in Germany ⋅ ☀️ 6 °C

    3.170 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 33 km/ Gesamt 384.990 km / Ø121,44 km)

    Wohnmobilstellplatz (frei)
    Salzhausen
    Deutschland

    Als wir zur Hundewiese in Salzhausen kommen, stockt mir der Atem. Auf der Bank hockt ein schüchterner, junger Mann mit seinem Hund im Arm, der Platz ist eine unregelmäßige Lehmfläche mit einem Erleichterungsgrasstreifen seitlich hinter einigen Container.

    Fünfzehn Uhr, Highlight einer Gruppe von Hundebesitzern, die ihre Tiere zum Spielen freilassen. Unser Versuch endet schnell mit einem Hund, der Hilde's unmissverständliche Sprache nicht deuten kann, und ihr nachrennt, was diese wiederum nicht akzeptiert. Der eine versteckt sich bei Frauchen hinter der Bank, sie erlauben mir auf dem Platz mit Hilde alleine rumzulaufen, während sie vorsorglich jeden Neuankommenden warnen.

    Ich will es nicht übertreiben und bedanke mich höflich, schaue aber ein bisschen traurig zurück auf die sich nun auflösende Gesellschaft, in der die Hunde genauso wie die Menschen wirken. Einer rennt am Zaun auf und ab, andere suchen auf der nackten Erde herum, die Menschen lösen sich von der Bank, bleiben aber auf Abstand zueinander.

    Ein Sinnbild von Gesellschaft, geht mir durch den Kopf, in der Einsamkeit sich nach Gemeinschaft sehnt, die wir über Tiere herstellen wollen, die selber sprachgestört sind. Ich möchte nicht so verstanden werden, als würde ich abwertend über diese Menschen sprechen. Ganz im Gegenteil bin ich froh, dass sie einen Ort gefunden haben, auf dem sie wenigstens jeden Nachmittag sich nicht alleine fühlen.

    Und natürlich sind auch wir in einer Weise sprachgestört, denn für den Aufenthalt in einer größeren Gemeinschaft sind wir nicht geeignet. Jemand fragte letztens, ob Hilde irgendwelche Allergien hat, worauf ich Hunde antworte. Das stimmt natürlich so nicht ganz, mit einzelnen Hunden klappt das schon, oder am Strand, wo sie ihnen aus dem Weg gehen kann.

    Aber grundsätzlich sind wir gerne alleine oder begegnen lieber Menschen in kleinen Gruppen von ein bis drei Personen. Das verwundert Andere des öfteren schon, hat man doch den Eindruck, Weltoffenheit müsse sich in Menschenlust multiplizieren.

    Das wäre vielleicht ein Wunschtraum, für dessen Umsetzung mir die Luft auszugehen scheint. Und so fahren wir fort, über kleine Dörfer im Sonnenschein. Von der Windmühle in einem Garten in Salzhausen, zum Funkturm bei Garlstorf, über die alte Kirche in Egestorf, zu dieser Bank zwischen Evendorf und Döhle, wo wir einen Spaziergang machen.

    Letztendlich kommen wir nach Raven, wo die Friedhof liebevoll im Tal zwischen Häusern und Kirche liegt, sodass die Erinnerungen lebendig bleiben. Als wir den Abzweig nach Salzhausen einschlagen, wird der Himmel dunkel, und hebt sich in ganz anderer Weise von den Birken ab, die die Straße säumen.

    Noch eine Nacht in Salzhausen, der Platz kann einem schon ans Herz wachsen, mit seinen unmittelbaren Nachbarn, deren Leben sich uns in einer Weise öffnet. Da sind die Jogger und Radfahrer, die Hilde anbellt, die Zeit auf ein freundliches Wort haben. Und der Parkplatz vom Wildbad, das jetzt geschlossen ist, zu dem ein Weg zwischen Zäunen zu einem Feld führt, auf dem sich heute morgen noch der Frost ausbreitet.

    Der kleine Junge, vielleicht so alt wie mein Enkelzwerg, auf dem Arm des Vaters, der selber noch jung wirkt trotz des Schnäuzers unter der Nase. Sie erzählen sich ihre kleine Samstagswelt, und am Abend müssen sie sich für eine weitere Woche trennen. Eine Szene, deren äußerliche Stille nicht im Einklang steht mit den aufwühlenden Gedanken, die sie auslöst, bei mir, bei ihm, bei den Müttern und Vätern in dieser schwierigen Welt, in der uns die gemeinsame Sprache auszugehen scheint.

    Eine Welt der Verlierer. Und das betrifft nicht nur das gemeine Volk und seine Kinder, die sich dort irgendwie zurechtfinden müssen, um ihre Zukunft zu bauen. Nein, der fehlende Respekt zwischen Menschen verursacht fast unheilbare Wunden auf beiden Seiten. Der Stock, den du hebst, trifft dich auch, so sagt man doch.

    Vögel zwitschern in den kahlen Ästen, die sich der Sonne entgegen recken. Wir sind umgeben von dem Blau des Himmels, der andere Camper ist weg, die Sonne scheint zwischen den Stämmen hindurch, die Luft ist eisig. Sunday morning, singen Velvet Underground schon seit 1967. Da war ich sechzehn Jahre alt und hatte schon genug gesehen, um zu verstehen.

    "Sunday morning, brings the dawn in
    It's just a restless feeling by my side
    Early dawning, Sunday morning
    It's just the wasted years so close behind..."

    https://youtu.be/Xhbyj8pqUao?si=mSW2CR58eHh08B1U
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