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- Day 26
- Tuesday, March 25, 2025 at 10:25 AM
- ☁️ 7 °C
- Altitude: 57 m
GermanyIse52°29’15” N 10°32’44” E
Mühlenmuseum Gifhorn

3.193 TAGE AUF UNSERER
LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 126 km/ Gesamt 387.601km / Ø121,39 km)
Seitenstrasse
Braunschweig
Deutschland
Wenn ich in irgendeiner Stadt nachts im Dunklen zwischen den Fahrzeugen parke, um dort zu schlafen, schleiche ich mich meist im ersten Licht wieder raus, bevor die Unruhe auf dem Bürgersteig beginnt, Menschen zur Arbeit eilen, und Hilde ärgerlich bellt.
Dabei gibt es sehr lustige Erlebnisse wie einst in Schweden, wo beim Aufwachen alle parkenden Fahrzeuge vor und hinter uns weggefahren waren, wir sozusagen auf dem Präsentierteller standen. In der Schweiz nickten uns die Nachbarn freundlich wissend zu, und in Würzburg stand neben uns ein zweispuriger Stau, die jungen Mitarbeiter einer Baufirma grinsten durchs Seitenfenster.
In Braunschweig ist es noch dunkel und kalt, die gelbe Straßenlaterne wirft ihr Licht über uns, ich starte den Bus und starre durch die nasse Windschutzscheibe auf die dunkle Straße. Die Ampeln sind noch auf Blinklicht geschaltet, und auf dem Mittellandkanal kommt uns seitlich ein Frachter in voller Beleuchtung entgegen.
An der Autobahnauffahrt ist ein Parkplatz, auf dem wir oft stehen, wenn wir Wartezeiten in der Stadt überbrücken wollen, weil es in der Nähe einen ruhigen Spazierweg gibt, über den die früheren Wandervögel fliegen, um in den Rieselfeldern zu landen, wo sie mittlerweile ganzjährig wohnen.
Wartezeiten habe ich sonst nur selten, aber in diese Stadt komme ich wegen den Kindern und meinen Arztterminen. Der Lebensrythmus der Familie ist vom Arbeiten geprägt, da müssen wir gucken, wann gemeinsame Zeit möglich ist. Und die anderen Termine erklären sich von selbst.
Im Vorfeld versuche ich die Termine aneinanderzureihen, um möglichst an einem langen Vormittag alles erledigen zu können, während Hilde eine Freundin besucht, mit deren Terminen wir leider nicht immer konform gehen. Dann kann ich nur hoffen, dass mein Sohn, der meist nachmittags arbeitet sich zu Hilde in den Bus setzt. Denn die schlechteste Lösung ist, die Fenster vom Bus weitestgehend zu bedecken, damit Hilde von außen nicht gesehen wird.
Bedauerlicherweise kann sie eine Seite selbst öffnen und kommentiert von dort lautstark Passanten. Das geht mal in der Seitenstrasse, aber nicht mitten in der Stadt. Und bevor ein militanter Tierschützer das Fenster einschlägt, um den armen Hund zu retten, suche ich nach einer anderen Möglichkeit.
Während das Wetter für Hilde's morgendliche Bedürfnislage keine Rolle spielt, ist feuchtkalt mit dem Beginn blühenden Grases in all meinen Körperteilen spürbar. Und so schniefe ich mich mühsam den Weg entlang, wo die elf Spargelhügel noch im Winterschlaf zu leben scheinen. Hilde bearbeitet den Rand des Feldes mit ihren Pfoten und ergänzt die Arbeit des Bauern, dessen Pflug nicht in diese Winkel gekommen ist.
In den Bäumen an der Landstraße lacht derweil ein Vogel lang anhaltend, während ein gelber Lastwagen den Tag erhellt und die Post in die Stadt bringt wie früher die Postkutschen, denke ich naiv und sehne die leichtfüßige Jugend herbei. Wobei mich die Erinnerungen schon dahingehend lehrt, dass die Zeit der Pferdefuhrwerke in einem längst vergessenen Jahrhundert angesiedelt war, über die eher die Großväter etwas hätten sagen können, wenn sie denn heute noch leben würden. Also sie müssten schon das biblische Alter der Anfangszeiten erreicht haben, denn meine Eltern alleine wären jetzt schon in ihrem 117. Lebensjahr.
Solche Spielereien lassen mir immer kurz den Atem stocken, weil mir bewußt wird, wie die Zeit auch in meinem Leben vergeht, von dem ich hoffe, Gott würde mir noch ein Dutzend Jahre oder mehr schenken. Aber da man nichts Genaues weiß, ist es wichtig, dass Jetzt mit dankbarem Leben zu füllen. Egal wie das Wetter ist.
Auf dem Weg von Nienhagen nach Braunschweig machen wir einen Abstecher nach Wolfsburg, wo der liebe Thomas in mühevoller Kleinarbeit den Verschluss des Seitenfensters repariert, wofür ich ihm sehr dankbar bin. Vorher haben wir einen Spaziergang am Mühlenmuseum in Gifhorn gemacht. Die Sonne scheint, übern See hinweg schaut die russisch-orthodoxe Kirche zu uns herüber.
Unser Mühlenbesuch ist sicher zwanzig Jahre her, der übliche Sonntagsausflug mit den Kindern vom Braunschweiger Land her, wo wir gewohnt haben. Ich erinnere mich noch, dass man frisch gebackenes Bauernbrot kaufen konnte, und in einem Teil des nahegelegenen Schlosses war vor bald vierzig ein offener Strafvollzug untergebracht, wo Menschen lebten, die ihren Unterhalt nicht bezahlt haben, oder in einen Unfall mit Personenschaden unter Alkoholeinfluss verwickelt waren, und ebenfalls die Geldstrafe noch schuldig waren.
Wenn sie dann noch eine Pflegschaft oder Vormundschaft hatten, kam ich u.a. ins Spiel. In diesen alten Zeiten wurdest du noch wegen Trunksucht entmündigt, heute gar nicht mehr denkbar, wer da alles unter einen solchen Schutz gestellt würde.
Ach ja, die guten, alten Zeiten, ich denke immer mal wieder an so manche lustige Geschichte aus meiner beruflichen Tätigkeit als Sozialarbeiter. Im Nachhinein bekommen ja oft die traurigen Episoden einen lächelnden Rahmen, trotzdem vergesse ich den Menschen und sein Leben dahinter nicht. Das wünsche ich mir auch für meinen Nachruf.Read more