• Königsberg in Bayern

    Apr 9–10 in Germany ⋅ ☁️ 2 °C

    3.208 TAGE AUF UNSERER
    LEBENSREISE IM BLAUEN BUS (Fahrtstrecke 102 km/ Gesamt 389.423 km / Ø121,39 km)

    Wohnmobilstellplatz (frei)
    Königsberg in Bayern
    Deutschland

    Ich habe eine mentale Unordnung in mir. Gestern abend, als wir Platz genommen haben. Während der Abendsession, sodass ich mich entschieden habe schlafen zu gehen. Als ich nicht einschlafen konnte, mitten in der Nacht aufgewacht bin, und am Morgen vor fünf Uhr schon aufstehe, um die Gedanken zu unterbrechen.

    Während der Körperwäsche, als mir klar wird, dass ich nicht einfach erschöpft bin, sondern mental verwirrt. Früher hätte ich Streit gesucht, um mich im Rechthaben zu rechtfertigen, meine Stimmung anderen Menschen übergestülpt, um mich nicht mit mir auseinandersetzen zu müssen.

    Heute bin ich alleine und spüre den inneren Konfrontationkurs, der wie aus heiterem Himmel über mich hineinzubrechen scheint. Was natürlich nicht stimmt, weil es eine oder mehrere Folgen hat. Die in mir und außerhalb von mir liegen. Letztendlich aber nur meine eigenen Entscheidungen betrifft.

    Gestern treffe ich einen netten Menschen. Wir haben uns sieben Jahre nicht gesehen. Sie sagt, dass sie mit sich im Reinen ist, sie könne jederzeit sterben, sie habe alles gemacht, was sie sich vorgenommen hat. Sie hat Erdbeerkuchen mitgebracht, wir sitzen im blauen Bus auf einen wunderschönen Picknickplatz umringt von Grün oder dem Zustand von Natur im April, der noch in der Entwicklung ist. Machen einen schönen Spaziergang mit Hilde, ich fühle mich sprachlos, wo man doch nach so langer Zeit einen größeren Redebedarf haben könnte.

    Ich überlege später, ob es daran liegen mag, dass unsere realen Lebenswelten so weit auseinander liegen. Oder weil sie so fertig mit sich selber ist, während ich doch so oft mit mir im Widerspruch stehe. Wir ergänzen uns auch nicht, wie das manchmal im Miteinander passiert, hören uns lediglich zu, und haben trotzdem das Gefühl, eine angenehme Zeit miteinander verbracht zu haben. Ja, melde dich, wenn du wieder in der Gegend bist, sagt man doch nicht einfach dahin, ohne es zu meinen.

    Ich setze sie bei ihrem Zuhause ab und achte auf Hilde's Verhalten, das ein Gradmesser der Intensität einer Begegnung ist. Sie ist wenig beeindruckt oder traurig, legt sich neben mich und leckt meine Hand. Wir gehen spazieren und sie ist zufrieden. Fahren durch den schönen Ort Königsberg in Bayern, das in Unterfranken liegt, wo es die Menschen sehr ärgerlich macht, wenn sie Bayern genannt werden, wo sie doch Franken sind.

    Aber zur Unterscheidung von all den anderen Königsberg in Deutschland dient das Bayern dann eben doch. Der Stellplatz liegt an einem großen, leeren Platz, direkt hinter der Hundemeile täglicher Spaziergänger, sodass wir seitlich unterhalb vom Hallenbad nächtigen, wo der Platz leicht geneigt ist.

    Der Himmel grau, die kahlen Bäume still, der Asphalt dunkel, nur die Lichter im Bad leuchten gelb. Das sah gestern anders aus. Die Sonne schien und oben auf dem Burgberg, der zu uns runter schaut, blühen die Kastanien. Die schmalen Straßen im Ort, Kopfsteinpflaster, alte Häuser mit viel Flair, eine trutzige Kirche, Torbogen.

    Eine ruhige Nacht. Trotz allem ein guter Schlaf in den Zeiten dazwischen. Es ist nicht mehr so kalt geworden. Auch wenn ich öfter aufgewacht bin. Gedanken haben möchte wie die Forsythien, so glücklich gelb, selbst an grauen Tagen. Oder weiß wie die Apfelblüte, sanftrosa wie Magnolien, klar im Viereck wie Fachwerk.

    Hilde liegt wieder unter der Bettdecke, lange Atemzüge. Ich trinke einen Kefir, damit ich alt werden kann, in der Hoffnung, eines Tages auch mal so aufgeräumt in mir zu sein, dass ich jederzeit gehen könnte. Obwohl ich eigentlich glaube, dass ich das nicht will, weil ich die Spannung brauche zwischen dem Jetzt und der Zukunft, den Möglichkeiten und den verpassten Gelegenheiten, die mich wachsen lassen.

    Bayern liegt nicht am Meer, hat mir jemand zum Abschied gesagt, als er mich nach meinen Plänen gefragt hat. Und ich habe mich zu erklären versucht, und tue das weiterhin jeden Tag. Nicht, weil mir Bayern nicht gefällt, sondern weil ich glaube, dass die Route nicht stimmig ist, mir das Meer aus den Augen kommt. So bleibt mein Leben ein Versuch des Gelingens, der Umwege und des Lernens.
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