• Hittarp/Schweden

    30–31 Mei, Sweden ⋅ ⛅ 16 °C

    Am Morgen muss ich mich erinnern. Ich habe die frühen Wecker ignoriert, aber das Medizinläuten zwingt mich aufzustehen. Stützstrümpfe, Medikamente, Körperwäsche,
    Tee trinken,
    Anziehen.

    Es hat geregnet in der Nacht, also habe ich doch nicht geträumt, in den Pfützen steht das Wasser ganz still, spiegelbildstill. Wäre der Himmel nicht grau, würde sich die Sonne wiedersehen können. Die neue Matratze gleicht nicht die Mängel des Älterwerdens aus. Jede Nacht trägt ihre Lasten und nach zwei langen Fahrtagen sind diese groß.

    Rechtzeitig habe ich mich erinnert, dass Christi Himmelfahrt am Donnerstag ist, als ich mich Mittwochmorgen in Nienhagen auf den Weg mache. Die Entscheidung, Autobahn zu fahren ist nicht schlecht, aber dennoch nicht glücklich, denn rund um Hamburg ist mindestens StopandGo.

    Wir fahren durch Wilhelmsburg an einem sonnigen, emsigen Familiennachmittag rüber zu den Elbbrücken, und sind glücklich, nicht den Elbtunnel im Schritttempo durchfahren zu müssen. Im Gegenverkehr steht man bis Eidelstedt in Dreierreihen, später weit oben bei den Hüttener Bergen ist ein skandinavischer Lastzug in den Straßengraben gerutscht, der vorher gut fließende Verkehr ist ins Stocken geraten und staut sich mehrere Kilometer zurück auf.

    Wer in den Süden will, muss Zeit mitbringen, aber uns läuft sie davon. Ein Spaziergang bei Handewitt, dann reihen wir uns auf dem riesigen Stellplatz in Flensburg ein, finden einen schönen Platz zum Grünen hin. Meine Nachbarn haben sich auf eine weniger schöne Art kennengelernt, weil einer nicht rückwärts schaut, tauschen sie jetzt ihre persönlichen Daten aus. So fängt der Sylturlaub doch gut an, während die Kopenhagenreise ein unerfreuliches Ende nimmt.

    Wir sind gänzlich unbeteiligt, fahren in einen sonnigen Morgen früh nach Wassersleben, wo wir im letzten Winter schon mal am Strand waren, nachdem wir an der Dänischen Grenze unsere Ostseetour nach Lübeck begonnen haben. Stilgerecht sozusagen. Nein, mit Hunden darf man nicht an den Strand seit dem ersten April, sagt eine Frau auf der Bank vor uns, aber heute schläft die Bürokratie, es ist doch Vatertag. Hinter uns fährt gerade eben ein Polizeibus langsam vorbei. Aber wir sind nicht die einzigen Hunde am Strand, das entspannt.

    Dänische Grenze, Frühstück auf einem der nächsten Parkplätze, wo wir ein Paar treffen, die von Cuxhaven und Elbtunnel bis dreißig Kilometer in Dänemark gestern fünf Stunden gebraucht haben. Gerade aufgestanden, unterhalten wir uns über Norwegen, was für ihren vierzehntägigen Urlaub knapp wird.

    Dänemark zieht sich, der Verkehr dreispurig an einem Feiertag in beiden Richtungen, bei der Öresundbrücke ziehe ich das erste Mal die Luft hörbar zwischen den Zähnen ein, da muss ich echt hinauf. Merke, dass ich älter werde, aber oben genieße ich den weiten Blick über das blaue Wasser.

    Ich kämpfe mit der Müdigkeit. Schon gestern gab es grenzwertige Situationen, heute nehme ich wiederholt kurzzeitige Auszeiten vom aktuellen Leben, erhole mich aber schnell wieder. Dann sind wir an der Fähre nach Schweden, wo ich angesichts der Menge von Reisenden und dem Flow der Kilometerfresserei ernsthaft überlege, gleich weiter in den Norden zu fahren.

    Die Skyline von Helsingborg vor dem Bug der Fähre. In der Stadt ist ein Betrieb wie bei einer Bigparty. Besonders viele junge Frauen sind sehr elegant gekleidet, als würden sie zu einem Ball gehen, möglicherweise wird hier so der Schulabschluss gefeiert. Wir tingeln im dichten Verkehr stadtauswärts an der Küstenlinie entlang, die Straßenschwellen entfernen jede Geschwindigkeit, die aufgemotzten Sportwagen können noch so oft ihren Motor aufheulen lassen, zum Trotz gegen die Langsamkeit knattern ihre Auspuffe.

    Dann liegt die Stadt hinter uns, ein paar Häuser, ein Supermarkt. Ein junger Vater hält ein so kleines Baby im Arm, dass ihn Spaziergänger grüßen, er ist sichtlich stolz. Dann ein kleiner Wald mit talwärts gerichteten Serpentinen, und wir sind am Meer. Und am Stellplatz, mit Blick auf die Ostsee, Dänemark gegenüber, die vielen Frachter und Fähren, ein kleiner Hundestrand, der nahezu unbegehbar ist aufgrund der Steine und der Spuren von Traktoren.

    Aber Hilde ist zufrieden, abends und morgens für den schnellen Schritt im eine entlegene Ecke, der richtige Spaziergang findet oben im ausgetretenen Gras neben der Straße statt. Dann kommt die Sonne raus und der blaue Himmel schlägt sich übers Wasser, dessen Wellen unruhiger werden und kleine Schaumkronen tragen können.

    Wir frühstücken, hören Harvest Moon von Neil Young, das ich hier verlinke. Hilde liegt dicht hinter mir, dass wir eine Art Tandem bilden, während die Sonne durchs Fenster scheint, und französische Camper sich im Vorbeifahren grüßen. Eine junge schwedische Familie posiert, auf einem Stein stehen die beiden Jungs, für ein Photo, das der Vater aufnimmt, während seine Frau ihn liebevoll anhimmelt. Sie bewundern die Aufnahmen heute aus glücklichen Zeiten, spazieren Hand in Hand entlang der Coastline, beobachtet aus einem Dutzend Camper, wo vielleicht heute morgen solch glücklicher Momente längst vergangener Zeiten gedacht wird.

    https://youtu.be/6eXsn_1t0Go?si=m-EnDI5uMcXMg2w8
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