• Ten Years After

    Jun 14–15 in Norway ⋅ ☁️ 12 °C

    Wir waren nur fünf Minuten draußen, und Hilde hat sich ganz dolle beeilt, trotzdem erwischen uns Regen und Sturm. Und gerade, wenn es gar nicht passt, geht die Seitentür erst beim fünften Versuch auf, wir springen schnell rein, sind ziemlich durchnässt. Kaum sind wir drin, hört es auf zu regnen, der Wind schläft ein, und weil kein Verkehr ist, wird es ganz still um uns herum.

    Ich starte den Motor, um Wasser zu kochen. Die Batterien sind morgens zu weit runter, um mit tausend Watt den Kampf aufzunehmen. Fünf Minuten, in denen ich Hilde's Futter vorbereite, mein Porridge mit Erdbeermarmelade erheitere, einen Teebeutel in die Tasse lege. Diese Woche ist Bananenzeit, ein Mix aus Nektar und Frucht, mein ungeliebter Kaliumhaushaltverbesserer.
    Nach vier Bananen brauche ich eine Woche, um den Geschmack zu vergessen.

    Bei Hilde gibt es eine Pastete aus Huhn und Reis, und heute Abend wird es ein knackiges Leckerli aus ihrer Kiste geben. Ist ja eben ein besonderer Tag heute. So ein Regentag zeigt uns deutlich, wir brauchen ne Waschmaschine, damit all unser Zeug mal wieder frisch und angenehm riecht.

    Wobei Hilde nicht nach Hund riecht, wenn ihr Fell nass ist, so wie man landläufig sagt. Ne, das trocknet gut und mufft keineswegs. Gestern haben wir einen langen Vormittag im Bus gehabt. Das ist ja so üblich bei uns, weil Hilde nach ihrem Frühstück gerne ausgiebig schläft, sodass ich Zeit habe, zu lesen und zu schreiben.

    Die Beiträge wollte ich eigentlich auf den Abend legen, um dem Morgen einen anderen Inhalt zu geben. Das ist durch den langen, erschöpften Reisetag erstmal zum Erliegen gekommen, sodass ich mich neu orientieren muss. Es passiert halt gerade so viel, obwohl unsere Tage eher übersichtlich sind.

    Da jetzt der ganze Hype mit den Fähren sich erledigt hat, möchte ich wieder viel detaillierter an den Küsten entlang reisen, und habe mir für den Nachmittag einen kurzen Trip nach Glomfjord vorgenommen, um der 17 ab dem Ausgang aus dem langen Tunnel wieder näher zu sein. Also fahren wir zurück nach Ørnes, halten aber vorher am kleinen, weißen Strand in Reipa.

    Bis vor wenigen Tagen durfte man dort noch übernachten, das ist Geschichte. Und ob wir mit Hund am Strand spazieren gehen dürfen, kann ich nicht einschätzen. Nachmittags machen wir das, weil niemand da ist. Aber auf dem Rückweg sind Badegäste am Strand, da halte ich zu Hilde's Unverständnis Abstand.

    Dafür treffen wir aber auf einen Reisenden, der unsere Videos schon mal gesehen hat, und mich daraufhin anspricht. Das ist mir länger schon nicht geschehen und freut mich natürlich. Er ist dabei, aus den System mit seiner Freundin auszusteigen, da kommt unsere Begegnung vielleicht grade recht.

    Südlich von Ørnes beginnt eine ganze Reihe von schneebedeckten Bergen, manche sehen zu aus, als seien sie nie eisfrei. Diese Berge liegen westlich des Fähranlegers in Vassdalsvik, wo wir stundenlang gewartet haben, und zwar in Verlängerung des Gletschermassivs Svartisen, durch das der lange Tunnel getrieben wurde.

    "Svartisen ist mit 370 km² der zweitgrößte Gletscher Norwegens...Zwischen den beiden Hauptgletschern, dem Østisen (148 km²) und dem Vestisen (221 km²), liegt das Tal Vesterdalen.

    Das Østisen teilte sich um das Jahr 1900 in zwei Gletscherarme. Der östliche reichte bis in den Gletschersee Svartisvatnet hinein. Im Laufe der folgenden 50 Jahre bildete sich der Gletscher erheblich zurück und erreichte nicht mehr den See. War die Gletscherfront 1910 nur 50 m von Gletschersee entfernt, waren es 1945 bereits 1000 m. Durch den Rückzug des Gletschers entstand am westlichen Rand des Gletscherarmes ein weiterer Gletschersee, das Austerdalsvatnet. Da sich das Eis weiter zurückbildete, wurde der See von Jahr zu Jahr größer. Das Schmelzwasser des Gletschers floss ursprünglich in westlicher Richtung unter dem Eis in das Svartisvatnet hinein und durch das Røvasstal ab. Das führte im Sommer zu zahlreichen Überschwemmungen, die große Schäden anrichteten. Das Problem konnte 1959 durch die Fertigstellung eines Tunnels gelöst werden. Dieser ermöglicht den kontrollierten Abfluss des Schmelzwassers. Die Tunnelmündung kann auf dem Weg vom Svartisvatnet zum Gletscher hinauf besichtigt werden" (Wikipedia)

    Als wir an einem Parkplatz halten, begegnen wir einem jungen Paar aus Deutschland, deren Huskys am liebsten mit Hilde knuddeln würden, wenn sie nicht festgebunden wären. Wir kommen ins Gespräch. Übers Reisen und Leben, Norwegen und überhaupt. Aussteigen wäre vielleicht die beste Option. Desto eher, desto besser. Man sieht ja, wie sich die Welt verändert. Das scheint die Sonne noch, auch wenn der ein oder andere Windstoss schon unsere Haare zerzaust.

    Diesen Abend auf dem gleichen Parkplatz habe ich einen Platz seitlich zum Wasser hin, was bei dem Abendhimmel herrlich ist, sich aber während der Sturmböen deutlich zum Nachteil auswirkt. Mittlerweile wirkt es um uns herum viel heller, weil vor der Sonne eine weiße Wolkendecke liegt, während sich rings herum dunkelgraue Wolken talwärts bewegen. Eine bizarre Atmosphäre, da mitten drin zu sein. Dazu das Meer mit weißen Schaumkronen in der Weite, während es sich zum Ufer hin fast still bewegt.

    Noch immer ist das Fell von Hilde nass, ich habe die Standheizung angeschaltet, trinke meinen Bananensaft, und knuddel meine kleine vierbeinige Freundin viel öfter als sonst, damit sie weiß, heute ist ihr Tag!

    WMXG+P73 Mevik, Norwegen
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