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- Day 111–112
- June 18, 2025 at 10:47 AM - June 19, 2025
- 1 night
- 🌧 8 °C
- Altitude: 17 m
NorwaySørfold67°32’53” N 15°39’50” E
Sommerset

Es gibt Tage, die wachen mit einem Clown im Bauch auf und enden in schierer Verzweiflung. Ich habe mein frisches Handtuch aus dem Schrank genommen, und jetzt ist es weg. Ich suche den Bus ab, weil das einfach nicht sein kann. Dann fällt mir ein, dass ich die Tür kurz geöffnet hatte, und tatsächlich, aus dem Schlitz ist es rausgefallen, liegt im Dreck und ist quatschnass, denn es regnet in Strömen.
Nicht die ausgeschütteten Eimer, nein dieser stete Nieselpiesel mit der Energie eines Dauerbrenners. Also gibt es heute keine Körperpflege, denn das zweite Handtuch liegt im Wäschesack, an den ich nur von außen rankomme. Wir gehen also raus, ich bin gut motiviert, mich zu bewegen, obwohl die Arthrose mich fest im Griff hat. Auch Hilde eilt zielstrebig schräg über die breite, unbefahrene Straße, die eine Sackgasse ist, und alle Camper schlafen noch.
Die Straße geht nicht allzu steil bergauf, das kann ich gut gehen, doch dann verweigert sich Hilde. Bitte? Wieso? Nein, sie will nicht weiter, aber auch nicht zurück. Wir schleichen uns von Grashalm zu Grashalm, mittlerweile rutscht mir wieder die Hose, weil das Hemd raus ist. Irgendein Friedberger lässt sein Wohnmobil laufen, als müsse der Motor vorglühen, bevor sie endlich mir halbwegs klaren Scheiben starten. Es ist 7.30 Uhr, wohin wollen die Menschen bloß so früh an einem Regentag.
Wir stattdessen stehen im Regen, an einer Wiese, denn Hilde hat Bauch. Langsam löst sie sich, aber statt wir zum Bus gehen, tappern wir in der Gegend rum. Sie will zu den anderen Fahrzeugen, die hier stehen, dann doch nicht, aber einen steilen Schotterweg hoch, den ich nicht gehen möchte, in einem Wasserlauf leicht bergauf.
Sie darf auf den Spaziergängen entscheiden, solange sie uns nicht in Gefahr bringt, und solange meine Geduld reicht bzw die Schmerzen in den Gelenken auszuhalten sind. Aber im Regen ist das nicht lustig und Stehen, Warten kommt nicht gut. Die Hose rutscht, was ich unterwegs schlecht ändern kann, denn statt einem Gürtel trage ich dort ein Halstuch. Und wenn ich es nicht eng genug knote, bekomme ich es meist unterwegs einhändig nicht geöffnet.
Endlich sind wir zurück am Bus, und ich will die Bettdecke ausschütteln. Dabei bleibt das Laken an ihr hängen und fällt draußen auf die Straße, durchnässt und dreckig. Mir kommen die Tränen, doch eigentlich würde ich am liebsten vor Wut laut aufschreien. Natürlich hatte ich bei den letzten Wasserstellen nicht dran gedacht, meine Schmutzwäsche einzuweichen, weil ich ja die Waschmaschine auf dem Campingplatz im Sinn hatte. Nun hole ich das alte Laken raus und das alte Handtuch, die es für ein paar Tage tun müssen, bis ich Wasser bekomme, wohl wissend, dass nasse Wäsche im Bus ohne Sonne nur langsam trocknet, und Standheizung bei 12 Grad Außentemperatur nur bedingt sinnvoll ist.
Das nasse Handtuch wringe ich aus und klopfe die kleinen Steine raus, dadurch wird es allerdings auch nicht brauchbar. Hilde rollt sich ein, das Fell ist ganz nass, ich werde Frühstück machen, der Regen klopft mittlerweile deutlich hörbar aufs Dach, jeder spricht vom Wetterbericht und der langanhaltenden Tieflage, deren Schieflage bei unserer Form der Reise nicht allzu negativ auffällt, da es immer wieder längere Phasen ohne Regen, aber mit grauen Wolken gibt.
Für Urlaub auf den Lofoten & Co spricht grade nicht viel. Jemand erzählt, dass die Insel selbst im Mai voller Camper war, und es in Senja kaum noch freie Stellplätze gibt, während am Nordkap sich wohl jeden Tag alle Camper treffen. Norwegen wird das neue Spanien, im Winter in den Süden, im Sommer in den Norden. Und die Karawane zieht weiter. Vorbei die stillen Orte, die Rentiere in wilder Freiheit, die Elche am Straßenrand.
Trotzdem setze ich dagegen, und finde meine kleinen Geheimnisse auf Straßen und Wegen fernab touristischem Übermaß, den Rest blende ich aus, soweit es geht.
Früh am Morgen fahren wir vom Rastplatz an der E6 zurück zum Schneeplateau, wo wir überraschend ganz alleine sind. Vorher an die Leitplanken gedrückte Schafsfamilien im Morgenschlaf, ein sehr anrührendes Bild, das man nicht stören mag. Zum einen voller Zärtlichkeit, zum anderen aber auch voller Härte und Widerstand gegen das unwirtliche Wetter und die motorisierte Gegenwelt.
Das ist ihre Heimat und wir sind Fremde in dieser Welt. So sind die Hütten in den Bergen wohl auch nur im Sommer bewohnt, aber wer hier den dunklen Winter überlebt, der fühlt vielleicht wie die Schafe. Noch eine Stunde vielleicht hält sich die Ruhe in den Bergen, dann kommen die Touristen, die das Land vom Bodø her zur E6 queren.
Wir frühstücken, Hilde schläft, ich lese. Zwischendurch hält ein Fahrzeug hinter uns, der Fahrer steigt aus, schultert den Rucksack und wandert entgegen der Laufrichtung der Schneeschmelze bergauf. Ein letzter Spaziergang im Schnee, der den Reiz für Hilde langsam verloren hat, dann rollen wir runter nach Rognan am Fjord.
Sie habe mich sofort erkannt, und sie weiß auch noch, dass die Hündin Hilde heißt, nur die Farbe des Busses mit Rot war nicht in ihrer Erinnerung verblieben. Acht Jahre sind eine lange Zeit, aber du hast dich nicht verändert. Ihre damals dunkelgrauen Haare sind hell geworden, aber sie strahlt eine unglaubliche Frische und Vitalität aus. Mittlerweile machen sie Mitte September zu, und dann fährt sie mit ihrem Mann in den Süden. Den Winter will sie nicht im Dunklen verbringen.
Wir tauschen den Facebookkontakt aus und erinnern uns im Gespräch ans Leben. Vielleicht kommen wir nochmal auf der Durchreise vorbei, sie kann gut verstehen, dass ich den Preis nicht bezahlen möchte für eine Übernachtung. Abends habe sie manchmal bis zu fünfzig Campern, von denen bei schönen Wetter etliche verlängern. Der Platz am Fjord ist auch wirklich schön gelegen, ich weiß, dass ich damals auch nicht gerne weiterfahren wollte. Dass ich 2018 mit meinem Sohn nochmal hier war, weiß sie nicht mehr, vielleicht weil es nur kurz war. Aber damals habe ich einen Text zum Platz mit schönen Bildern versehen, den du unter diesem Link auf Facebook nachlesen kannst.
https://www.facebook.com/share/p/12M789m71Wv/
Wir verabschieden uns, und ob wir uns wiedersehen, steht in den Sternen. Wir sind nahezu gleich alt, da weiß man nie. Obwohl man auch sonst nie weiß, aber das ist ein schweres Thema, das passt nicht in diesen heiteren Tag. Suchst du den Platz, gibt einfach "Rognan Fjordcamp" ein.
Manchmal ist die E6 leer, aber meist rasen an solchen Tagen Lastwagen mit einer Regenfahne hinter uns her. In den Tunneln dagegen stockt es im Gegenverkehr, ich muss immer die Nachtbrille aufsetzen, um vernünftig sehen zu können. In Fauske biegt die schnelle 80 am Fjord nach Bodø ab, Hanna hatte mir erzählt, dass ich etwas verpasst habe, als ich in Festvåg umgedreht bin, denn in Kjerringøy wäre der frühere, große Handelsplatz gewesen, als Bodø noch ein unbedeutende Ort war.
Jetzt biegen wir in die 826 links ein, die am Fjord entlang bis nach Røsvik führt, wo sie am Hafen endet. Später kommen wir dem Ort auf der E6 bei Kvarv nochmal auf der anderen Fjordseite entgegen. Zurück gibt es eine Abkürzung über die Fv616 nach Straumen. Kurz hinter dem Kalkwerk, das vielleicht nicht mehr intensiv betrieben wird, biegen wir links ab, fahren oberhalb des Blicks auf das Salten Verk talwärts zur E6.
Dann folgt ein Tunnelpotpurri, und kurz danach biegt eine Straße runter zum Fjord, zur ehemaligen Anlegestelle Sommerset. Aus dem norwegischen Wikipedia habe ich dazu folgendes mit Google Übersetzer herausgefunden. "Sommerset (auch Sommarset geschrieben) ist ein ehemaliger Fährhafen an der Europastraße 6 in der Gemeinde Sørfold in Nordland. Er liegt südlich des Leirfjords, einem Seitenarm des Sørfolda-Fjords. Sommerset mit Blick in den Leirfjord. Die Straße zwischen Straumen und Sommerset wurde 1966 eröffnet. Seit 1941 verkehrte eine Fähre zwischen Røsvik im Westen von Sørfolda und Bonåsjøen im Norden des Leirfjords. Mit der Eröffnung der Straße nach Sommerset wurde Sommerset zum Fährhafen. Die Fährverbindung zwischen Sommerset und Bonåsjøen bestand 20 Jahre lang, bis 1986 die fährfreie E6 zwischen Sommerset und Sildhopen eröffnet wurde."
Hier können wir jetzt übernachten mit sicherlich einem dutzend Fahrzeugen, während der Regen die Straße runter läuft. Da Hilde gestern die letzte Möhre bekommen hat, und Bananen schon ein paar Tage aus sind, ebenso wie Säfte, steht die nächsten Tage wohl ein Einkauf an. Ziegen- und Schafskäse habe ich aus Deutschland noch genügend dabei, die Alternative hier heißt Geitost und ist ein halbfester Braunkäse aus Ziegenmilch. Dieser Käse hat einen süßlichen, karamelligen Geschmack und ist von brauner Farbe. Er wird nicht aus Rahm, sondern aus der Molke hergestellt. Und er tritt meine Geschmacksnerven sozusagen mit den Hufen der Ziege. Es soll aber auch weißen Ziegenkäse geben, die Undredal heißt. Ich werde mal drauf achten. Alternativ kaufe ich gerne Snofrisk, eine Art Ziegenfrischkäse, der auch in Deutschland angeboten wird. Schafskäse gibt es anscheinend kaum, obwohl so viele Tiere im Land herumrennen, aber vielleicht selten im Stall stehen, um gemolken zu werden.
Hilde schläft wieder und auch mich drückt die Müdigkeit. Der Regen hat sich verflüchtigt, ich könnte jetzt mal die Beine hochlegen, entspannten. Ach ja, da fällt mir noch ne Anekdote ein. Gestern auf dem Weg nach Rognan sehe ich zwei Männer mit riesigem Gepäck links an der Straße. Wir kommen ins Gespräch. Der eine hat drei Jahre in Bodø gelebt, der andere ist mit dem Flugzeug gekommen, um seinen Freund abzuholen. Jetzt schleppen sie sozusagen seinen Hausrat nach Deutschland. Zu Fuß.
Das sei so schwer, dass sie schon mehrere Erholungstage einlegen mussten. Und dann regnet es noch so viel, und sie müssen die Straßen entlang gehen, weil sie wegen dem Schnee nicht über die Berge können. Vielleicht ist es manchmal besser, einen Restbetrag an Geld für ein Zugticket in der Tasche zu tragen, oder sich einfach von so manchem trennen, was auf Dauer zu schwer wird. Das sollten wir alle bedenken, angesichts der oft unnützen Lasten, die wir durchs Leben tragen. Was ich ein Jahr nicht angefasst habe, das brauche ich nicht mehr. Da gibt es nur wenige Ausnahmen.
Parkplatz (frei also kostenlos)
Google Maps Code
GMX7+6HX Bonnå, NorwegenRead more
TravelerDen Geitost konnten wir damals auch nicht essen… Ein furchtbarer Geschmack. Dir weiterhin eine gute Reise - ohne Handtücher und Bettlaken, die in den Matsch fallen.