• Deutsche Wanderwege 101 & Begegnungen

    8 augusti, Tyskland ⋅ ☁️ 22 °C

    Ja Moin. Das war ja eine Nacht. Die Waschbären oder andere Tiere kamen tatsächlich und versuchten meinen aufgehangenen Futtersack zu plündern. Also musste ich nochmal aufstehen und ihn in der Gemeinschaftsküche verstauen. Das hätte ich mal gleich machen sollen. Danach konnte ich ruhig einschlafen und wurde erst wieder wach als ich ein Schnüffeln hörte. Irgendwas war da. Aber bei der ersten Bewegung nahm es reiss aus. Ich behaupte einfach mal es war wieder ein Waschbär. Ich pellte mich aus dem Schlafsack, schnell einpacken, Frühstück und Kaffee und dann los. Es war bereits halb sieben. Und die frühen Stunden sind die schönsten des Tages. Ich wollte gerade den Platz verlassen, als jemand nach mir rief und fragte ob ich den Urwaldsteig gehen würde. Ich drehte mich um und das Aussehen passte stereotypisch zum Dialekt: Ein Skinhead. 😅 Also erstmal unauffällig seine Tattoos abgecheckt, aber schnell Entwarnung. Nichts fieses dabei. Eher das Gegenteil. Wir quatschen ein wenig übers wandern, dies das. Er so Ultraläufer, ich so Hiker Trash. Irgendwann verabschiedete ich mich und ging los. Dann rief er wieder. Eine Frage habe er noch. Was für ein Rucksack ich hätte und was für Gear ich benutzen würde. Oh Boy. Das Fass aufzumachen war mir etwas zu viel. Ich gab ihm einen kurzen Abriss und dann machte ich mich auf und davon. Der Trail ging so wundervoll weiter wie er gestern aufgehört hatte. Hoch, runter, Seile, Aussichten und schmale Single Trails. Ich machte einen kleinen Abstecher zu Asel Brücke, die zum Vorschein kommt, wenn der See wenig Wasser staut. Das Edersee Atlantis.
    Die Kilometer flogen dahin und plötzlich stand ich in Herzhausen, wo ich den wunderschönen Urwaldsteig verlassen sollte und auf den Waldecker Weg wechselte. Ich passierte gerade die Scheuermühle als zwei Kinder auf mich zuliefen und sagten, dass ich nur weitergehen dürfte, wenn ich ihnen all meine Sachen geben würde. Hahaha, was für Rotzlöffel. Die Omma kam aus dem Haus un schaute nach was da los war. Sie ermahnte die Zwei. Ohne Erfolg. Sie liefen mir dann noch nach, bis ich ihnen sagen musste, dass ich das nicht möchte. Endlich drehten sie um. Ja und dann war ich wieder auf der typischen Wanderautobahn. Schotterpiste oberhalb einer lauten Bundesstraße. Aber so ist das, wenn alles in Deutschland ein Wanderweg ist. Einige Zeit später bekam ich dann das andere Extrem. Gar kein Weg. Alles zugewuchert mit Brombeeren, Brennnesseln und Springkraut. Also Machete/Wanderstock raus und einen Weg bahnen. Eine schweisstreibende Arbeit. Trotzdem war ich völlig zerkratzt und zernesselt als ich durch war. Ich kam an einem Feldweg raus. Nun gut. Die Landschaft war zwar ganz schön, aber die viele Zivilisation war ein krasser Kontrast zum Abschnitt auf dem Urwaldsteig. In Nordenbeck saß eine Oma vor ihrem Haus und löste ein kleines Problem. Ich brauchte Wasser. Sie rief sofort nach Antonio, ihrem Mann: "Bring mal Wasser". Zehn Sekunden später stand er mit einer Karaffe vor mir. Er musste dann noch zweimal für mich laufen. Natürlich wurde ich auch erstmal ausgefragt was mein Auftrag sei. Meine Antwort konnte sie nicht nachvollziehen, aber sie wünschte mir viel Erfolg. Bedankt.
    Es dauerte nicht lange bis die nächste Durchschlageübung auf mich wartete. Meine Karte zeigte mir einen kurzen Umweg an, aber auch der endete vor Gestrüpp. Nur nich erkennbar an den Wegzeichen. Na dann mal los. Irgenwann kam ich aus einen Gebüsch direkt in Goldhausen an. Ein Mann schaute mich komisch an.
    Mein Plan war evtl auf der Burgruine oberhalb des Dorfes zu schlafen, also hoch da. Neben der Ruine war noch ein Aussichtsturm. Alles sehr touristisch und ein paar Leute liefen herum. Hmmmmm. Ganz schön viel los. Klar. Freitag Nachmittag. Also sondierte ich die Lage. Leute kamen und gingen.
    Auf der Karte war ein weiterer möglicher Camp Spot verzeichnet. Nur einen Kilometer weiter. Also wieder runter vom Berg und scouten. Was als ruhiger Lagerplatz beschrieben war entpuppte sich als "Spielplatz" und erneut sprangen Kinder aus dem Gebüsch auf mich zu und riefen "Ein Wanderer, ein wanderer." Einer der vier sagte dann: "Lass den. Das ist keiner von den blöden Jugendlichen."
    Das saß tief. Offenbar sind die Zeiten vorbei wo Kinder mich entweder auf 17 oder 99 Jahre schätzen.
    Das Feld neben dem Spot entpuppte sich dann als neue Motocrossstrecke für die Dorfjugend. Sieht nach Event aus. Kühlschränke stehen im Dreck bereit. Den Platz konnte ich knicken. Weiterlaufen war auch nicht wirklich eine Option, da mir alle weiteren Hütten eher suboptimal erschienen. Der nächstgelegene Trekkingplatz war ausgebucht. Mist. Also vielleicht doch die Burg. Wenn die Dorfjugend auf dem Feld knattert kommen sie evtl nicht zum saufen zur Ruine hoch. Also auf der anderen Seite wieder den Berg hoch. Schön steil. So erklimme ich ein zweites Mal den Eisenberg. Yeah. Als ich ankomme ist alles ruhig. Das ändert sich fünf Minuten später als Familie Ballastralla schnaubend den Berg hochkommt. Mit im Gepäck fünf Hunde. Nicht angeleint. Na danke. Ich mache mich bemerkbar, aber das ist ihnen wohl egal. Sie laufen um die Bank rum und hören nicht als sie gerufen werden. Was für Idioten. Ihre Blagen gucken um die Ecke und kichern. Ach geht mir weg. Die Omma lässt sich atemlos auf eine Bank fallen und zündet sich erstmal ne Kippe an und gibt ihre Kenntnisse zur schwarzen Pädagogik zum Besten. "Wenn die nicht hört, ach in die dunkelste Ecke würde ich die Stellen, höhöhö."Zurückgegrüsst wird auch nicht. Die Kinder kreischen. Vaddi brüllt "Ruhe!!! Die Kids tun mir leid. Eine junge schwangere Frau gehört auch noch dazu. Sie trägt einen Pulli mit gekreuzten Äxten und es steht was von Outlaw darunter. Ist das hier der Blueprint für sämtliche RTL2 Sendungen? Es wird wirklich kein einziges Klischee ausgelassen.
    Ich frage mich: warum ich? Warum habe ich ständig komische Begegnungen mit komischen Menschen. Oder sind die meisten Menschen komisch? Bin ich komisch? Können nicht einfach nette Menschen hier her kommen?
    Vielleicht liegt es an der Region. Alles was ich in den Dörfern gesehen habe wirkt wie vor 20 Jahren stehen geblieben. Meine Gedanken werden jäh unterbrochen, als ein Kind in Brennnesseln fällt und wie am Spieß kreischt. Oma brüllt los, dass es ja gleich wieder vorbei ist. Bloß nicht anstellen.
    In dem ganzen Gelaber und Geschrei höre ich noch ein "Arbeit macht frei"! Mehr Klischees als erwartet. Was für Minusmenschen. Vielleicht spüren sie meine aufkommende Verachtung und die Brüllomma gibt das Kommando zum abrücken. Endlich. Ich höre die Alte noch lange durch den Wald brüllen.
    Keine Ahnung was das heute Abend noch wird nach diesem doch erlebnisreichen Tag. Morgen weiss ich mehr.
    Tageskilometer 33 + 1500 Höhenmeter
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