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  • Day 26

    Zu Besuch beim Kinderhilfswerk

    October 27, 2021 in Guatemala ⋅ ⛅ 21 °C

    Unsere amerikanischen "Gastschwestern" Pat und Panchita engagieren sich seit Jahren für das Hilfswerk God's Child, welches in Jocotenango ein Zentrum mit dem Namen Asociación Nuestros Ahijados (ANA) betreibt. Neben zahlreichen weiteren Angeboten wie einer Grundschule oder einem Obdachlosenheim, werden dort in einem spezialisierten Spital unterernährte Kinder aufgenommen und von Pflegepersonal und Freiwilligen wieder aufgepäppelt🍼🤱👶.

    Nachdem uns Pat und Panchita viel darüber berichtet hatten, luden sie uns ein, bei ihnen im Casa Jackson (Spital) vorbeizuschauen. Da wir nicht mit leeren Händen aufkreuzen wollten, besorgten wir jedoch vorgängig im Supermarkt einen Satz der dringend benötigten "Sabberlatzen". Der Einkauf im einzigen Supermarkt in Antigua war spannend: Neben den benötigten Latzen mit niedlichen Tiersujets entdeckten wir unerwartet skurrilen Krimskrams wie Teetassen mit aufgedruckten Sprüchen in deutscher Sprache🤔 sowie unsinnige Aktions-Packages wie die Kombo Mayonnaise und Hand-Desinfektionsmittel🧐.

    Die Anreise nach Jogotenango gestaltete sich ebenso unterhaltsam. Weil wir zeitlich etwas knapp dran waren, winkten wir an der Strasse kurzerhand einen Tuk-Tuk-Fahrer zu uns hinüber. Leider besass der etwas zerstreut wirkende Guatemalteke wohl das "schrottigste" Tuk-Tuk🛺 von ganz Antigua und schien gleichzeitig auch nicht gerade ortskundig zu sein. Jedenfalls fuhren wir zuerst in die falsche Richtung und wenig später blieb das Tuk-Tuk ruckartig stehen. Der Fahrer versuchte auf Biegen und Brechen dem alten Schrotthaufen neues Leben einzuhauchen. Nichts half - weder das Ein- und Ausstecken sämtlicher Kabel und Schläuche, noch das verzweifelte Überprüfen der Benzinpumpe. Bis auf ein klägliches Keuchen und Röcheln konnte der Mann dem Motor kein weiteres Lebenszeichen mehr entlocken und wir mussten die letzten paar hundert Meter zu Fuss zurücklegen🚶‍♂️🚶‍♀️.

    Beim Hilfswerk wurden wir bereits erwartet und Robbie, einer der Manager, führte uns durch die Anlage. Die Institution ist seit 25 Jahren in Antigua ansässig und errichtete auf dem Gelände der ehemals städtischen Mülldeponie ein wahres Paradies für Kinder aus schwierigen Verhältnissen. Das grosse Engagement der Freiwilligen, die fröhliche und aufgestellte Art der lokalen Mitarbeitenden und die herzliche Atmosphäre beeindruckten uns sehr. Obschon die knapp 25 anwesenden Kinder eine traurige Vorgeschichte haben, scheint es ihnen hier gut zu gehen. Viele werden während ihrem Spitalaufenthalt auch von ihren Angehörigen begleitet - meist sehr junge Mütter aus den ärmsten Regionen und Quartieren.

    Viele der Kinder müssen zwei bis drei Monate im Spital bleiben, um wieder ein normales Gewicht zu erhalten und warten, bis gewisse Entzündungen verheilt sind. Anschliessend kehren sie in den meisten Fällen in ihre Familien zurück und werden in der Folge regelmässig von der Hilsorganisation besucht. Vereinzelt kümmert sich die Organisation zusammen mit dem guatemaltekischen Sozialdienst um die Suche nach Pflegefamilien oder einem Platz im Kinderheim. Die jüngsten Kinder sind noch Säuglinge, andere bereits vier Jahre alt. Einige Vierjährige sind aber aufgrund ihrer Mangelernährung von der Entwicklung her gerade mal auf dem Stand eines Zweijährigen. Das aktuell älteste Kind ist ein siebenjähriger Junge. Angel, wie der Junge heisst, wurde von seiner Mutter verstossen und kann nicht sprechen. Als er im Spital ankam, konnte er nur auf dem Boden krabbeln. Inzwischen hat er gelernt zu stehen und kann - wenn auch wackelig - laufen. Die bisher älteste Patientin war ein vierzehnjähriges Mädchen. Sie wurde von ihrer Mutter als moderne Sklavin "gehalten" und zur Prostitution gezwungen.

    Es sind diese und weitere Geschichten, welche uns nachdenklich stimmen und traurig machen. In Guatemala sind das alles leider keine Einzelschicksale und viele engagierte Menschen geben hier täglich alles, um die Welt etwas besser zu machen. Leider spüren auch die ansässigen Hilfsorganisationen die einschneidenden pandemiebedingten Restriktionen. Nur wenige der Dienstleistungen dürfen derzeit angeboten werden. Die Schule ist seit 2020 geschlossen und das Angebot für Obdachlose musste aufgrund der Kapazitätseinschränkungen ebenfalls eingestellt werden. Uns wird einmal mehr vor Augen geführt, dass unsere Probleme in der Schweiz eigentlich gar keine richtigen Probleme sind. Vieles relativiert sich, vieles wird unwichtig.

    PS: Das Gebäudebild und dasjenige mit dem kleinen Mädchen stammen von der Webseite von God's Child (https://godschild.org/services/guatemala/)

    PS II: Pat und Panchita sind die beiden Damen links auf dem Gruppenbild
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