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  • Day 138

    Potosí

    February 16, 2022 in Bolivia ⋅ ⛅ 15 °C

    "Vale un Potosí" (einen Potosí wert sein). Früher galt Potosí im spanischsprachigen Raum als Inbegriff für Reichtum. Die Stadt zählte zu Beginn des 17. Jahrhunderts zu den bevölkerungsreichsten Orten der Welt und schwamm förmlich im Geld💰. Von diesem Glanz ist heute bis auf den schmucken Stadtkern nicht mehr viel übrig geblieben. Potosí ist eine von der Umweltverschmutzung geplagte Stadt. Die Luft ist von Abgasen geschwängert und es gibt weitläufige Armenviertel😥.

    Wir besuchten Potosí für zwei Tage auf der Durchreise von Sucre nach Tupiza, nahe der argentinisch-bolivianischen Grenze. Dem Besuch von Potosí blickten wir zunächst mit gemischten Gefühlen entgegen. Einerseits wollten wir die auf über 4'000 Metern über Meer gelegene Bergbau-Stadt unbedingt besuchen, andererseits hörten wir im Vorfeld von Einheimischen wenig gutes über Potosí. Es lag also an uns, uns ein eigenes Bild über diesen legendären Ort zu verschaffen.

    Zu verdanken hat Potosí seine Berühmtheit dem Cerro Rico, einem fast 5'000 Meter hohen pyramidenförmigen Berg mit reichen Silbervorkommen⛰️. Nach der Eroberung Südamerikas förderten die Spanier in Potosí fast dreihundert Jahre lang Unmengen von Silber zu Tage. So viel, dass es laut Historikern für den Bau einer Brücke von Südamerika nach Spanien gereicht hätte🌁. Ob dem wirklich so ist, wissen wir nicht. Aber der Vergleich ist auf jeden Fall beeindruckend. Sicher ist jedoch, dass die Spanier zu Beginn des 17. Jahrhunderts mit dem geförderten Silber den Markt von Europa bis Asien fluteten und damit für den weltweit ersten dokumentierten Wertzerfall von Edelmetall sorgten📉.

    Ebenfalls bekannt ist, dass mit dem Bergbau in Potosí ein ganz dunkles Kapitel der spanischen Kolonialzeit geschrieben wurde. Mehr als acht Millionen Sklaven starben in der dreihundertjährigen Herrschaft der Spanier in den Minen von Potosí😔. Ein grosser Teil davon stammte aus Westafrika. Zudem mussten zahlreiche Andenregionen jährlich ein gewisses Kontingent an Arbeitern den Minen zur Verfügung stellen. Viele der Arbeiterinnen und Arbeiter, darunter viele vierzehn- bis sechzehnjährige Kinder, vermochten die knochenharte Arbeit nicht über Jahre hinweg ausführen und starben an Erschöpfung, Unterernährung oder an den Folgen der giftigen Dämpfe und Gase. Zudem kam es regelmässig zu Unfällen mit Sprengstoff und einstürzenden Stollen.

    Im Laufe der Zeit gab der Cerro Rico immer mehr seiner Schätze preis. So wird inzwischen neben Silber auch Kupfer, Blei, Zink, Zinn und Wolfram abgebaut⛏️. An den Arbeitsumständen der Mineure hat sich in den letzten 150 Jahren leider kaum etwas verändert. Die Infrastruktur stammt grösstenteils noch aus dem späten 19. Jahrhundert und Sicherheitsvorschriften sind praktisch inexistent⛑️. Die knapp 25'000 Mineure arbeiten in den von reichen Familien geführten Minen auf eigene Rechnung und müssen einen hohen Anteil ihres Ertrages den Minenbetreibern abliefern. Schutzausrüstung und Werkzeuge werden durch die Betreiber nicht zur Verfügung gestellt. Dies hat zur Folge, das viele Menschen ohne adäquate Schutzausrüstung in der Mine arbeiten und oftmals auch gleich die ganze Familie mitnehmen, um so die tägliche Ausbeute zu erhöhen. Zahlreiche Kinder müssen bereits mit zehn, zwölf oder vierzehn Jahren in den Minen schuften und kommen dabei mit Dynamit, Quecksilber und gefährlichen Gasen in Kontakt. Die durchschnittliche Lebenserwartung für diese Menschen beträgt gerade mal fünfzig Jahre😥. Sie leben zumeist in den armen Aussenquartieren der Stadt, in der Nähe der grossen Abfallhalden.

    Verschiedene Reiseagenturen in Potosí bieten Halbtagestouren zu den Minen an, wo man sich vor Ort ein Bild über die prekären Umstände machen kann. Wir haben lange hin und her überlegt, ob wir so eine Tour ebenfalls unternehmen möchten. Bitterarmen Menschen bei der gefährlichen Arbeit in der Mine zuzuschauen war das eine was uns widerstrebte, uns selber ohne Masken den giftigen Dämpfen und dem Feinstaub mit Rückständen von Abest auszusetzen das andere. Wir beschlossen deshalb den Minenbesuch bleiben zu lassen und informierten uns stattdessen im Casa de la Moneda über die Geschichte der Minen und die heutigen Umstände.

    Im Casa de la Moneda war bis in die 1950er Jahre die nationale Münzprägestätte untergebracht🪙. In den riesiegen Gemäuern produzierten vorher bereits die Spanier ihre Silbermünzen und noch heute können die Einrichtungen aus den unterschiedlichen Zeitepochen im Originalzustand besichtigt werden. Die Führung war sehr informativ und spannend. Wir wurden nicht nur über den Verarbeitungsprozess aufgeklärt, sondern erhielten auch einen Einblick in das Leben vor zweihundert Jahren. Der schiere Silberreichtum war so gross, dass sich wohlhabende Familien den ganzen Hausrat inkl. Nachttopf aus Silber herstellen liessen, während in den Minen täglich Menschen an den direkten oder indirekten Folgen ihrer Arbeit starben😡.

    Diese krasse Ungleichheit, die Schere zwischen Arm und Reich und die Ausbeutung von Armen Menschen beschäftigte uns an diesem Tag noch lange.
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