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  • Day 56

    Lindis Pass Road

    January 6 in New Zealand ⋅ ☀️ 19 °C

    Die Fahrt von Queenstown über die Crowne Range Road zurück nach Wanaka und von dort aus weiter über den Lindis Pass bereite mir mehrere Tage lang etwas Sorgen. Nachdem ich mich auf der Nordinsel mit dem Berufsverkehr und grossen Lastwagen herumschlagen musste, ist auf der Südinsel der Ferienverkehr bisweilen gefährlich für Velofahrer.

    Insbesondere um die beliebten Feriendestinationen herum ist viel los auf den Strassen: monströse Pickups mit Bootsanhängern im Schlepptau, Wohnmobile, SUVs mit Wohnwagen und Motorräder bevölkern die Strassen. Für Velofahrer bleibt da wenig Platz. Vor allem auf Passstrassen sind sie ein lästiges Hindernis, an welchem man sich auch dann noch vorbeizwängt, wenn der Gegenverkehr schon auf gleicher Höhe ist. Dies führt zu prekären Situationen auf den engen Strassen.

    In den Foren für Radreisende raten Einheimische deshalb davon ab, während den Hauptferienzeiten solche Strassen zu befahren. So suchte ich stundenlang auf Google Maps und Komoot ergebnislos nach möglichen Alternativrouten. Als beste Lösung schien mir ein früher Start, um so noch vor dem täglichem Peak die Passhöhe zu erreichen.

    Also begann ich bereits kurz nach fünf Uhr morgens mein Zelt abzubauen, damit ich um halb sieben losfahren konnte. In der Stadt herrschte schon reger Betrieb und auch auf dem Highway nach Cromwell war dichter Verkehr. Erst bei der Abzweigung zur Crowne Range Road wurde es merklich besser. Ich war froh, die steile Serpentinenstrasse heraufzuradeln, ohne ständig ein drängelndes Auto im Nacken zu wissen. Die ersten zweihundert Höhenmeter waren schnell geschafft und nach weiteren 500 Höhenmeter hatte ich die Passhöhe noch vor halb zehn erreicht. Genau so hatte ich mir dies vorgestellt.

    Im alten Pub von Cadrona bestellte ich mir wie schon zwei Tage zuvor ein warmes Frühstück und studierte die Strassenkarte. Nun galten meine Bedenken nicht mehr der Crowne Range Road, sondern der noch stärker befahrenen Strasse zum Lindis Pass. Diese wird auch für den Gütertransport zwischen Christchurch und der Region Otago genutzt.

    Wenn ich es wieder ähnlich anstellen wollte, musste ich möglichst nahe am Pass übernachten können. Die einzige Möglichkeit hierfür war die kleine Campsite bei einer Hotelruine, welche sich aber weitere achtzig Kilometer von Cadrona entfernt befand. Dies bedeutete eine Monsteretappe von 125 Kilometer. So viel fuhr ich bislang nur in der Schweiz an einem Stück und auch nur mir mit wesentlich weniger Gepäck.

    Tatsächlich traf ich am späteren Nachmittag nach siebeneinhalb Stunden im Sattel bei der besagten Campsite ein und gönnte mir sogleich ein erfrischendes Bad im kleinen Fluss. 125 Kilometer und etwas mehr als 1'550 Höhenmeter sind es letztlich geworden - neuer Streckenrekord! Körperlich wären wohl noch dreissig Kilometer mehr drin gelegen. Aber mental war ich erschöpft.

    Die Verkehrssituation am Lindis Pass resp. der Passtrasse ist wesentlich krasser, als auf der Crowne Range Road. Zeitweise fühlte ich mich wie auf einer Autobahn und einige waghalsige Fahrer schossen sprichwörtlich an mir vorbei. Ich fühlte mich bestätigt in meinem Entscheid und war froh, am nächsten Tag nur dreissig Kilometer bis zur Passhöhe fahren zu müssen.

    Der nächste Morgen startete gleich wie der Vortag. Kurz vor sieben sass ich auf dem Velo und verliess die Campsite. Die Temperatur lag nur wenig über dem Gefrierpunkt und ich musste nach ein paar Kilometern meine Langlaufhandschuhe hervorkramen. Der Aufstieg war landschaftlich reizvoll und relativ ruhig. Erst kurz vor der Passhöhe zog der Verkehr an und in einer steilen Kurve wurde ich beinahe von einem LKW an die Leitplanke gedrückt.

    Der Schreck sass mir noch immer in den Knochen, als ich die Passhöhe erreichte. Immerhin folgten auf der Abfahrt keine weiteren engen Kurven und mit meiner leuchtgelben Jacke, dem neonfarbenen Helm und dem roten Blinklicht sollte ich ja auch gut zu sehen sein. Erschöpft und erleichtert gab es in Oarama, dem Zielort des zweiten Tages dann zuerst mal ein Bier.
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