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  • Day 17

    Raus aus dem Chaos

    February 4 in Vietnam ⋅ ⛅ 30 °C

    Fünfzehn Tage lang bin ich durch Vietnam geradelt. Insgesamt kamen so knapp eintausend Kilometer, mindestens so viele schöne Momente und schweisstreibende Minuten zusammen.

    Es war ein Wechselbad der Gefühle. In Hội An verzweifelte ich fast beim zusammenbauen des Velos, nachdem der Mechaniker dieses in Christchurch feinsäuberlich zerlegt hatte. In Quy Nhơn fand ich endlich zwei Jungs, die mir die Gangschaltung justieren und die Kassette behelfsmässig reparieren konnten.

    Beim allabendlichen Streifzug durch die vietnamesischen Streetfood-Stände roch es zwar immer köstlich, zu einer Bestellung konnte ich dann aber doch nicht durchringen. Zu viele Fleischstände mit Rinderzungen, Schweinsköpfen und Hühnerfüssen lagen an meiner Strecke. Die Auslage oftmals der Sonne und den Abgasen ausgesetzt, gingen mir diese Bilder bei der Futtersuche wie ein Film immer wieder durch den Kopf. So wurde Fried Morning Glory zu meinem Standardmenü, mal mit Reis und mal mit Nudeln als Beilage. Dazu Meeresfrüchte in allen Variationen. Warum mich das Meeresgetier nicht ebenso ekelte, kann ich nicht sagen. Vielleicht lag es daran, dass dieses oft frischer wirkte und im Falle der Muscheln und Krabben bis kurz vor dem Verzehr in grossen Bottichen gehalten wurde.

    Jedenfalls gelang es mir in Vietnam nicht, meinen Energiehaushalt vernünftig zu regulieren. Ich hatte permanent Hunger und trotzdem Lust auf nichts. Als Frühstück und Mittagessen dienten mir Bananen, Orangen, Kokosnüsse und Brot. Bei so viel Sport war dies aber definitiv zu wenig. In Kombination mit der Hitze fühlte ich mich deshalb oft schlapp und schlief fast neun Stunden pro Tag.

    Trotz mehrspurigen Strassen, einem nicht enden wollenden Strom von Verkehrsteilnehmern und viel Gehupe, fand ich mich in Vietnams Strassenverkehr gut zurecht. Ich fühlte mich sogar wohler als auf den neuseeländischen Highways. Und sicherer. Der dichte Verkehr hat auch eine gute Seite: Es gibt kaum Raser. Alle sind sich an langsame Verkehrsteilnehmer gewohnt und nehmen Rücksicht.

    In Vietnam ist es überall laut. Der Lärm beginnt mit dem ersten kümmerlichen Krächzen der vielen Hähne und endet nachts um drei, wenn die Hunderudel um ihre Reviere kämpfen. Dazwischen die permanente Geräuschkulisse des Strassenverkehrs, laute Marktschreier, das Dröhnen der Schiffschrauben und der Baumaschinen und der wohl schlimmste Krachmacher von allen: die Karaokebars.

    Ich konnte noch so abgelegen unterwegs sein. Es gab immer irgendwo einen Grund zum feiern und einen Nachbarn mit einer mobilen Discoanlage. So floss das Bier manchmal schon am späten Vormittag in Strömen und ich durfte mich über die schrägen Klänge freuen. Meine Hotels suchte ich deshalb nicht nach Sauberkeit und Einrichtung, sondern nach der Distanz zur nächstgelegenen Karaokebar aus🤣.

    So viel Reizüberflutung macht müde. Nicht körperlich, aber mental. Ich war deshalb froh, von Hà Tiên aus nach Kambodscha einzureisen. Kurioserweise war die Ausreise aus Vietnam mühsamer als die Einreise in Kambodscha. Alles Gepäck wollte der Zöllner sorgfältig röntgen, bevor ich das Land verliess. Nach einer kurzen Fahrt durchs Niemandsland traf ich beim kambodschanischen Grenzposten auf weitere Radreisende aus Deutschland. Daniel und Melli sind seit viereinhalb Jahren (!) unterwegs. Sie fuhren bereits ihre zweiten Velos und waren zuletzt zwei Jahre lang in Pakistan, Indien und Nepal am radeln.

    Nach so vielen Jahren auf "Wanderschaft" sind die beiden mit allen Wassern gewaschen. Daniel las dem Zöllner die Leviten, als ihn dieser bei den Visagebühren übers Ohr hauen wollte. Auch dem Grenzwächter beim Schlagbaum erteilte er eine Schmiergeldabsage. Davon profitierte ich, als ich an die Reihe kam. Die eingeschüchterten Zöllner probierten ihr Glück bei mir gar nicht erst einmal.

    Zusammen mit Daniel und Melli radelte ich ins beschauliche Kep, wo ich ein Bungalow in einem kleinen Garten angemietet hatte. Am späteren Nachmittag traf ich die beiden bei ihrem Nachtlager. Bei kühlem Bier und frischen Kokosnüssen tauschten wir Reisegeschichten aus und hatten viel zu lachen. Die beiden dürfen warhaftig grossartige Abenteuer erleben und ihre Bescheidenheit hat mich tief beeindruckt.
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