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  • Tag 119: Steppe bis Neben der Straße

    16 juni 2023, Kazakstan ⋅ ☀️ 37 °C

    Am Namen des Tages kann man ganz gut erkennen, dass es hier tatsächlich nur sehr wenige Orte gibt.

    Nach der ersten entspannten Nacht seit Aqtau wachen wir auf, weil es im Zelt durch die Sonne dann doch etwas zu warm wird. Beim Blick aus dem Zelt sehen wir, dass um uns herum überall Pferdeherden weiden, manche Kilometer entfernt, andere nur wenige hundert Meter. Eine Herde startet tatsächlich und rennt geradewegs auf uns zu, bleibt dann knapp 50 m von uns entfernt stehen, beäugt die zwei Komischen, die da in ihrer Steppe sitzen und rennen weiter. Es ist ein wirklich schöner und friedlicher Ort.
    Es dauert nicht lange, da werden wir durch die immer wärmer werdende Sonne daran erinnert, dass wir doch weiter fahren sollten. Langsam packen wir ein. Dann sehe ich am Horizont zwei Punkte, die immer näher kommen. Bald wird klar, unsere Mitstreiter haben es auch geschafft. Sie sind gestern noch bis etwa 22 Uhr gefahren und heute morgen nach ihrer gewohnten Zeit um 5 Uhr wieder aufgestanden. Auch Wasser haben sie noch genug. Perfekt!
    Weil wir noch nicht ganz aufgruchbereit sind, verabreden wir uns am Supermarkt an der Hauptstraße, damit wir uns nicht zu sehr stressen müssen.
    Heute morgen geht es ohne den Rückenwind schon nicht mehr ganz so leicht, aber immer noch angenehm voran. Wir erreichen nach einigen Metern Sandgrube dann bald die Straße und werden von drei Männern angesprochen, die mit ihren LKWs Pause machen. Im Gespräch steigt uns ein wenig der Geruch von Alkohol in die Nasen. Wir fragen sie nach Vincent und Sam (zwei Finger hochhaltend und indem wir das russische Wort "велосипед", also Fahrrad, sagen) und sie erzählen uns sehr freundlich mit Händen und Füßen, dass zwei Fahrradfahrer in den Ort an der Straße gefahren sind. Dann berichten sie von einem weiteren Fahrradfahrer. Verrückt!
    Wir machen uns also auch auf den Weg und finden bald ein "магасин", einen kleinen Laden. Davor steht schon ein Reiserad und bald kommt auch ein mit Wasserflaschen bepackter Fahrradfahrer raus und muss lächeln, als er uns sieht. Noel aus London ist von Istanbul über Georgien gefahren, nach Baku in Aserbaidschan geflogen, von dort zurück an die Grenze Richtung Georgien gefahren und dann wieder nach Baku, um die Fähre nach Aqtau zu nehmen. Dann ist er der Hauptstraße bis hier her gefolgt. Wir erzählen ihm von den beiden anderen und genau in diesem Moment kommt Sam um die Ecke geradelt, weil ihnen erzählt wurde, dass hier noch andere Fahrradfahrer stehen. Gemeinsam suchen wir uns einen Schattenplatz, trinken, essen Früchte und unterhalten uns, um der Mittagshitze zu entgehen und neue Kräfte zu sammeln. Wir sind allerdings nicht alleine, denn nicht nur laufen Kamele durch den Ort, auch einige Einheimische werden auf uns aufmerksam und kommen herbei. Unter ihnen ein paar Männer mit Bier und Schnapsflaschen, die uns ungelogen alle paar Minuten nach unseren Herkunftsländern fragen. Am Anfang sind wir noch geduldig und zählen auf: Germania, Anglia, Anglia, Belgia, Germania. Weil uns diese Aufzählung dann nach mehrmaligen Wiederholungen innerhalb einer halben Stunde dann doch zu viel werden, fangen die Jungs an neue Herkunftsländer aufzuzählen. Schnell kommen manche aus Kanada oder Amerika. Als einer der Männer Sam dann fragt, ob er aus der Ukraine kommt, widerspricht er auch dem nicht mehr.
    Auch werden wir gefragt ob wir Geschwister sind. Klar, sind wir das. Wer hat nicht schonmal von fünf Geschwistern aus unterschiedlichen Ländern gehört, die gemeinsam auf Radreise gehen. Als Vincent dann meint, wir sollten uns mal vorstellen, dass gleich fünf Kinder einer Mutter auf Radreise nach Kasachstan gehen, müssen wir dann schon lachen.
    Dann kommt die nächste Frage von einem der einheimischen Jungen: Sind Vincent und ich Geschwister? Vincent reagiert direkt und meint, wir sind Zwillinge. Tatsächlich sind wir auch gleich alt. Dann tippt der Junge etwas in seinen Übersetzer und nimmt Vincent zur Seite. Ungläubig aber mit einem leichten Schmunzeln erklärt uns Vincent, dass der Junge ihn gefragt hat, ob er mit mir auf ein Date gehen darf. Vincent erzählt ihm, er solle mich selbst fragen. Daraufhin kommt der Junge zu mir und befragt mich zu meinem Beziehungsstand. Schnell wird ihm klar, dass da jemand anderes unter uns "Geschwistern" ist, dem die Fragen nicht so recht sind.
    Letztendlich stellt sich heraus, dass der Junge 16 Jahre alt ist.
    Nach noch etwas andauernder Pause und einer Flasche Kamelmilch, die wir gemeinsam mal probieren, fahren wir los. Zumindest wollten wir das, aber dann hat uns ein Platten in Noels Rad wieder zurück in den Schatten unter dem Baum gebracht. Nach kurzer Zeit war der geflickt und es geht weiter.
    Bis aus dem Ort heraus fahren wir zusammen, dann nimmt die Geschwindigkeit so zu, dass ich mit dem leichten Gegenwind nicht mehr mithalten kann. Auch die anderen drei fahren jeweils ihr Tempo, was bedeutet, dass quasi jeder alleine unterwegs ist.
    An einer Bushaltestelle etwa 30 Kilometer später treffen wir dann wieder auf sie. Wir legen nochmal eine kurze Rast ein und entscheiden uns dann zur nächsten "чаихана", einem Teehaus, zu fahren, dort zu essen, Wasser aufzufüllen und dann nach einem geeigneten Übernachtungsplatz zu suchen.
    Die Zeit vergeht wie im Flug und schon sitzen wir kurze Zeit später an einem "Tapschan", einem niedrigen Tisch, umgeben von einer Holzerhöhung, und trinken Tee. Da das vegetarische Angebot mal wieder sehr knapp ausfällt, esse ich Spiegeleier mit Brot. Mehr vegetarisches Essen gibt es nicht.
    Wir fragen die Besitzerin, ob wir auf den Bänken schlafen dürfen, eine Frage, die uns in Deutschland nie gekommen wäre. In einem Restaurant übernachten?! Hier ist das durchaus legitim.
    Die Besitzerin ist allerdings nicht davon angetan und meint, wir können hinter dem Haus zelten. Weil die Dämmerung schon hereingebrochen ist, entscheiden wir uns auch dafür.
    als wir dann alle in unseren Zelten liegen haben Lukas und ich dann allerdings Probleme zu schlafen, weil das Teehaus ausgerechnet an einer Straßenkreuzung steht, an der LKW für LKW an uns vorbei rollt. Ruhig ist etwas anderes.
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