• 7: Die Berge werden höher

    August 25 in Greenland ⋅ ☁️ 6 °C

    Windstille Nacht. Ein blauer Himmel begrüßt uns am Morgen. Die Nacht war mit -1,3 Grad die bisher kälteste auf der Tour.
    Der Amitsorsuaq See ist spiegelglatt. Unsere Füße haben sich von der Nässe wieder übernacht erholt, so das zumindest Franzi wieder in ihre nassen, draußen liegenden Socken schlüpfen kann. Ich werde ab heute andere Socken tragen. Beim Zusammenräumen hallen Rufe über den See. Zwei Hiker sind mit dem Kanu Richtung Osten unterwegs und schwenken ihre Paddel.

    Auf unserem letzten Abschnitt zum Kanucenter entlang des Sees warten nochmal ein paar Kletterstellen auf uns. Dort angekommen treffen wir niemanden an. Die größte aller Hütten hier draußen ist leer. Wir gehen weiter dem See entlang und machen an einem felsigen Abschnitt halt.
    Wir waschen ein paar Kleidungsstücke im See und suchen uns einen passenden Stein für eine Müslipause. Kaum haben wir uns gesetzt, ertönen Hubschraubergeräusche aus Richtung Osten. Ein Rettungshubschrauber nähert sich unser Position. Direkt über uns dreht er ab und fliegt auf die gegenüberliegende Seite des Sees. Dort landet er, steigt wieder hoch, dreht zwei große Runden über dem See und steht dann eine ganze Zeit in der Luft. Was ist den passiert? Hauptsache nicht schlimmes. Falls doch, dann hat die Person Glück, dass so gutes Wetter ist. Das der Hubschrauber hier fliegen kann ist nicht immer gewährleistet. Das Wetter ist meist zu unstabil und in Notsituationen muss man längere Wartezeiten einplanen.

    Was mich zu der Fussproblematik bringt.
    Tja, die wunden stellen und Verletzungen sind so umfangreich das die meisten unser Pflaster schon aufgebraucht sind. Und auch unsere Wunddesinfektion ist fast leer. Wir brauchen also Nachschub, dringend!
    Aber woher? Wir müssen wohl oder übel andere Hiker die uns entgegenkommen fragen, ob sie uns aushelfen können.

    Nach unserem Müsli geht es weiter ins UNESCO Schutzgebiet. Klar, hier finden wir Feuchtgebiete, Feuchtwiesen, Sumpf, Matsch usw usw. Oh man!!
    In mitten dieser matschigen Feuchtwiesen kommt uns eine Gruppe aus Lettland/Riga entgegen. Wie die aller meisten anderen Hiker zieren riesige Rucksäcke ihre Rücken. Teils können die Personen gar nicht gerade stehen. Krass! Was nehmen die denn alles mit? Irre! Klar, es ist jetzt nicht jeder ultraleicht unterwegs, aber es müssen ja nicht gleich 20 oder mehr Kilo sein. Wir fragen nach Wunddesinfektion und haben Glück. Der schwere Rucksack wird von den Schultern gewuchtet und im Medikit nach Alkoholpads gesucht. Vielen Dank an dieser Stelle für eure Hilfe! 🙏🏽 Wir tauschen uns noch etwas über den Trail aus und ziehen dann weiter. Die meisten Hiker legen pro Tag auf dem ACT etwa 20 Kilometer oder weniger zurück und laufen dabei von Hütte zu Hütte. Man muss hier mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 2,5 km/h kalkulieren. Wie immer haben wir nur ein großes Endziel und wissen wieviele Kilometer wir im Durchschnitt pro Tag laufen müssten. Schlafen möchten wir irgendwo, alleine in der Natur und nicht an den Hütten. Wir erreichen einen nächsten See. Einen sehr großen See. Viel Größer als der Amitsorsuaq! Der Tasersuaq See ist etwas 30 oder mehr Kilometer lang und hat dazu noch Nebenarme die auch gute 10 km Länge haben.
    Die Berge hier erscheinen röter als in der vergangen Woche. In erster Linie werden sie höher und sind nicht mehr bis oben hin mit Moos, Gras oder Büschen bewachsen.

    Uns kommen heute einige Hiker entgegen. Der Wind hat, wie üblich am Nachmittag wieder zugenommen und erinnert uns an den gestrigen Tag! Die Lautstärke ist enorm. Die Kapuzen sind tief ins Gesicht gezogen und Unterhaltungen sind quasi nicht möglich.

    In den letzten Stunden sind wir immer bergab gegangen und befinden uns jetzt nur noch wenige Meter über dem Meeresspiegel.
    Aber keine Sorge, nach dem tiefsten Punkt geht es rund 400 Meter bergauf für uns. Juhu! Der Aufstieg auf eine Art Hochplateau zerreißt uns förmlich. So anstrengend ist es! Die Beine brennen und es fehlt uns an Power!
    Verständlicher Weise! Dieses tiefe Einsinken und das Nachgeben der moosigen Böden ohne Pause kostet Kraft. Normalerweise würden wir selbst in höheren Regionen in den Bergen 400 Höhenmeter in maximal einer Stunde bewältigen. Hier hingegen zieht sich der Aufstieg lang hin und will einfach nicht enden. Oben angekommen beschließen wir einen Schlafplatz zu suchen. Hier oben ist niemand und es ist wunderschön. Wenn wir es nicht besser wüssten, könnte man meinen wir sind locker auf 2.000 Meter Höhe. Das ist das erste Mal, dass wir auf dem Trail in einen richtigen felsig, bergigen Abschnitt sind. Das gefällt uns besonders gut!

    Wir filtern am nächsten See Wasser und finden ab vom Trail in einer unwirklichen Landschaft einen kleinen Platz für das Zelt.
    Im Wind bauen wir alles auf. Ungemütlich!!
    Aber schon bald, wie gewohnt, flacht der Wind ab bis er nicht mehr zu spüren ist.
    Es kommt die Zeit der stillen Nacht! Wobei Sonnenuntergang erst noch bevorsteht.
    Der Himmel lichtet sich und bis auf ein paar Schleierwolken die sich um die fernen Gipfel der Berge legen, ist freie Sicht über das weite weite Land.
    Bevor wir aber zum gemütlichen Teil übergehen müssen meine Füße verarztet werden.
    Nach dem ich aus den Tüten, zum Schutz vor Schmutz und dem meisten Wasser, raus bin, folgen die Socken und ich möchte sagen, es ist nicht schön. Wir brauchen gute 45 Minuten um mit den letzten Mitteln aus dem Medikit alles irgendwie zu verbinden. Morgen müssen wir auf dem Trail nach Pflastern usw fragen, isso! Unser Wärmflaschen machen gute Arbeit. Wir haben Hunger und so schlingen wir schnell unser Essen rein. Ein leckerer Tee gibt nochmal Flüssigkeit und Wärme.
    Es ist jetzt 23:40 Uhr und 0,7 Grad.
    Es könnte kalt werden heute Nacht. ✨

    🥾 Hiker getroffen: 15
    ➡️ 28 km ⬆️ 585 hm ⬇️ 376 hm
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