Satellite
Show on map
  • Die Via Transsilvanica in Rumänien

    September 20, 2021 in Romania ⋅ 🌧 18 °C

    Nach dem Grenzübertritt folgten noch so einige Busfahrten durch die rumänischen Städte Sighetu Marmatiei, Baia Mare, Cluj-Napoca und Targu Mures bevor wir Sowata unseren Einstiegspunkt für den Weitwanderweg - der Via Transsilvanica - erreichten.
    In Sowata bezogen wir ein Privatzimmer und unsere Unterkunftgeber - Monika und Shandor - luden uns am Abend gleich zu Palinka - einem traditionell ungarischen Zwetschkenschnaps - ein.

    Nach einem entspannten und sonnigen Sonntag im Garten der Pension packten wir am Montagmorgen unsere Rucksäcke um in unsere erste Etappe am Via Transsilvanica zu starten.
    Der Via Transsilvanica ist ein Weitwanderweg, der seit drei Jahren besteht und auf derzeit fast 700 km quer durch Transilvanien/Siebenbürgen führt.
    Ich verlinke euch hier das Video zum Making-Of (https://youtu.be/eK9XrrcqOoc), das wunderbar die Idee und das Ziel dieses Weges vermittelt. Ein Weg, der die Menschen der verschiedenen Kulturen und Völker, die hier leben miteinander verbindet. Immerhin leben in diesem Staat neben Rumänen noch weitere 18 staatlich anerkannte Volksgruppen - eine unglaublich schöne Vielfalt, die allerdings auch zahlreiche Herausforderungen mit sich bringt.

    Wir wandern die ersten vier Tage lang im Zentrum von Rumänien durch Dörfer, die seit mehreren Jahrhunderten von Szeklern bewohnt werden. Die Szekler sind eine Volksgruppe, die eng mit ungarischen Magyaren verwandt ist. Sie sprechen einen ungarischen Dialekt und in den Geschäften finden wir hauptsächlich ungarische Produkte und Lebensmittel.

    Das Wetter war traumhaft schön und sehr warm. Am ersten Tag wanderten wir von Sowata nach Praid. Sehr rasch kamen wir an Schildern vorbei die uns vor den Bären (rumänisch: urs, passend dazu gibt's eine danach benannte Biersorte 😉), die hier leben warnen. In den Wäldern Rumäniens leben tatsächlich noch tausende Bären🐻. Sie stellen damit die größte Bärenpopulation von Europa dar. Bei der Zeltplatzwahl fühlten wir uns somit auch ein wenig wohler, wenn wir ausreichend weit von den Wäldern entfernt und in der Nähe von Siedlungen waren. 😁
    In Rumänien ist laut unseren Recherchen Wildzelten erlaubt und etwas unwissend haben wir unser ⛺ am ersten Abend auf der Wiese eines rumänischen Mannes aufgestellt, der uns kurze Zeit später in aller Ruhe erklärte, dass es für ihn in Ordnung wäre, wenn wir hier eine Nacht verbringen würden. Als er von seiner abendlichen Schwammerlsuche zurückkehrte, fragte er nochmals mit ganz ruhiger und langsamer Stimme, ob wir noch etwas brauchen würden. Er bot uns auch an unser Zelt in der Nähe seines Hauses aufstellen könnten, falls wir die Bären fürchten würden. Er überreichte uns außerdem als kleines Geschenk drei Vogelfedern, die er bei seinem Spaziergang gefunden hat.

    Am nächsten Tag wanderten wir einen Berg hinauf, wo wir dann den verbleibenden Tag einen Bergkamm entlang spazierten. Am späten Nachmittag erreichten wir das Dorf Atia, wo wir uns am Dorfplatz vor dem Greissler setzten und bei einem Häferl selbstgekochtem Kaffee, darauf warteten, dass der Dorfgreissler öffnet. Auf der Eingangstür waren die Öffnungszeiten vermerkt: 8-10 und 17-19 Uhr. Nachdem wir ein paar Lebensmittel und Wasser kauften, waren wir mit unseren großen Rucksäcken und Wanderstöcken rasch die Attraktion des Dorfs.
    Ein sehr geselliger Mann wollte sich unbedingt mit uns auf italienisch unterhalten. Claudias Spanisch- und meine Französischkenntnisse halfen dabei nur wenig weiter und das Gespräch beschränkte sich somit auf wiederkehrende Gesprächsfetzen, die sich auf die Themen: Kaiser Franz-Joseph, Austria-Hungary und Arnold Schwarzenegger beschränkten.
    Nachdem wir wiederholt daran scheiterten, als wir nach einem Zeltplatz fragten, trafen wir schließlich in diesem abgelegenen Szeklerdorf in Transsilvanien auf einen Engländer.
    Er erzählt uns, dass er seit 2012 immer wieder in dieses Dorf komme, von Anfang an überwältigt gewesen sei von der Gastfreundschaft der Menschen hier und mittlerweile auch von den Einheimischen akzeptiert werde. Er habe sich schließlich sogar ein kleines Grundstück mit einem alten Haus gekauft, indem wir zelten durften.
    Auf einer riesigen Feuerstelle im Garten, wo noch am Nachmittag alles mögliche an Holz und Abfall aus dem Garten und dem Haus verbrannt wurde, machten wir uns für den Abend ein kleines Lagerfeuer. Nach einer sehr rudimentären Dusche mit dem Gartenschlauch machten wir noch Bekanntschaft mit einer benachbarten Roma-Familie. Die junge Mutter mit ihren drei Töchtern holte mit zwei Wasserkübeln in ihren Händen Wasser für ihr Zuhause. Auch am nächsten Morgen kamen sie wieder vorbei um Wasser für den Tag zu holen. Den drei Mädchen, die nach kurzer Zeit unsere Begrüßung mit einem schüchtern-kichernden "Good Morning" und "Hello" erwiderten, schenkte Claudia eine kleine Packung Kekse.

    Wir setzten schließlich unsere Wanderung auf der unasphaltierten Straße fort und durchquerten an diesem Tag drei weitere Szekler-Dörfer deren Häuser oftmals mit den sehr schönen traditionellen und mit Holzschnitzereien verzierten Szeklertoren versehen waren. In den Dörfern fanden teils Bauarbeiten an den Straßen statt und es ist wohl zu erwarten, dass in wenigen Jahren auch diese Dörfer asphaltierte Zufahrtsstraßen haben werden. Am Abend erreichten wir den Ort Lupeni, wo wir noch einige Höhenmeter den Hang hinaufwandern und einen Zeltplatz mit wunderbaren Ausblick über den Ort haben. In der Nacht hören wir schließlich in weiter Distanz Bärenlaute, woraufhin im Ort dutzende Hunde laut zu bellen beginnen. Aber abgesehen davon, hatten wir in dieser Woche keine Begegnungen mit dem "Urs" 🐻

    Tags darauf wandern wir an einer 22 Meter hohen, edelstahlernen Jesus Statue vorbei, die in Anlehnung an die Christusstatue von Rio de Janeiro gestaltet wurde.
    Wir folgen weiter der Via Transsilvanica, durchstreifen den Ort Dealu und das Dorf Tamasu. In Tamasu bleiben wir kurz stehen, um uns die Häuser des Dorfs etwas anzusehen. Als eine Mann aus einem Haus herauskommt, uns auf Ungarisch anspricht und uns zu sich ins Haus einlädt. Rasch war geklärt, dass wir weder Ungarisch noch Rumänisch sprechen und der Mann weder Englisch noch Deutsch. Das hat ihn allerdings dennoch nicht davon abgehalten uns in seine 1-Zimmer-Wohnung einzuladen, wo sich nebeneinander Bett, Küche und Wohnzimmer befanden. Er klappte noch die Sitzfläche der Bank hinunter, die mit Lebensmitteln gefüllt war und deutete uns das wir uns setzen sollten. Kurz darauf begann er mit dem Aufschneiden von Brot, Paprika, Paradeiser, Zwiebeln und Wurst und es war ihm ein großes Anliegen, dass wir uns daran bedienten und es uns schmeckte.
    Nach der für uns sehr überraschenden Jause begleiteten wir ihn noch bei einer Runde im Dorf. Er zeigte uns, dass er sehr viele Schlüssel zu den Häusern im Dorf habe. Viele seiner Nachbarn seien nicht hier, sondern zum Arbeiten in Deutschland, Österreich, Spanien oder Großbritannien. Betroffen darüber, dass es zunehmend ruhiger im Dorf werde, zuckte er schließlich resignierend mit den Achseln.

    Wir verabschiedeten uns schließlich und legten an diesem Tag noch die letzten Kilometer nach Oderheiu (Oderhellen) zurück. Dort bezogen wir ein Zimmer in einer Pension. Am Freitag nutzten wir das Regenwetter für eine Pause und eine kurze Weiterreise mit dem Zug.
    Die letzten beiden Tage dieser Woche wanderten wir noch in einem Gebiet wo ehemals sehr viele Sachsen gelebt haben. Auch wenn der Anteil an Deutschen in dieser Region mittlerweile nur noch sehr gering ist, gibt es auch hier viele deutschsprachige Schilder und Schriftzeichen und entlang des Wanderweges wurden wir einmal sogar mit "Servus" begrüßt.
    Wir entdeckten ein kleines mittlerweile fast ausgestorbenes kleines Dorf mit drei Kirchen, wurden ein Stück lang von echt großen Hirtenhunden begleitet und verbrachten bei Regen noch eine Nacht in unserem Zelt im Wald.

    Am Sonntag erreichten wir nachdem wir noch wortlos von einem Rumänen mehrere Kilo Zwetschken geschenkt bekommen haben, schließlich Sighisoara (Schäßburg). Eine kleine Stadt mit einem mittelalterlichen Ortskern, wo wir erstmals in Rumänien auch wieder ausländische Touristen bemerkten.
    Mit dem Bus fuhren wir am Nachmittag zurück nach Sowata, wo wir auch den Montag noch verbrachten. Bevor wir Montagnacht in den nächsten Bus gestiegen sind.

    Es war eine unglaublich schöne und sehr eindrucksvolle Woche im Herzen von Rumänien. Wir machten eine Zeitreise - wo Menschen noch mit Pferdewägen unterwegs sind, in zahlreichen Gärten Komposttoiletten stehen, die Straßen unasphaltiert sind, Hirten mit ihren Hunden Schafe oder Kühe hüten, an einem Wochentag um 9:30 sich die Menschen beim Greissler bei einem Bier zusammensetzen, im Garten gemeinsam Zwetschken geerntet werden und daraus Marmelade oder Palinka gemacht wird, ...
    Read more