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  • Day 32

    Chinchilla zum Abendmahl

    February 1, 2018 in Peru ⋅ ⛅ 16 °C

    Die Fahrt nach Cusco ist kurz. Wir besichtigen en passant eine Entsalzungsanlage (vorletztes Bild), kurz danach empfängt uns bereits die ehemalige Inkahauptstadt mit trüben Grautönen.

    Manfred und ich ziehen los, da unser beider Helme defekt sind, doch in Cusco gibt es nur billigste Chinaimporte, die den Namen Helm nicht verdienen. Ich werde also bis La Paz mit geschlossenem Visier fahren, das Scharnier verweigert nämlich seine Funktion. Schon vor Tagen haben Oliver und ich einen Reparaturversuch unternommen und das defekte Teil komplett zerlegt, geschmiert und wieder zusammengepuzzelt (letztes Bild). Dabei geht eine Feder verloren, was die Funktion nicht wirklich verbessert ...

    Nachdem das mit dem Helm schon nicht geklappt hat, schlendere ich alleine bzw. nur zusammen mit meiner schlechten Laune zum Plaza de Armas (jede größere Stadt hat hier übrigens einen solchen Platz, auch mit eben diesem Namen) und gehe dort in die Kathedrale. Mein Ärger wächst, als ich feststelle, dass der Eintritt 25 Soles kostet. Ich finde, dass Kirche und Eintrittsgeld nicht zusammenpassen. Auch das Innere erscheint zunächst eher aufdringlich und unaufgeräumt als schön, die Christusfiguren sehen alle aus wie spanische Eroberer, doch zunehmend entdecke ich, auf welch bunte Weise sich hier katholischer Glauben mit peruanischen Mythen vermischt.

    Das heutige Hauptbild (ausnahmsweise aus dem Netz, denn mein Handybild ist sehr unscharf, zumal Fotografieren verboten ist und es genauso viele Aufpasser wie Besucher in der Kathedrale gibt) zeigt das letzte Abendmahl, aber mit einigen Besonderheiten, denn Herr Zapata, der lokale Quechua-Künstler des 18. Jahrhunderts, hat sich für Chinchilla auf dem Teller entschieden (falls Ihr das per Wikipedia überprüft: ja, da steht Meerschweinchen, aber das Infoschild unter dem Bild betont, dass es Chinchilla wäre!!!). By the way: Amerikanische Wissenschaftler haben herausgefunden, dass in Abendmahldarstellungen Fisch vor Lamm und Schwein rangiert (Chinchilla bleibt unerwähnt) und dass die Größe des Hauptgerichts im Laufe von 1000 Jahren um 69% zugenommen hat: http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/jesus…

    Außerdem: Der von Jesus abgewandte Judas trägt die Züge Pizzarros. Bei genauerem Hinsehen geht es in der gesamten Kathedrale so weiter: Ich lese, dass man am Karfreitag nicht fastet, sondern ein traditionelles Menu aus 12 Gängen zu sich nimmt. Ein Bild zeigt einen Jesus mit ziemlich dunkler Hautfarbe ("Black Christ"), was die Spanier so wohl nicht umgesetzt hätten. Und man feiert Ostern das Fest des "Lords of Earthquake", was angesichts der häufigen Erdbeben in dieser Region einleuchtet und Gott zielgerichtet einsetzt.

    Zurück aus der Kirche studiere ich Low-Budget-Rucksacktouristen. Deren aktueller Dresscode sind gestreifte Hosen, Alpaka-Pullover, Troddel-Mützen und Sneaker. Ebenfalls erwähnenswert: Der Verkehr wird hier überwiegend von Frauen geregelt, die wirklich virtuos auf ihren Trillerpfeifen flöten. Ich werde im weiteren Reiseverlauf versuchen, solch eine Pfeife zu ergattern. Und schließlich beobachte ich, dass hier noch Bankgeschäft alter Schule betrieben wird. Oft gut einsehbar sitzen Menschen in Stuhlreihen, um sich ihren Mikrokredit auszahlen zu lassen.
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