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  • Day 50

    Zurück in der Spießigkeit

    February 19, 2018 in Chile ⋅ ⛅ 16 °C

    Er wirkt auf dem Bild klein. Doch folgt man mit dem Blick der argentinischen Flagge nach rechts, dann erkennt man den höchsten Berg der Anden und zugleich des gesamten amerikanischen Doppelkontinents, den Cerro Aconcagua. Er bringt es auf stattliche 6.960 m und wurde von einem Herrn Zurbriggen erstbestiegen (richtig: Herr Zurbriggen war kein gebürtiger Argentinier ...). Weltweit steht der Koloss dennoch nur auf Platz 188, denn in Asien gibt es 187 höhere Berge. Aber da es im Umkreis eben nicht so viele Erhebungen dieser Dimension gibt, ist er nach dem Mount Everest weltweit der Berg mit der zweitgrößten "Dominanz" (das ist, wie ich gerade herausgefunden habe, so eine Art relatives Größenkriterium im Vergleich zum Umfeld). Lange Rede, kurzer Sinn: Ein echter Klopper, der Aconcagua.

    Und das Ganze bei stahlblauem Himmel. Zugegeben: Die IPhone-Zauberstabfunktion überzeichnet das Ganze nochmals ein wenig, aber auch ohne technische Tricks weist der Himmel ein tieferes und strahlenderes Azur auf, als wir das aus unseren Regionen kennen. Bis hin zu bläulich-dunstigen Verfärbungen entfernter Bergketten. Eine wunderbare Fahrt also, auf dem Weg von Mendoza nach Santiago de Chile. Erneut zeigen sich am Wegesrand die mittlerweile wiederholt beschriebenen Spuren hochfliegender Pläne, die letztlich nicht umgesetzt wurden oder erfolglos blieben. Eine Eisenbahnlinie, die schon vor Zeiten aufgegeben wurde und an deren Strecke man am liebsten stundenlang den atmosphärisch interessanten Verfall fotografieren möchte. Auch schön: Eine Reihe von Skiliften, die nicht den Eindruck machen, als hätten sie in den letzten Jahren irgendjemand transportiert ...

    Der Grenzübergang nach Chile raubt uns - wie üblich - zwei Stunden. Learning of the day: Der Südamerikaner notiert gerne (mehrfach) Personen- und Fahrzeugdaten. Wozu er das macht? Unklar, denn es wird nur wenig digital und damit vernetzt erfaßt. Sowohl für Argentinien als auch für Chile gilt: Die aus Europa wohlbekannte Spießigkeit ist wieder da. Wurden wir im Norden Südamerikas regelmäßig von Polizeikontrollen freundlich und mit Daumen hoch durchgewunken und war es allgemein geduldet, dass sich Motorradfahrer an jeder Schlange nach ganz vorne durchdrängeln dürfen, zumal wenn sie eigentümliche Kennzeichen und dicke Seitenkoffer haben, so erhalten wir nun immer wieder Belehrungen (nicht so schnell, die Papiere bitte, hinten einreihen, nicht über durchgezogene Linien fahren ...). Da hilft nur, totale Sprachunkenntnis vorzugeben.

    Darüber hinaus macht es nun auch wieder Sinn, an roten Ampeln zu halten. Außerdem sprengen in Santiago de Chile Menschen abends den Rasen und joggen mit Knöpfen im Ohr die überflüssigen Kalorien ab. Und schließlich gibt es in der von mir besuchten Einkaufsmall alle Mode- und Foodtempel, die uns bereits in Europa aufgrund ihrer Dauerwiederholung langweilen. Ich versuche mich kurz zu wehren, aber wo mich das Mädel von Dunkin Donuts so nett anlächelt ... warum ich allerdings die Sechser-Box erwerbe (6 zum Preis von 5, mieser Marketingtrick), kann ich mir selbst nicht recht erklären.

    Last not least und um den Bezug zum letzten Bild herzustellen: Die Bikes bekommen bis morgen einen ordentlichen (und sicher sehr teuren) Service in der wirklich gigantischen BMW-Niederlassung, die in ihrer affektierten Gelecktheit in scharfem Kontrast zu unseren etwas mitgenommenen Bikes steht. Mitarbeiter und das gesamte Ambiente reihen sich nahtlos in die wunderbare Welt der BMW-Arroganz ein (da lobe ich mir doch meinen Mike Bike in der Schützenstraße in Solingen). Leider bauen die Münchner wirklich exzellente Motorräder, doch emotional ist die Markenauffassung von BMW an biedersten Klischees und Selbstverliebtheit nicht zu überbieten. Was wäre das für eine lohnende Aufgabe, Marketingansatz und Servicepersonal auf das technische Niveau der Bikes zu hieven?
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