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  • Day 10

    Unfreundlicher Bulle

    June 10, 2023 in Italy ⋅ ☁️ 22 °C

    Es drückt auf die Stimmung, wenn es regnerisch ist und noch mehr, wenn die Temperaturen in der Heimat über denen des eigenen Reiselands liegen. Zudem verlangt die Enge des Bullis nach einem Gegenpol: Wir verspüren das dringende Bedürfnis, uns einmal wieder Weite zu verschaffen und etwas zu wandern. Zusammen mit Gianna Nannini, Eros Ramazotti und Zucchero schrauben wir uns in erfreulichen Serpentinen hoch nach Taquisara (780 m); es ist einer der drei neuen Orte, die aus der (in einem früheren Footprint berichteten) Umsiedlung aus dem aufgegeben Weiler Gairo hervorgegangen sind, freilich ein sehr kleiner. Die Wanderung (Rother-Prädikat „Top“) startet an einem Minibahnhof einer vermutlich nur selten verkehrenden Schmalspurbahn, was überrascht, denn das Gelände ist zwar motorrad-, aber nicht eben eisenbahnfreundlich. Die Strecke ist mit gut 4 Stunden angegeben, einer Zeitvorgabe, die wir in jüngeren Jahren regelmäßig schlagen konnten, mittlerweile jedoch kaum mehr schaffen, aber das ist eine andere Geschichte. Der Weg ist unerwartet aufwändig angelegt, mit aufgerichteten Steinen fast dekorativ präpariert, führt durch eine Karstlandschaft um einen Tafelberg herum und hält das erhoffte Getier vor, das der Ziegenpeter und das Heidi gerne vorfinden, wenn sie ausschreiten. Die Geißlein zeigen sich malerisch auf Felsen arrangiert und liegen auch manchmal auf Straßen herum, wie uns auch Kühe gelegentlich den Pfad versperren. Alles sehr idyllisch, bis wir unvermittelt auf einen unfreundlichen, wenig zugewandten und insgesamt unkooperativen Bullen treffen, der eindeutig auf der falschen Seite des Weidezauns steht, etwa fünfzehnmal so viel wiegt wie wir und eine Art mürrisches, tiefes und letztlich vor allem bedrohliches Grollen und Schnauben von sich gibt. Diese Bild- und Geräuschkulisse veranlasst uns, in aller Eile verschiedene Flucht- und Verhaltensmöglichleiten durchzuspielen, von denen aber keine restlos überzeugt, so dass es am Ende gut ist, dass der Bulle nach einiger Abwägung beschließt, dass wir es nicht wert wären, von ihm über den Haufen gerannt zu werden und glücklicherweise dort verharrt, wo er steht. Wir ziehen also unbehelligt vorbei, um Verständnis bittend, dass es zu dieser Begebenheit kein Bilddokument gibt, um uns kurz darauf noch von Hirtenhunden wütend ankläffen zu lassen (der tut nix - oder vielleicht doch?). Selbst Rikes sonst unstillbarer Tierhunger ist verflogen und weicht wahrem, echtem, mühsam erlaufenen Wanderhunger. +++ Zurück am Meer finden wir einen erstaunlich wenig besuchten Campingplatz in der Nähe von Tortoli, suchen uns ein Sonnenplätzchen (unter Pinien kann es ziemlich düster sein) und Rike stellt Tim Mälzer mit ihren Kochkünsten in den Schatten: Es gibt erst Tomaten und Thunfisch mit Olivenöl (Antipasti), dann in Olivenöl angebratenen frischen Fenchel (Primi Piatti) und dann ein fluffiges, in Olivenöl gewendetes Käseomelette (Secondi Piatti). Schrieb ich schon, dass Olivenöl fantastisch schmeckt? Wir sinken müde und satt auf die Matratze des Bullis und lassen uns von den unaufhörlich anrollenden Wellen in den Schlaf schaukeln.Read more