Bolivien
El Porvenir

Entdecke Destinationen von Reisenden, die auf FindPenguins ein Reisetagebuch schreiben.
Reisende an diesem Ort
    • Tag 292

      Training & Campeonato Nacional de Sambo

      30. April 2022 in Bolivien ⋅ ⛅ 13 °C

      Nachdem ich mich schon damit abgefunden hatte, in Bolivien für ein Jahr auf Judo zu verzichten, erzählte mir ein hier kennengelernter Freund vor etwa 1 1/2 Monaten doch noch von einem Training, das er früher auch besuchte. Es ist zwar kein explizites Judo-, sondern hauptsächlich ein Sambotraining (die russische Judo-Adaption), doch die beiden Sportarten sind sehr vergleichbar und außerdem habe ich auch nichts gegen eine neue Erfahrung in der Kampfsportwelt. Also habe ich mich bei der Escuela Municipal de Deportes de Combate angemeldet. Der Trainer Carlos Mamani ist von der "Landesregierung" Potosís angestellt, das bedeutet, wir müssen nicht einmal etwas zahlen, um dort trainieren zu dürfen. Außerdem ist er in Bolivien sozusagen das Urgestein des Judosports und trainiert schon seit über dreißig Jahren. Von seinen damaligen Trainingspartnern ist kaum noch jemand beim Judo geblieben, aber er hat nie aufgehört und kämpft nun unermüdlich dafür, dass sich der Sport in Bolivien mehr in die Kultur integriert und vor allem für die Kinder und Jugendlichen zugänglich ist. In seinen vielen Jahren als Sportler hat er internationale Erfolge bei Judoturnieren einholen können und hat sich auch in vielen anderen Kampfsportarten weitergebildet, sodass er uns jetzt in Judo, Sambo, Kickboxen, Jiu Jitsu, Wrestling und Grappling unterrichten kann. Er ist eine sehr bewundernswerte Person, hat viel Erfahrung und Wissen und ich bin wirklich froh, ihn kennengelernt zu haben.
      Und in die Gruppe habe ich auch schnell hineingefunden, die Leute sind alle sehr lieb und haben auch eine gute Trainingsmentalität. Im Großen und Ganzen kann ich einfach nur sagen, ich bin so froh, dass ich dieses Training wenigstens für meine letzten Monate noch gefunden habe und ich bin dadurch insgesamt viel glücklicher mit meinem Leben hier geworden.

      Und letztes Wochenende gab es sogar noch ein nationales Sambo-Turnier in El Alto, der zweitgrößten Stadt von Bolivien. Ich hatte mich schon die Wochen davor, seitdem ich davon gehört hatte, so sehr darauf gefreut! Endlich wieder das Gefühl mit dem Team gemeinsam zu einem Turnier zu fahren, das ganze Wochenende gemeinsam und in der Kampfsportwelt zu verbringen, die ich so liebe. Und ich wurde nicht enttäuscht, es war ein geniales Wochenende, das am Ende sogar noch von Erfolg gekrönt war.

      Am Freitag zu Mittag machten wir uns gemeinsam vom Busterminal in Potosí Richtung El Alto auf: Zuerst etwa 6 Stunden nach Oruro, von dort mit einem zweiten Bus noch ca. drei Stunden weiter nach El Alto. Dort angekommen noch eine gute Stunde weiter bis zu unserem Quartier, dem Stadion von El Alto wo den vier Delegationen (La Paz, Tarija, Sucre und Potosí) jeweils ein Schlafsaal zur Verfügung gestellt wurde. Als wir um etwa 11:30 nach entspannten 11 Reisestunden dort ankamen ging es noch schnell zur Probe auf die Waage, um sicherzugehen, dass in der Früh das Gewicht stimmt. Und danach schnell ins Bett um noch genügend Schlaf für das morgige Turnier zu bekommen - jedenfalls für die anderen. Wir hatten uns nämlich bei der Gewichtsklasse verschaut, bei den Jugendlichen unter 21 war meine Gewichtsklasse nämlich -72 und nicht wie bei den Erwachsenen -74. Also alle verfügbaren Jacken und Hosen anziehen und noch draußen am Fußballplatz Runden laufen. Danach mit der Montur unter die Decke ins Bett zum Nachschwitzen, um so viel flüssiges Gewicht wie möglich zu verlieren. Das Ganze dann um 7 in der Früh kurz vor der Abwage nochmal und so schnell sind 2 Kilo (kurzzeitig) weg. Ich kam also in meine Gewichtsklasse, danach gab es ein Frühstück und mit etwa 4 Stunden Schlaf ging es dann um 8 Uhr zum Wettkampf im Multigimnasio Ceja El Alto. Dort angekommen stellten wir fest, dass es bei den Jugendlichen leider keine Starter gab, also doch wieder zurück -74 bei den Erwachsenen.
      Zuerst gab es eine kurze Erklärung der Wettkampfregeln der vier Disziplinen: Sambo Sport (das ist wie Judo, nur dass man auch zu den Beinen greifen darf), Sambo Combat (wie MMA mit Jacke, wurde aber aufgrund fehlender Starter nicht ausgetragen), Grappling (wie Jiu Jitsu nur ohne Jacke) und Sambo Playa (wie Sambo Sport nur im Sand). Die ersten drei (oder im Endeffekt eben zwei) Wettkämpfe wurden am Samstag in der genannten Halle ausgetragen, Sambo Playa dann am Sonntag in einem Park auf einem Beachvolleyballfeld.
      Und von da an ging es in der üblichen Wettkampfmanier weiter: Aufwärmen, beim vielen Warten auf seinen Kampf warm bleiben und dabei am besten so wenig Nervosität wie möglich aufbauen.
      Im ersten Kampf hatte ich einen Wrestler, der nicht an die Judowürfe und vor allem Beinfeger gewöhnt war, diesen Kampf konnte ich schnell für mich entscheiden. Im zweiten hatte ich einen recht starken Judoka, den ich aber mit meinem Griff dominieren konnte und so war er die ganze Zeit sehr passiv. Nach einigen Minuten konnte ich dann dank stärker Ausdauer auch diesen Kampf mit einem schönen Feger gewinnen. Im Finale kämpfte ich mit einem versierten Judoka aus Tarija, wo der Sport um einiges entwickelter und fortgeschrittener ist. Es war lange ausgeglichen, dann konnte ich mit einem Wurf zwei Punkte erzielen und meinen Gegner schließlich nach einem schwachen Angriff seinerseits am Boden festhalten. Nach Auslauf der 5 Minuten Kampfzeit gewann ich also dank höherer Punktezahl, im Vergleich zu meinen ersten beiden Kämpfen die ich per Ippon (also einem Wurf, bei dem der Gegner zentral auf den Rücken fällt) direkt gewonnen hatte. Ich war sehr zufrieden und erschöpft, schaute noch bei der Austragung der weiteren Kämpfe zu und war aufgrund meines verbleibenden Energielevels froh, mich nicht auch für Grappling eingeschrieben zu haben. Schließlich gab es gegen 18 Uhr noch die Siegerehrung, ein bisschen Wettkampfausklang mit Fotos und Unterhalten mit den anderen Sportlern und ich war einfach glücklich. Wenn man diese Atmosphäre einmal erlebt hat wird man sie nie wieder vergessen und es gibt wirklich kaum Leute bei einem Wettkampf, mit denen man sich nicht auf Anhieb versteht, egal aus welchem Land sie kommen. Außerdem hab ich auch viel von ihnen und über die Kampfsportwelt in Bolivien lernen können und werde mich sicher noch lange an diese Erfahrung erinnern.
      Nach einem Abendessen ging es für mich an diesem Tag sehr früh ins Bett, um am nächsten Tag noch Kraft für meine zweite Disziplin zu haben. Wir machten uns in der Früh also mit dem Bus auf zu einem Park etwa auf halber Höhe zwischen El Alto und La Paz auf und warteten dort in der Sonne, bis alle Delegationen angekommen waren. Um ca. 11 Uhr gingen die Wettkämpfe los, am zweiten Tag nahm das Turnier nur noch viel kürzere Zeit in Anspruch. Zum Einen, weil weniger Sportler antraten, zum Anderen weil in Sambo Playa jegliche erste Wertung den Kampf direkt gewinnt und es somit schnellere Entscheidungen gibt. In der ersten Runde in meiner Gewichtsklasse kämpfte ich gegen einen schon etwas älteren Judo-Schwarzgurt, der mit meinem Trainer einer der einzigen Verbleibenden aus der früher viel stärkeren Judo-Ära in Bolivien war. Ich konnte ihn dank etwas besserer körperlicher Fitness gut in Schach halten und schließlich mit einer gelungenen Hüfttechnik eine Wertung erzielen. In der zweiten Runde trat ich gegen einen Grappler an und diese Kämpfe sind sehr spannend in der Kampfsportwelt: Normalerweise treten eher zwei Kämpfer mit ähnlichem technischen Repertoire aus derselben Sportart an, aber da Sambo die Techniken verschiedener Kampfkünste vereint messen sich hier auch ganz verschiedne Techniken und Stile. Man ist also auch nicht umbedingt auf die Abwehr dieser Techniken gedrillt, solche Wettkämpfe können daher oft sehr schnell vorbei sein und es kann praktisch alles passieren. Ich fand es sehr spannend, mich einer anderen Art des Kampfes zu stellen, da es in der Kampfsportwelt natürlich auch immer eine gewisse Rivalität um die effektivste oder beste Art des Kämpfens gibt. Umso glücklicher war ich also als ich am Ende das Judo gewinnen lassen konnte. Im Finale war mein Gegner ein weiterer starker Judoka aus La Paz, der tags zuvor noch in einer Gewichtsklasse unter mir angetreten war. In Sambo Playa sind die Gewichtsklassen aber aufgrund der wenigeren Starter viel grober, sodass wir gemeinsam in die Klasse -80 fielen. Es war aber trotzdem ein guter Kampf in dem jeder seine Möglichkeiten hatte und schließlich, als ich merkte, dass die Müdigkeit ihn langsamer machte, gelang mir noch ein schneller Angriff, den er nicht mehr verteidigen konnte. So konnte ich auch am zweiten Tag meine Gewichtsklasse gewinnen und bin jetzt Staatsmeister von Bolivien - was sich schon etwas komisch anfühlt. Ich hätte mich somit sogar für die Panamerikanischen Spiele qualifiziert, die im August in Costa Rica ausgetragen werden, doch leider werde ich dann nicht mehr hier sein. Aber ganz unabhängig vom Ausgang bin ich wie gesagt so dankbar dafür, dieses Wochenende mit vielen tollen Leuten verbracht zu haben und so fraglos als Teil dieser kleinen aber feinen und hoffentlich wachsenden Sambo-Community aufgenommen worden zu sein.
      Am Nachmittag spazierten wir noch ein bisschen durch den wunderschönen Park, machten uns dann auf, unsere Heimfahrt-Tickets zu besorgen, und konnten gleich unser Gepäck im Bus lassen. So hatten wir noch gemütlich Zeit um am Nachmittag und Abend einen kleinen Teil der gigantische Féria 16 de Julio in El Alto kennenzulernen (einer der größten Märkte in Südamerika, wo man wirklich alles finden und sich vor allem sehr leicht verlieren kann). Wir blieben aber so gut es ging zusammen, tranken noch gemeinsam einen Kaffee und machten uns dann vor der Reise noch auf in eine Karaoke-Bar. Dort gab es ein abwechselndes Vortragen bolivianischer und österreichischer Musikklassiker und noch eine kleine Stärkung für die lange Busfahrt.
      Auf der Heimfahrt unterhielt ich mich bis in die tiefen Morgenstunden mit meinem Trainer, vor allem über die Anstrengungen, die er hier unternimmt, um den Sport mehr unter die Leute zu bringen. Als ich ihm dann von der Judoszene in Österreich und Europa erzählte wurde mir einmal mehr klar, wie einfach wir es in gewissen Dingen zuhause haben, und welche Dinge für uns so selbstverständlich sind, um die hier hart gekämpft werden muss. Der Sport hat hier so geringe kulturelle Relevanz und außer für Fußball werden hier vom Staat wirklich kaum Förderungen geleistet, um den Leuten den Zugang zu ermöglichen. Und als ich von unserer Welt erzählte, in der in jeder Stadt eine perfekt ausgestattete Auswahl an Vereinen für quasi jede Sportart hat sagte er nur: "Was für ein Paradies..." Seitdem habe ich noch viel mehr Respekt für ihn und die Arbeit die er hier leistet, und die von nur einem winzigen Teil der Bevölkerung wertgeschätzt wird.
      Was mich dann aber doch wieder glücklich stimmte war, dass er mir erzählte, dass mein Mitmachen und meine Teilnahme am Training und Turnier neuen Schwung in die Szene gebracht hatte, und den Leuten auch neue Motivation gegeben hat. Natürlich ist das keine Leistung meinerseits, weil ich ja nur das mache, was ich sowieso machen würde, aber wenn ich mit meinem Jahr in Bolivien nur eine Sache erreicht habe, nämlich den Sportsgeist etwas zu stärken und den Kindern und Jugendlichen mehr Spaß und Motivation gegeben habe, im Training an sich zu arbeiten und gemeinsam mit ihren Gleichgesinnten in dieser wundervollen Welt aufzuwachsen dann war es mir das hundertmal wert. Und ganz nebenbei macht es sogar mich noch unglaublich glücklich... Dieses Training gefunden zu haben ist wirklich eine feine Sache und die optimale Symbiose für beide Seiten!

      Nachdem ich nicht geschlafen hatte kam ich dann zwar reichlich erschöpft aber dennoch sehr zufrieden am Montag in der Früh in Potosí an, und weil der Tag der Arbeit am Sonntag ja nicht viel bringt wurde der Feiertag bequemerweise auf den Montag verschoben, sodass ich mich auch noch gut erholen konnte...😁
      Weiterlesen

    • Tag 32

      Off to Copacabana

      31. Oktober 2017 in Bolivien ⋅ ⛅ 17 °C

      At the bus terminal, there was a mini bus leaving for Copacabana in 10 min at 16:30. We bought the tickets for 25 b$ per person and got the last seats on the bus. But, we were off to Copacabana now!!

    Möglicherweise kennst du auch folgende Namen für diesen Ort:

    El Porvenir

    Sei dabei:

    FindPenguins für iOSFindPenguins für Android