• Etappe 4 – ein Kessel voll Einsamkeit

    August 13 in France ⋅ 🌩️ 19 °C

    4:00 Uhr: Die Nacht war eher so, geht so. Wieder einige falsche Entscheidungen getroffen. Lustig war auch, dass meine Überlegung, dass ich ja heute um 4:00 Uhr aufstehen muss und deshalb kein Oropax verwenden brauche, sich als Irrtum herausgestellt hat: Eine relevante Anzahl von Menschen machte sich ab 3:00 Uhr mit dem Aufbruch zu schaffen. Und zwar in einer Weise, die man leider nicht als rücksichtsvoll bezeichnen kann. Da wurden ganz normale Gespräche in ganz normaler Lautstärke geführt.

    Naja, ich hab mir dann noch ein schönes Frühstück gemacht und konnte sogar noch etwas Butter abgreifen – von denen, die im Refuge ein Frühstück gebucht hatten. Und um 5:00 Uhr haben wir dann von zwei Führern geführt den Aufstieg begonnen. Zwei Führer, weil wir eine Gruppe von circa 15 Leuten waren. Der Aufstieg ist vom Weg her weder schön noch besonders anspruchsvoll, aber auch nicht das Gegenteil. Was den Aufstieg aber wirklich schön macht, ist die Tatsache, dass man ein lang gestrecktes Tal hochläuft und die Sonne auf der gegenüberliegenden Seite aufgeht.

    7:25 Uhr: Wir haben den Grad erreicht, ab dem der Abstieg beginnt. Wenn man von oben in den Kessel hinein schaut, sieht es schon beeindruckend aus, da man quasi nur einen Abgrund sieht. Tatsächlich ist die Tour aber gar nicht so schlimm, weil man schräg an der Wand entlang geht und immer sehr gute Tritt-Möglichkeiten hat.

    Wir haben immer mal wieder kleine Pausen gemacht und nachdem wir die 200 m abgestiegen und wieder hinauf geklettert sind, haben wir um circa 10:00 Uhr den Ausgang des Cirque de la Solitude erreicht. Oben gab’s wieder die leckeren korsischen Kekse mit einer Chai Latte.
    Man darf den Cirque auch ohne Führer gehen, aber ich würde es niemandem empfehlen. Es gibt keine Markierungen mehr, und außerdem fand ich es auch angenehm, einmal nicht selbst nach dem Weg schauen zu müssen und vor allem fand ich auch die Informationen, die uns Louis immer mal wieder (auf Nachfrage auch auf Englisch) mitgegeben hat, äußerst spannend. So habe ich zum Beispiel erfahren, dass der ursprüngliche Weg gar nicht in das Ascu Tal hinabging, sondern von Carruzzo direkt über den Cirque nach Tighiuttu. Louis bietet dies auch als geführte Tour an.

    10:37 Uhr. Tee und Kekse sind alle und wir brechen auf in Richtung Hütte. Ich mache den Abstieg alleine, ganz in meinem Tempo.

    11:04 Uhr: Der Abstieg ist durchaus auch anspruchsvoll, da das Gelände aus Felsen und Steinen unterschiedliche Größe besteht und man bei jedem Schritt gut aufpassen muss.

    11:08 Uhr: Man sieht das erste Mal die Tighuittu Hütte.

    11:55 Uhr: Ich habe das Refuge Tighuittu erreicht, also die Hütte, in der ich nicht übernachte, aber eine Origina trinken und hoffe noch, Felix und Vanessa abzupassen, die hier übernachten.

    12:08 Uhr: Ich mache mich auch schon weiter auf in Richtung Vallone. Die Wetterlage ist mir nicht ganz geheuer. Man kann ja auch nicht hinter dem Berg gucken.

    12:24 Uhr: Ich bin beeindruckt. Ich hatte den Abstieg nach Ballone eher als einen Spaziergang in Erinnerung und obwohl ich eigentlich noch sehr frisch bin, finde ich den Weg durchaus anspruchsvoll.

    Aber das liegt mit Sicherheit auch an meinem Knöchel. Der tut nicht weh und meine Beweglichkeit ist eigentlich auch schon wieder relativ gut. Aber gerade dadurch, dass ich Halbschuhe trage, kommt man doch immer mal wieder in den Grenzbereich und dieses versetzt mir jedes Mal einen kleinen Schrecken. Wie gesagt, es passiert gar nichts. Es zieht nur ganz leicht, aber ich habe jedes Mal im Hinterkopf „Oh Gott“. Ob das gut ist oder nicht, weiß ich nicht. Auf jeden Fall habe ich den Abstieg auch im Cirque dieses Mal wesentlich anspruchsvoller wahrgenommen. Der Aufstieg hingegen war ein Freudenfest, der hätte gerne noch doppelt oder dreimal so lange sein können.

    12:47 Uhr: Ich erreiche die Bergerie de Ballone. Die haben sich vergrößert und jetzt eine doppelt zu große Terrasse und die Terrasse über der Haustür ist jetzt vollständig überdacht. Das ist insofern ganz interessant, falls das Wetter umschlagen sollte. Aktuell sieht es… sagen wir mal interessant aus: über uns ist eine Wolke, man weiß nicht, wie hoch sie sich auftürmt und immer mal wieder frischt der Wind extrem auf.

    Während ich diese Zeilen hier überarbeite, sitze ich schon mit den Füßen im kristallklaren und schön kaltem Gebirgsbach. Einfach herrlich. Jetzt gehe ich gleich mal hoch, um zu schauen, ob es ein Omelette oder so etwas gibt, und dann steht noch die Dusche an. Anschließend ein kleiner Mittagsschlaf. Und das Ganze in beliebiger Reihenfolge, und dann gibt’s auch schon Abendessen und danach schnell schlafen. So verläuft ein Tag wieder anders.

    14:39 Uhr. Ich ziehe mich nach einem leckeren Omelette zurück ins Zelt. Es hat leicht dicke Tropfen zu regnen angefangen. Die Dusche steht noch aus.

    Leider hat das bedeckte Wetter doch nicht so lange angehalten, sodass ich einigermaßen nass geschwitzt aufgewacht bin (hier gibt es keine Black&Fresh Zelte, dafür aber Schaumstoff-Matratzen mit Bettlaken).

    Dann also Dusche danach! Ich habe mich auf die Terrasse zu Paula und Thomas gesellt, die sich schon eine halbe Karaffe Rotwein reingetütelt haben. Aber ich entscheide mich vorerst für die Zitronen-Brocciu-Tarte mit einem Kaffee. Später dann habe ich für uns drei doch noch eine ganze Flasche recht ordentlichen Rotwein gekauft.
    Und auf einmal: ein Blitz und im selben Moment ein Donnerschlag! Wir drei (vor allem Laura und ich) rennen panisch rein. Der Wirt lacht sich kaputt. Nachdem wir feststellen, dass wir evtl. etwas überreagiert haben, gehen wir wieder nach draußen.
    Das Wetter bleibt auch stabil. Später spielen wir „Schwimmen“ zusammen mit zwei Franzosen. Während des Essens kommt dann endlich auch Harald an. Er ist erst relativ spät gestartet und hat auch ziemlich lange gebraucht und sieht auch einigermaßen fertig aus. Aber alles gut.
    Mit dem Bus kann man die Passage übrigens gut umfahren: Er startet um 8:00 Uhr in Ascu und braucht 1,5h bis zum Ziel. Von da aus sind es noch 6km Fußweg bis zur Bergerie Vallone.

    Jetzt ist es auch schon wieder 21:05 Uhr und Zeit zu schlafen!
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