• Etappe 5 – fast ein Sonntagsspaziergang

    August 14 in France ⋅ 🌙 17 °C

    5:45 Uhr: Ich starte ganz alleine bei völliger Dunkelheit – ist auch mal ein schönes Abenteuer.
    Mein Wetterbericht funktioniert sehr gut – leider verspricht er für heute nichts Gutes und es soll schon ab 13:00 Uhr zu Gewittern kommen. Daher mache ich mich so zeitig auf den Weg.

    Die Nacht war eher wie üblich, aber ich bin auf Toilette gegangen, als ich musste, und habe auch bis auf eine kurze Zeit zwischen 11:00 und 3:00 Uhr die ganze Zeit Ohrstöpsel drin gehabt, was auch absolut notwendig war.

    Mich beeindruckt immer wieder, wie egoistisch die Leute sind und wie sehr sie nur an dich selbst denken und laut anfangen zu schnattern, sobald sie wach sind. Eine Gruppe war heute wieder unglaublich. Genauso hat mich heute auf dem Weg wieder beeindruckt wie viele Taschentücher da mitten auf dem Weg mit einem Steinchen beschwert liegen. Können die Damen denn nicht einen Schritt vom Pfad gehen, um sich zu erleichtern?

    Der Weg ist sehr angenehm, kaum Steigung. Es geht erst mal um einen Berg herum, und die Temperatur ist schon so, dass ich mein Hemd komplett aufgeknöpft habe, viel wärmer als in den anderen Jahren.

    Da wir heute immer wieder Wasserstellen passieren, habe ich nur anderthalb Liter Wasser dabei, was meinen Rucksack äußerst angenehm leicht macht.

    6:24 Uhr: Schalte meine Stirnlampe aus, selbst im Wald ist es jetzt so hell, dass man sehr gut sehen kann. Aber man muss auch immer wieder aufpassen, dass man nicht einen falschen Abzweig wählt, da es hier relativ touristisch ist und es immer mal wieder Trampelpfade zu Bademöglichkeiten etc. gibt. Zweimal wäre ich fast darauf reingefallen.

    An sich fühle ich mich körperlich fit. Nur in meinen Oberschenkeln merke ich leichte Ermüdungserscheinungen, obwohl der Weg bisher nur als äußerst angenehm zu bezeichnen ist. Es geht ja immer mal ein klein bisschen hoch und runter, aber eher in der Kategorie „schöner Waldpfad“ – für hiesige Verhältnisse zumindest.

    7:08 Uhr. Ich habe mir im Bach noch mal Wasser gefiltert und der Aufstieg beginnt. Ich bemühe mich, wie Louis es gesagt hat, nur kleine Schritte zu machen und mich an der Stufenhöhe von 17,5 cm zu orientieren.

    Mittlerweile bin ich in der Sonne, aber die Temperaturen sind noch angenehm. 2 Stunden später möchte das nicht machen.

    7:18 Uhr: Ich bin schweißgebadet. Der Anstieg hat es durchaus in sich, aber ist irgendwie auch schön!

    Ich passiere erneut einen Gebirgsbach und erfrische mich etwas – ist das herrlich. Für die ersten 3 km habe ich 1 Stunde gebraucht. Jetzt wird meine Geschwindigkeit wohl wieder zu den normalen anderthalb bis 2 km/h zurückfallen, aber dafür lohnt sich der Anstieg auch.

    7:29 Uhr: Dass ich komplett nass bin, lässt sich auch über die Temperatur erklären. Es sind mittlerweile 24°C und 60 % Luftfeuchtigkeit.

    Ich habe gerade darüber nachgedacht, dass sich meine Eltern, die sich große Sorgen um mich machen, wahrscheinlich jeden Tag im Haushalt für ihr Alter größere Gefahren aussetzen, als ich hier auf dem GR 20.

    Ich bin schon 477 m aufgestiegen und es sind noch 365, die kommen. Dafür, dass ich mein Schweißdrüsensystem auf Maximalbetrieb habe, liegt mein Puls mit knapp über 130 noch innerhalb eines sehr guten Niveaus.

    8:12 Uhr: Ich bin am Grat angekommen – war ganz schön. Zum Schluss hatte ich angenehmen Wind von hinten. Und wenn es dauerhaft etwas stinkt und der Wind von hinten kommt, liegt doch der Verdacht nahe, dass der Gestank von einem selbst kommt, oder?

    8:22 Uhr: Weiter geht's. Gerade noch kurz mit einem deutschen Vater gesprochen. Sie sind mit zwei Familien mit Kindern zwischen, ich würde sagen, acht und 14 Jahren unterwegs und alle sind voll motiviert, machen aber auch nur eine kleine Rundtour zwischen Mori und Ballone.

    9:14 Uhr: Ich mache eine kleine Erfrischungspause.

    9:38 Uhr: Ich habe eine schöne Pause gemacht, einen Snickers gegessen, meine Füße in dem eiskalten Bach gekühlt und 1 l Wasser nachgefüllt. Jetzt geht es, erfrischt, aber auch irgendwie ein bisschen müde, weiter. Kaffee wäre ganz nett gewesen…

    Schon seit über 2 Stunden kreisen meine Gedanken darum, ob man aus meinem Wetterdienst ein echtes Produkt machen kann. Also ob man daraus ein Produkt bauen kann, was es leisten können muss und vor allem auch, ob es dafür einen Markt gibt.

    Zwischendurch immer wieder der Ruf des Zaunkönig. Irgendwie auch schön vertraute Geräusche zu hören.

    10:20 Uhr: Ich überquere die erste Brücke.

    11:00 Uhr: Ich mache eine Pause in der Bergerie du Radule. Leckere korsische Pancakes. Nach 20 min geht es weiter.

    Letztes Jahr konnten wir uns gar keine Zeit für diese schöne Einkehrmöglichkeit nehmen, weil Thomas unbedingt sicherstellen wollte, dass er noch ein Hotelzimmer bekommt. Aber die Rezeption macht, glaube ich, sowieso erst um 15:00 Uhr auf, daher keine Eile für mich, auch wenn ich nur im Zelt bin.

    11:49 Uhr: Ich gehe durch den schattigen Wald und mein Außenthermometer misst 28° bei 50 % Luftfeuchtigkeit. Es fühlt sich an wie eine Sauna. Und leider steht die Luft – kein Windhauch.

    12:21 Uhr: Ich habe das Hotel und damit auch den Campingplatz erreicht. Hoffentlich bekomme ich direkt das Zelt und nicht erst ab 15:00 Uhr – wäre schön, direkt duschen zu können.

    12:37 Uhr: Oh, hab‘ ich ein Glück. Ich hab‘ gerade meinen Salat etc. bezahlt, da donnert es und jetzt fängt es auch schon an zu tröpfeln. Mein Wetterbericht funktioniert wirklich sehr gut, hab auch schon einiges an Eindruck damit gemacht.

    12:47 Uhr: Ach, doch ganz schön, dass ich das Zelt noch nicht bekommen habe. Hier ist gerade ein bisschen Weltuntergangsstimmung.
    Verdammt, sind die Blitze hell und der Donner laut. Und ist beides nah beieinander.

    Als ich hier ankam, dachte ich noch, dass es ja eigentlich ganz schön wäre, wenn es etwas bedeckt wäre, damit ich im Zelt schlafen kann. Und 2 Minuten später ist auf einmal ein Gewitter direkt über uns. Also es sah schon dunkel aus, aber…

    15:15 Uhr: Mannoman, als ich mich gerade ins Zelt gelegt habe, dachte ich noch „hoffentlich klart das nicht auf, die haben gar keine Black&Fresh Zelte und das wird sonst so heiß“. Und jetzt geht hier schon seit 20 Minuten das zweite Gewitter runter – aber vom Feinsten. Immerhin ist mein Zelt trocken. Für 60 € mehr hätte ich ein „schönes“ Hotelzimmer haben können. Irgendwie bin ich auch ein bisschen bescheuert, oder?

    15:47 Uhr: Es schüttet wie doof. Wenn ich jetzt aus dem Zelt gehe, bin ich sofort klitschnass und das spannende ist, dass es jetzt schon seit 1 Stunde gießt.
    Gerade habe ich’s nicht mehr ausgehalten: ich habe auf der Seite liegend, aus dem Zelt gepinkelt! Es war ein kleiner, akrobatischer Akt. Aber draußen steht das Wasser auf der Holzplattform und so hat sich alles direkt vermengt. Wahnsinn. Und es blitzt und donnert immer noch.

    Ich kann mich nicht erinnern, jemals solche Donnerschläge gehört zu haben. Ich habe vorhin eine Atem-Meditation gemacht und mein Puls war bei fast 100, weil ich mich ständig so dermaßen erschrocken habe.

    17:29 Uhr: Sitze jetzt endlich in der Cafeteria mit einem Stück Kuchen und Kaffee. Uff. Das war ein sehr ausgiebiges Gewitter! Total krass.

    Kurz for dem Essen kommt Harald an. Er ist während des zweiten Gewitters einfach durchgelaufen. Dieses Mal essen wir wieder das Menü, was allerdings den Scharm einer Betriebsmensa aus den achtziger Jahren hat. Naja, der Hunger treibt es rein. Aber das Essen in Ballone gestern war auch der Hammer!

    Jetzt ist es kurz nach neun und wieder Zeit zu schlafen. Morgen will ich nicht ganz so früh starten, weil das Gewitter erst für 17:00 Uhr angekündigt ist und die Etappe nicht viel mehr als 6 Stunden dauern dürfte.

    Was ich vergessen hatte zu erwähnen: heute gibt es nicht nur relativ dicke, allerdings kunststoffbezogene, Matratzen, sondern auch Kopfkissen! Was für eine Freude. Das nächste Mal nehme ich auf jeden Fall mein ultra-leichtes Daunenkopfkissen mit. Das muss ich mir unbedingt merken.

    13,2 km, 700m Anstieg. Ca. 6,5h inkl. Pausen.
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