• We did it!

    29. juni, Iran ⋅ 🌙 23 °C

    Iran (seit 28. Juni, also 2 Tage)

    Hallo liebe Liebenden, macht’s euch gemütlich und bekommt keinen Herzkasper: wir sind im Iran. Wir sind im Süden Armeniens über die Grenze, nachdem wir mit einigen Iranern und auch dem Grenzpersonal gesprochen haben, und alle gesagt haben ‚no problem!‘. Die Situation ist ruhig. Wir erleben hier so viel Unglaubliches, das müssen wir für uns aufschreiben. Wer will, mag teilhaben. Fotos und Videos gibt‘s erst später, die Internet-Verbindungen hier sind sehr - sagen wir mal - scheu.

    Aktuell sitze ich, den Strand und das kaspische Meer 50 Meter vor mir, in der Strandbar vom Dolphin Hotel in Bander Azil. Vier Sterne, der totale Luxus (für uns Zeltgewohnte), Ausblick auf‘s Meer, Klimaanlage, SITZKLO, und viele andere Annehmlichkeiten.
    Aber der Reihe nach, Geduld, Geduld!

    28.06
    Die Einreise ging erstaunlich flott, nach 90 Min standen wir im Iran. Aber noch ohne Mopedversicherung. Beim Insurance-Büro gibt‘s nur solche für Autos. Hmmmm. Aber Geld wechseln geht, ja ok, muss ja auch sein. Hadi, der hilfreiche und sehr nette Insurance-für-Motorräder-no-aber-money-change-yes-Typ fragt, wieviel ich tauschen möchte. Ich schubs’ ihm also meinen Haufen Türkische Lira auf’n Tresen, er guckt schon ‘n büschen nervös und fängt an die Dinger zu zählen.
    Sein Kommentar am Zähl-Ende: „Sorry, Mister, not so much Iranian cash here.“
    YES!!! Nie Roulette gespielt, aber hier gleich die Bank gesprengt!
    Yiiiiihhaaaa!!!
    Ganz locker aus der Hüfte schiebe ich die Bemerkung rüber: „Dann nehme ich soviel, wie dir passt“
    Cooool, gell!
    Denkste! Die Coolheit reicht nur solange, bis er mir im Gegenzug 8 cm Geld (ca. 100 €) auf den Tresen legt. Übereinander gestapelt, versteht sich, gell! Innert Millisekunden vom pensionierten Beamten zum Multimillionär!.
    Soviel zum Thema geldwerter Vorteil, muahahaaaa !!

    Wir brauchen immer noch eine Moppedversicherung.
    Millionär hin oder her, da sind die blauen Jungs hier völlig humorlos, wer keine hat und es geschieht was, bekommt erstmal Kost und Logis für lau, allerdings bei exstremst eingeschränkter Bewegungsfreiheit, bis die Finanzierung geklärt ist.
    Wollen wir das?
    Definitiv NEIN!
    Der nette Insurance-Büro-Angestellte Hadi sieht unser Problem, telefoniert mit Kollegen und organisiert die Dokumente! Aufgrund technischer Probleme (scheues Internet?) dauert das Ganze allerdings über 3 Stunden. Ist uns aber auch irgendwie wurscht, wir sitzen relativ gemütlich im Kühlen, lesen und lassen unsere nordeuropäische Ungeduld draussen in der Hitze verdunsten.

    Dann geht‘s los, Turkmenistan is calling!
    Ab nach Westen und dann rechts abbiegen Richtung Süden. Iran-Daten haben wir aufs Navi runtergeladen sowie Google-Offlinekarten und Gisi hat ja eine E-Sim für den Iran.
    Also alles rotscha in Kambodscha?

    Nö.

    Hier nix Navi und Technik und die Strasse nach Süden existiert schon mal gar nicht. Bloss weil da so’n Strich auf der Karte ist! Pfffh! Pah! Neeee neeee!
    Heisst: Reisen nach altvätern Sitte mit viel fragen, Verstand einschalten und ab und zu auch mal umkehren. (Äääh, Walter&Helene, hatte ich schon danke gesagt?)

    Es geht wunderschön dem Grenzfluss entlang und später südlich über die Berge - echt spektakulär! Die Menschen freuen sich, winken und hupen.

    Aufgrund des Krieges hat‘s aber viele Militär-, bzw. Polizeikontrollen. Wir werden am ersten Tag 5 mal bei einem Kontrollposten rausgewunken oder von Militär- oder Polizeiautos gestoppt. Eine solche Kontrolle dauert von einer Minute bis 1,5 Stunden! Wir schildern mal exemplarisch die zweite lange Kontrolle:
    Wir werden rausgewunken, stellen die Mopeds ab. Sechs grimmig guckende Männer umringen uns. Grimmig gucken ist immer Pflicht und wird wohl in der Ausbildung gelernt.
    Pass und Visa abgeben.
    Fragen nach Woher, Wohin, Warum. Da kaum jemand englisch kann (und falls doch , nur nach dem Motto: „Yes, a paar Brocke“), geht das nur langsam und mühselig mit Handy-Translator.
    „Wait“.
    Warten auf Boss.
    Wir werden mit Tee versorgt. Ein junger Uniformierter schleicht sich zu uns für ein schnelles Selfie mit Dirk.
    Nach ca. 45 Min nochmals die Fragen nach woher, wohin, warum, diesmal von neuen Leuten, die, so vermuten wir, eigens wegen uns hergekommen sind. Diesmal mit recht passablen Englischkenntnissen. Das erleichtert und beschleunigt die Prozedur! Unsere Handys und die Filmchen auf der GoPro werden auf Spionageaufnahmen gecheckt. Da is aba nix. Also erste Entspannung. Bei einem Baby-Foto auf Gisis Handy ist’s dann fertig mit dem grimmig Gucken und ein erstes Lächeln macht sich breit. Das ganze Prozedere endet in ‚my friend‘, Schulterklopfen und Handgeben mit Dirk und Entschuldigungen, warum es so lange dauerte.
    Hintergrund der vielen Kontrollen:
    Es fallen zwar seit ein paar Tagen keine Bomben mehr, aber die Lage ist noch angespannt und Ausländer sind derzeit immer der Spionage verdächtig.

    Soweit also allet jut, wa. Aba nu jeht die Sonne unter, et wird dunkel und kalt.
    Nix Hotel weit und breit.
    Gisi fragt, ob wir zelten dürfen auf der Wiese hinter dem Wachhäuschen. (Ich liebe ihre praktische Denke!) Ein WC hat‘s auch (na ja, sowas ähnliches jedenfalls…). Ja, dürfen wir und wir fangen an, unser Zeug auszupacken. Da steht einer der Ich-kann-besonders-grimmig-gucken-Beamten bei uns und versucht, was mitzuteilen. Nach einigem hä? und was-will-er, dann die Erkenntnis: Google hilf, er will uns zu sich nach Hause einladen!
    Wir nehmen das Angebot an, denn er hat immer noch unsere Pässe und zelten auf einer Schafsköttel belegten Erde neben einer Hauptstrasse gehört auch nicht zu unseren Top Five und folgen seinem Wagen. In der Stadt ist noch richtig Hoscha und viel Verkehr. Gisi hochkonzentriert (dranbleiben!), ich geniesse das Verkehrschaos - ganz nach meinem Geschmack! Es geht raus aus der Stadt, dann auf kleinen Strassen und schliesslich auf einem unbefestigten Holperweg.
    Es wird einsam, einsamer am einsamersten.
    Gulp!
    Wohin führt uns dieser Mann? Er hat noch immer unsere Pässe! Bei Gisi kriecht Angstschweiss hoch, nicht nur wegen der anspruchsvollen Offroadpiste im Dunkeln. Aber da ist schon sein Haus. Es liegt schön, toller Ausblick, aber ist das noch sowas wie ein Rohbau? Ein Zimmer mit Teppichen ausgelegt, ein kleines Schlafzimmer, Bad ohne Dusche, kein fliessend Wasser, kaum Kleider oder sonstige Gegenstände. Wohnt unser Freund da? Ist das seine Datcha? Bleibt er auch hier oder fährt er wieder weg? Bei Gisi wieder kleine Anzeichen von Angstschweiss. Das legt sich, als er uns die Pässe zurückgibt und verspricht, uns einige Dosen Oktan-Booster zu besorgen. Die Benzinqualität hier ist mies und unsere Moped-Motoren haben keine Freude an der hiesigen, fast kostenloser Plörre (rund 6 Cent/Liter). “Tanken“ und “Benzin“ ist ein Thema für sich!
    Ob wir sonst was brauchen? Was Alkoholisches vielleicht, zum Entspannen, oder ‘n bisschen Dope oder so? Wir lehnen dankend ab und legen uns zur Ruh.
    Später kommt er zurück und legt sich nicht in das Bett in der kleinen Kammer, sondern etwas entfernt auf den Teppichboden, Knarre neben sich.
    Aha. What for? Hatta Angst vor Gisi? Oder vor nem alten Sack? Mer waaaas es net, muahaaaaa.
    Kleine Anzeichen von Angstschweisse bei Gisi werden erfolgreich verdrängt.

    29.06
    Am Morgen dann herzliche Verabschiedung, Foto machen zur Erinnerung und wir fahren früh los. Einige Polizeikontrollen sind noch nicht besetzt und wir kommen gut durch mit nur zwei Stops inklusive nur ganz kurz grimmig Gucken und schnell ‚Wellcome to Iran‘ und Händeschütteln. Gisi hat, schlau wie sie ist, jetzt einen Text auf Farsi, der alle Fragen zu uns schnell beantwortet und das hilft! Viele nette Begegnungen und holprige Gespräche mit Einheimischen. Es werden mit uns Selfies gemacht, wir werden während der Fahrt gefilmt und tauchen wohl in einigen Sozialen Medien auf.

    Am späteren Nachmittag suchen wir uns am kaspischen Meer ein Hotel. Kriterien: Sitzklo (Dirk), Wlan (Gisi). Wir parken vor einem netten Hotel und werden auf Deutsch von einem Iraner begrüsst! Ali (er wohnt in Ulm) ist der Meinung, das Hotel sei schön, aber teuer. Er kenne hier alle und werde uns einen guten Preis aushandeln! Indem er uns als seine Freunde aus Deutschland präsentiert! Das Zimmer kostet nun 50 statt 75€ und bietet vollen Luxus, den wir nicht gewohnt sind mit Aussicht direkt aufs Meer! Wir sind im Glück! Sitzklo, Regendusche, Himmelbett! Aber sehr scheues Wlan.

    Ali sagt, er grillt später mit Freunden am Strand, wir sollen doch noch dazukommen. Wir genehmigen uns eine feine Pizza im Hotelrestaurant, verlieben uns in den Hotelmanager Reza und gehen später noch zu Alis Grillparty. Und da gibt‘s natürlich viiiiel Essen! Oje, das war eine richtige Einladung und kein ‚kommt kurz vorbei, wenn ihr wollt‘!

    30.06
    Heute ist nur endgeiles Abhängen im Schatten und Seele baumeln lassen angesagt.
    Alles im Lot, auf‘m Boot,
    alles in Butter, auf‘m Kutter!!
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