• Arjuanx - nach dem Kran der Kranich

    Sep 23–24, 2024 in France ⋅ ⛅ 20 °C

    Arjuzanx ist eine kleine Gemeinde mitten im Nirgendwo der Region Landes. Hier wurde Mitte des letzten Jahrhunderts unter einer 20-25 Meter mächtigen Sandschicht ein respektables
    Braunkohle-Vorkommen entdeckt. Die 5-7m dicke Schicht Lignit (auch Xylit oder Braunkohle, verkohlte pflanzliche Überreste aus dem Urmeer) wurde im Tagebau gefördert. Die staatliche Firma EDF hat von 1959 bis 1992 damit ein Wärme-Kraftwerk zur Stromproduktion betrieben - mit bis zu 600 Mitarbeitern in der Blütezeit.

    Mit dem Aufkommen der Kernenergie wurde diese Produktionsform unwirtschaftlich und das Kraftwerk 1995 schliesslich gesprengt. Dies führte zu Frankreichs grösster Industriebrache der 90iger-Jahre - und zu einem grossen Asbest-Skandal, denn das alte
    Kraftwerk war massiv asbestverseucht. 132 ehemalige Arbeiter seien chronisch krank und weitere 42 seien bereits an Asbestose verstorben. Ein langjähriger Rechtsstreit um Haftungsanerkennung brachte wenigstens eine teilweise Genugtuung. Dieses Wochenende wird ein Kunstwerk zum Gedenken an die Opfer eingeweiht.

    Szenenwechsel. Das ganze riesige Gelände ist inzwischen aufwendig renaturiert; ein grossflächiges Naturschutzgebiet mit Informationszentrum, attraktivem Freizeitgelände (und gar einem modernen Camper-Stellplatz) ist entstanden. Ein attraktives Ziel für Schul-Exkursionen.

    Der überraschendste und berühmteste Gast jedoch: Kraniche haben dieses Seengebiet für sich entdeckt, als willkommener Rastplatz auf dem Weg nach Süden - und für die Bequemeren unter ihnen gleich als Überwinterungsort. Von November bis Februar sind hier tausende Kraniche anzutreffen: nachts in den Feuchtzonen nahe der Seen an ihren Übernachtungsplätzen, tagsüber in den riesigen abgeernteten Maisfeldern der Umgebung.

    Die ganze Geschichte weckt natürlich einmal mehr meine kritischen Gedanken zum Spannungsfeld zwischen Natur und Kultur. Einmal mehr ein Beispiel, wie angebliche Innovation, verbunden mit menschlicher Selbstüberschätzung, zu äusserst kostspieligen Langzeitwirkungen führt; - und wie danach, unter dem Schlagwort der Re-Naturierung, gleich nochmals grosse Investitionen getätigt werden. Vollmundige Heils-Versprechung oder wirklich nachhaltige Lösung? Re-Naturierung durch technische Maßnahmen, geht das überhaupt? Oder ist's eher ein Widerspruch in sich?

    Manchmal wäre weniger mehr.
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