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  • Day 70

    Allein irgendwo im Nirgendwo

    March 8, 2019 in New Zealand ⋅ 🌧 8 °C

    Nachdem ich heute Mittag mein neues Zuhause für die nächsten 9 Tage in Empfang genommen habe (ein kleiner gut ausgestatteter Campervan), erreiche ich gegen 18 Uhr „Andrews Shelter“, einen kleinen Campingplatz kurz vor dem Arthur‘s Pass, welcher die Ostküste mit der Westküste verbindet. Bei der Fahrt habe ich mich heute extra beeilt und keine Pause eingelegt, um möglichst früh den Campingplatz zu erreichen. Da laut Wikicamps der Platz recht begrenzt ist und die Campingstelle durchaus beliebt, hatte ich Bedenken nachher kein Plätzchen mehr für mich zu finden. Meine Bedenken stellen sich als absolut unbegründet heraus, nur ein einzelnes weiteres einsames Auto steht auf dem abgelegenen Örtchen, ansonsten komplett verlassen. Ich suche mir ein ruhiges Plätzchen und stelle den Motor ab. „Hier bin ich jetzt, und nun?“ denke ich.

    Es hat gerade angefangen zu regnen, so dass es mich nicht wirklich aus dem Camper zieht. In meinem Außenspiegel erkenne ich, dass mein Heck bereits von einer Gruppe Bienen umkreist wird und an der Scheibe sammeln sich nach wenigen Minuten eine Horde von Sand Flies. Hier kriegen mich jetzt keine zehn Pferde nach draußen. Mit einigen Verrenkungen winde ich mich aus der Fahrerkabine nach hinten in den „Wohnbereich“, um nicht den eigentlich erforderlich Gang um den Camper herum tätigen zu müssen und Sandflies und Bienen unnötige Angriffsfläche zu bieten. Dann öffne ich erstmal die Fenster, um etwas frische Luft hereinzulassen (zumindest die mit Fliegengittern). Super, das erste Fenster ist schonmal beschädigt und lässt sich von Innen nicht mehr öffnen. Zumindest das zweite kann ich dann einen Spalt kippen und kühle Luft strömt herein. Auf der Herdplatte entdecke ich kurze Zeit später eine kleine Pfütze. Aus dem Fensterrahmen sehe ich, wie sich langsam aber stetig Tropfen bilden. „Das kann jetzt nicht wahr sein“ denke ich. Mein in die Jahre gekommene Camper ist also auch noch inkontinent!!! Für einen Moment spiele ich mit dem Gedanken, den Motor einfach wieder anzuschmeißen und bis in die nächste Stadt weiterzufahren. Ich will auf mein Handy schauen, um die Entfernung zum nächsten Ort zu prüfen. Fehlanzeige! Natürlich habe ich an diesem abgelegenen Platz auch kein Netz. Jetzt bin ich wirklich abgeschieden und allein. Ich kann noch nicht mal Susi eine Nachricht schreiben, um ihr meinen Aufenthaltsort mitzuteilen, mein Leid zu klagen und etwas Trost einzusammeln. Vor morgen Vormittag werde ich wohl keinen Empfang haben und ihr ein Lebenszeichen geben können. Ich hoffe, dass sie sich nicht zu viele Sorgen machen wird...

    Ich entscheide mich letztendlich zu bleiben. Ich wollte ja schließlich etwas Abenteuer und in den Genuss von Freedom Camping kommen, an abgelegenen Orten rasten, losgelöst vom touristischen Trubel, aus der digitalen Abhängigkeit entkommen und einfach mal Zeit fürs Nichtstun zu haben. Alle Voraussetzungen sind jetzt und hier erfüllt. Außerdem ist der Kühlschrank gut mit Leckereien gefüllt, ich habe genug Wasservorräte und es wartet später sogar eine Dose gut gekühltes Bier auf mich. Ich mache mir erstmal schöne Musik an und richte mich in meinem neuen zu Hause so gut es geht ein, verschlinge einen Schokoriegel und öffne mir eine Tüte Gummibärchen, um den Glückshormonspiegel wieder in die Höhe treiben zu lassen. Dann werfe ich mich auf meine Sitzecke und überlegen, was ich als nächstes Tun muss. Aber da ist Nichts. Ich bin einfach hier, nur ich, ohne Kontakt zur Außenwelt, ohne Internet, ohne Verpflichtungen, ohne Aufgaben. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann ich zuletzt in einer solchen Situation war. Ich schließe die Augen und lasse die Ruhe auf mich wirken...

    Add-on: Als ich mir etwas später mit meinem Gaskocher einen warmen Tee machen will, muss ich leider feststellen, dass anscheinend von der Vermietung vergessen wurde, den Gaskanister zu befüllen. Nach einem kurzen Zischen herrscht leider vollständige Stille. Wird also auch nix mit einem schönen warmen Teechen. Muss halt doch das Bierchen herhalten... 😉 (es kostet mich heute tatsächlich einiges an positivem Denken, um nicht in eine kleine Depression zu verfallen)
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