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  • Day 74

    Let's go surfing with Fur Seals

    March 12, 2019 in New Zealand ⋅ ☀️ 19 °C

    Es schüttet in Strömen. Ich würde mal sagen, ideale Vorraussetzungen, um meine Surfambitionen fortzusetzen, die ich in Australien begonnen habe. Die schlechten Witterungsbedingungen bin ich ja bereits gewohnt... Und um ehrlich zu sei, könnte ich den regnerischen Tag ja gar nicht besser nutzen. Im Meer werde ich ganz andere Sorgen haben als mich um ein paar Regentropfen zu scheren und die Strände werden schön leer sein, so dass niemand Gefahr laufen wird meinen wackeligen unkontrollierten Surfschwüngen zum Opfer zu fallen 😊 Ich habe also für heute Morgen einen dreistündigen Surfkurs in der Gruppe gebucht. Wie hat mal ein Kollege an der Uni zu mir gesagt: „Du musst immer zu den Besten gehen“. Er bezog seine Aussage damals auf die Auswahl der Professoren, aber ich nehme mir den Rat heute auch bei meinem Surftraining zu Herzen. Und so habe ich heute die Ehre, eine Surfstunde bei einer Surfikone Neuseelands zu erhalten: Mark Perana surft seit 44 Jahren, war selbst schon Landesmeister, hat die Nationalmannschaft Neuseelands trainiert und sitzt heute in der Jury zahlreicher internationaler Wettbewerbe. Ich denke, einen besseren hätte ich kaum auswählen können.

    Um 10 Uhr komme ich also am ausgeschriebenen Treffpunkt am Strand von Tauranga Bay an. Noch immer regnet es heftig und ich parke auf einem verlassenen Parkplatz. Einige Minuten später fährt auch ein kleiner Van mit der Aufschrift „West Coast Surfing“ vor. Dass muss Mark sein. Ich steige frohen Mutes aus und begrüße Mark freundlich, er Anfang 60, gut gebräunt und in Topform, so dass man ihm das Alter kaum ansieht. Er scheint allerdings zunächst sichtlich überrascht: „Good morning, what can I do for you?“. Ich erkläre ihm, dass ich für heute eine Surfstunde gebucht hätte und nach kurzem Hin- und Her muss er sich eingestehen, meine Buchung übersehen zu haben. Aber kein Problem, er verbringt sowieso den Großteil seines Tages am Meer und steht natürlich auch spontan für den Unterricht zur Verfügung. Da niemand weiteres für heute gebucht hat, komme ich auch in den Genuss eines ganz persönlichen Coachings. Könnte kaum besser laufen... 😊 Ich spüre schnell, dass Mark Trainer aus Leidenschaft ist und Surfen seine Berufung darstellt. Er nimmt sich viel Zeit mir alle Tricks ganz genau zu erklären, gibt mir sorgfältige Sicherheitsunterweisungen und beantwortet geduldig meine Fragen. Dann geht es auch schon los in die Wellen, ich bekomme die Lage der Strömungen gut gezeigt und erfahre, in welchem Bereich ich gefahrlos surfen kann. Ein absoluter Unterschied zum lausigen Surfunterricht der Sunny Boys am Bondi Beach in Australien.

    Schließlich wird es ernst. Immer und immer wieder lege ich mich aufs Brett, beobachte die heranrauschende Welle, fange an mit den Armen zu paddeln, nehme Fahrt auf, versuche mich aufzurichten und... kippe vom Bord und schlucke salziges Meerwaser. Dabei mache ich wohl die lustigsten Verrenkungen und meine Beine und Hüfte wackeln wie eine watschelnde Ente. Mark hat sichtbar Spaß, meine unbeholfenen Bewegungen zu beobachten und muss immer wieder laut lachen. Aber er hat gleichzeitig auch immer den richtigen Blick für meine Fehler und gibt mir wertvolle Tipps, die ich so gut es geht versuche direkt umzusetzen. Dabei ist er unglaublich motivierend, lobt mich für jede Sekunde, die ich mich auf dem Surfbrett halte und gibt mir nie das Gefühl, dass ich wahrscheinlich ein hoffnungsloser Fall bin... Und tatsächlich schaffe ich es das ein oder andere Mal tatsächlich aufrecht auf dem Brett zu stehen und einige Meter über die Wellen zu surfen. Ich klopfe mir stolz auf die Brust 😉 Mark und ich haben eine Menge Spaß zusammen und die Zeit vergeht wie im Fluge. Nach drei Stunden lässt mich Mark dann alleine und gibt mir noch etwas Zeit, selbst in den einsamen Wellen zu üben. Komisches Gefühl so alleine am Strand und in den tosenden Wellen. Dennoch bin ich motiviert und verdränge meine Bedenken. „Einmal noch raus, einmal noch aufs Brett legen, einmal schaffe ich es noch aufzustehen“ denke ich. Doch meine Kräfte schwinden allmählich, bereits jetzt spüre ich den Muskelkater in Schultern und Rücken (am nächsten Tag macht er sich dann so richtig bemerkbar 😩).

    Ich bringe meinen Wetsuit und Surfbrett zurück zum Surfer Van und Mark und ich plaudern noch eine Weile. Er erzählt mir, wie er im Alter von 16 Jahren mit dem surfen begonnen hat, in einer Phase seines Lebens, in denen er in einer Gang zu Hause war und die Zeit größtenteils damit verbrachte, um die Häuser zu ziehen, sich zu schlagen und Alkohol zu trinken. Surfen hat ihm in dieser Phase einen Sinn gegeben und Struktur in sein Leben gebracht. Eine echte Erfolgsstory also. Und die Frauen hätten vielmehr Augen für die gutaussehenden Surfer gekappt als für die schlagende, saufende Bande... 😉 Heute verbringt er jeden Tag mit dem was er liebt... die Wellen an der Westküste schlagen 365 Tage im Jahr. Für ihn somit der ideale Ort zu leben auch wenn er an der Ostküste deutlich mehr Geschäft machen könnte. Aber „Business“ ist halt nicht das einzige was im Leben zählt und er wirkt sichtlich ausgeglichen und zufrieden.

    Beiläufig erwähnt Mark dann am Schluss noch, dass hier an der Küste auch einige Haie unterwegs seien. Allerdings habe er in den 21 Jahren, die er nun hier lebt, nur ein einziges Mal eine Naherfahrung mit einem Hai machen müssen. Denn glücklicherweise befindet sich am Kliff am Ende des langen Strandes eine Seelöwen-Kolonie. Die Haie wüßten das und ziehen daher in der Regel zielstrebig am Strand vorbei, vorbei an mageren Surfern und hin zu deutlich schmackhafteren und fetteren Leckerbissen. Ich verabschiede mich von Mark und nutze die Gelegenheit meinen „Lebensrettern“ einen kleinen Besuch abzustatten. Wie es der Zufall so will, ist die Seelöwen Kolonie am Tarangau Bay eine der besten Möglichkeiten in Neuseeland, um ohne großen Aufwand Seelöwen zu beobachten. Das lasse ich mir doch nicht entgehen, schließlich hatten wir selbst in Australien nicht die Gelegenheit bekommen, Seelöwen zu sehen. Hinauf auf die Anhöhe des Kliffs erreiche ich ein paar Minuten später eine Aussichtsplattform von der man direkt ans steinige Ufer blicken kann, an der die Seelöwen ihren Alltag verbringen. Einige von ihnen liegen faul und vollkommen relaxed auf den Steinen, andere genießen die Abkühlung in den rauhen Wellen und zeigen sich sichtlich verspielt. Ein paar Seelöwenbabys watscheln unbeholfen über die Felsen, um schließlich bei ihrer Mama ihre Nahrungsaufnahme zu beginnen. Wie immer, ist es ein besonderes Erlebnis, dieses Treiben in der freien Natur und nicht in einem heimischen Zoo zu erleben. Und zum Glück scheinen am heutigen Tage die Seelöwen auch von Haiattacken verschont zu bleiben... 🙂
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