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  • Day 128

    Spieglein, Spieglein an der Wand...

    May 5, 2019 in Bolivia ⋅ ⛅ 13 °C

    Es gibt Orte auf dieser Welt, von denen man schon hunderte Fotos gesehen hat und bei denen es dann doch einem die Sprache verschlägt, wenn man sie mit eigenen Augen sieht. Es ist knapp 6 Uhr morgens, ich stehe barfuß in einige Zentimeter tiefen eiskalten Salzwasser, am Horizont drücken sich die ersten Sonnenstrahlen durch den dunklen Himmel und erzeugen ein bizarres Farbenspiel. Ich gehe einige Schritte, wate durch das Wasser versuche mich zu orientieren. Fast verliere ich das Gefühl, wo oben und unten ist, denn der Himmel mit seinen zerrupften Wolken spiegelt sich nahezu perfekt im seichten Salzwasser und verschleiert den Horizont. Es ist als stehe ich auf der Oberfläche eines Ozeans, in dem es absolut keinen Wellengang gibt. Um mich herum Stille, nur ein leises Flüstern, sonst Sprachlosigkeit und Ehrfurcht. Maximal ein leises Stöhnen ist hin und wieder zu vernehmen, weil das eiskalte Wasser einen tiefen Schmerz an den Füßen erzeugt.

    Ich befinde mich an einem der wohl unwirklichsten Orte dieser Welt in der weiten Salzwüste der Salar de Uyuni, welche sich über eine Fläche von knapp 10000 Quadratkilometer erstreckt. Eine endlose Weite aus strahlend weißem Salz. Nur schwach lässt sich am Horizont die umliegende Hügellandschaft erkennen, welche in knapp 50 km Entfernung liegt. Während der Regenzeit von Dezember bis Februar staut sich auf der Oberfläche der Salzwüste einige Zentimeter hoch Regenwasser und erzeugt einen nahezu perfekten Spiegeleffekt des Himmels. Die Chinesen scheinen die Salzwüste wohl auch gar nicht unter dem Namen „Salar de Uyuni“ sondern nur unter der Bezeichnung „Mirror of the Sky“ zu kennen. Wir haben Glück und sind praktisch zur besten Jahreszeit in der Salzwüste, denn das angestaute Wasser verdunstet in den Folgemonaten und ab etwa Mitte Mai ist die Salzwüste wieder komplett ausgetrocknet und zeigt sich dann in einer ebenfalls beeindruckenden endlosen weißen Landschaft. Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es sowohl Bereiche der Salzwüste, die noch Wasser tragen, wie auch Bereiche, die bereits ausgetrocknet sind. Dadurch können wir im Laufe des Tages heute beide Landschaften bestaunen.

    Wir beziehen Stellung, nehmen unsere Posen ein und warten auf das Kommando von Magic Mike, der ein beeindruckendes Video von unserer Gruppe machen möchte. Langsam umrundet uns Mike mit seinem Jeep in einem großen Radius, während wir in unseren Posen verharren. Dann kommt das Kommando und wir wechseln schlagartig unsere Posen. Viermal umrundet uns Mike, minutenlang stehen wir im eiskalten Wasser, ertragen Schmerzen, fluchen. Was tut man nicht alles für ein tolles Video? Aber das Ergebnis ist beeindruckend. Im Zeitraffer wirkt die Szenerie wie eine moderne Computeranimation, absolut beeindruckend. Ich lege meine Hand dafür ins Feuer, dass hier nichts nachträglich bearbeitet wurde 😊

    Wir flüchten so schnell es geht wieder in den Jeep und versuchen das zu retten, was von unseren Füßen übrig geblieben ist. Es dauert eine gute halbe Stunde bis ich wieder alle Zehen spüre und der stechende Schmerz, als das Blut in die Füße zurückfließt, überstanden ist. Mike legt eine Modern Talking Playliste ein und wir lenken uns so gut es geht mit lauter Musik ab. Trotz Schmerzen ist die Stimmung super, denn wir alle sind noch voller Euphorie über das, was wir eben erleben durften. Unser nächster Stop ist eine kleine Insel inmitten der Salzwüste, die von abertausenden Kakteen besiedelt ist. Wenn man denkt, der Anblick könnte nicht noch unwirklicher werden, dann wird noch einer draufgesetzt. Während Mike unser Frühstück vorbereitet (mittlerweile ist es so etwa 8 Uhr), erkunden wir auf einem kleinen Rundweg die Insel und Freunden uns mit den stacheligen Gewächsen an.

    Gestärkt durch Müsli, Kuchen und Coca-Tee machen wir uns auf die nächste Etappe unserer heutigen Tour. Wir stoppen in einem weiten ausgetrockneten Bereich der Salzwüste, um lustige Fotos und Videos aufzunehmen. Denn durch die absolut flache gleichmäßig weiche Ebene, verliert man jegliches Gefühl für Größe und Entfernung. Bei richtig gewählter Perspektive lassen sich hierdurch sehr witzige Effekte erzielen. Magic Mike beweist sich als erfahrenen Regisseur, gibt uns Tips, dirigiert, filmt selbst, so dass wir ein paar großartige Aufnahmen in den Kasten bekommen und jede Menge Spaß haben. Super ist auch, dass wir absolut alleine in unserem Bereich sind und echte Einsamkeit spüren können. Denn obwohl die Salzwüste sicherlich die Touristenattraktion Nummer 1 ist, verteilen sich alle Touren wunderbar in der weiten Wüste.

    Unsere Tour neigt sich dem Ende und nach einem leckeren Mittagessen machen wir uns auf den Weg nach Uyuni, wo sich unsere Gruppe wieder trennen wird. Einen letzten Stop legen wir noch an dem „Train Cementery“ ein, einem Friedhof für alte Züge, der inzwischen eine weitere Touristenattraktion geworden ist und sich ideal für ein weiteres kleines Foto-Shooting eignet. Danach heißt es Abschied nehmen, Abschied nehmen von Magic Mike, Abschied nehmen von meiner Gruppe, die ich in den letzten tagen lieb gewonnen habe und die jetzt leider wieder ihre eigenen Wege gehen müssen. Wir werden in Kontakt bleiben und uns mit Sicherheit nochmal auf dieser Reise oder auf zukünftigen Reisen wiedersehen. Denn so groß unsere Welt auch ist, so überraschend ist es doch, dass man sich irgendwie doch immer wieder an den unterschiedlichsten Orten begegnet.

    Die letzten drei Tage waren intensiv, kurzweilig, spaßig und beeindruckend. Die knapp 200 Dollar für die Tour mehr als gut investiertes Geld für mit Sicherheit prägende und bleibende Erinnerungen. Am Abend setze ich mich schließlich in den Nachtbus nach La Paz. Meine Reise geht nun erstmal wieder alleine weiter...
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