Greece
Kókkina Louriá

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Travelers at this place
    • Day 66

      Olivenöl fließt durch unsere Adern

      November 1, 2023 in Greece ⋅ ⛅ 22 °C

      Vor unserer Abreise in Deutschland wurden wir oft gefragt, wohin wir eigentlich radeln wollen. Um ehrlich zu sein, wussten wir es selbst nicht so wirklich. Irgendwann hatte Luzi schließlich die Idee "Komm, lass uns nach Kalamata fahren!". Daraus formte sich nach und nach die Idee zur Olivenernte zu radeln.

      Und da sind wir nun. Angekommen in der Region, von der die berühmten Kalamata Oliven ihren Namen haben. Wir bleiben nicht in der Stadt, sondern fahren in zwei Etappen mit vielen Höhenmetern auf aussichtsreichen Straßen zwischen dem Taygetos Massiv und dem Mittelmeer bis in den Küstenort Gythio. Hier sind wir mit Filio verabredet. Über eine Plattform (workaway), auf der man weltweit Jobs gegen Kost und Logis finden kann, haben wir uns schon von Italien aus bei ihr „beworben“, um einen Platz als Erntehelferin zu bekommen, um viel Wissenswertes über Oliven zu erfahren – und, was ich als sehr gewinnbringend empfinde, in das Alltagsleben der Menschen einzutauchen. Später verrät uns Filio, warum sie uns unter so vielen Anfragen ausgesucht hat: „Zwei Frauen, die Rad fahren sind keine Girly-Girlies!“ Sie braucht Leute, die kräftig mitanfassen. Mit den Rädern auf der Ladefläche des klapprigen Toyota Pickups, der mit 433 000 Kilometern noch seinen Dienst tut, geht es im Dunkeln in ein kleines Bergdorf mitten in Lakonien, das zur Region Mani gehört. Filios Mutter erwartet uns schon mit einem leckeren Abendessen. Für die nächsten zweieinhalb Wochen wohnen wir im Appartment im Obergeschoss, essen in der kleinen Küche und sitzen zusammen im Wohnzimmer, wenn Dorfbewohner:innen, Filios Tochter mit der Enkelin sowie ihre Schwester zu Besuch sind.

      Am nächsten Morgen staunen wir über die grandiose Landschaft und die Aussicht von unserer Terrasse, die unser Lieblingsplatz für den ersten Kaffee zum Sonnenaufgang und das morgendliche Yoga wird. Dann geht’s über eine holprige Piste zum Olivenhain. Die ersten Tage genießen wir die idyllische Lage mit Blick auf den höchsten Gipfel der Peloponnes. Erst einmal aber flicken wir mit Nadel und Faden die Löcher in den Netzen – eine entspannte Arbeit bevor wir die eigentliche Ernte starten. Die hohen Terrassen mit insgesamt 500 Bäumen reichen bis zu einem Fluss, der zum Abkühlen einlädt. Die Olivenbäume haben nur ein Drittel der möglichen Früchte – kein gutes Jahr mit wenig Ertrag, so viel ist jetzt schon klar.

      Im Dorf wird unser Dreigespann ein wenig belächelt, denn eine Ernte ohne männliche Helfer, ist für viele undenkbar. Filio ist eine Rebellin, die oft genau das Gegenteil von dem macht, was erwartet wird, um zu beweisen, dass es geht. Und so beginnen wir die zugegebenermaßen schwere Arbeit im Frauenteam. Die reparierten Netze ziehen wir unter die Bäume, wo sie lückenlos ausgelegt werden müssen. Dann kommt die sogenannte Lanara zum Einsatz: Eine Teleskopstange mit dünnen Stäben, die sich mittels Stroms aus einer Autobatterie hin-und-her bewegen. Wie mit einem Kamm ziehe ich das Gerät durch jeden Ast und es regnet Oliven auf mich und die Netze. Geräuscharmes Olivenpflücken gehört somit größtenteils der Vergangenheit an. Dann füllen wir die vielfarbigen Früchte in Jutesäcke und schleppen sie auf die Ladefläche des Pick-ups. Wir schwitzen in der Hitze, wie wenn wir einen Pass erklimmen und werden so schmutzig, wie vielleicht seit Kindheitstagen nicht mehr – Gartenarbeit ist nix dagegen.

      Wenn wir müde sind, machen wir eine Pause und so erfahren wir viel über Filios Vergangenheit, als ihr Vater noch die Olivenernte organisierte und alle herumscheuchte. Die Mutter, die damals wie heute für das Essen gesorgt hat, half im Hain bei der Ernte, zuhause übernahm sie dann wieder mit den Töchtern Abwasch, Kochen, Wäsche, um schließlich auch noch die Olivensäcke zur Mühle zu fahren – während die Männer abends bei einem griechischen Mokka und Tsipouro (Grappa) zusammensaßen.

      Nach drei Tagen ist es soweit: die Amazonen (das ist der Name unseres Teams) haben genug geerntet, um sie zur Ölmühle zu fahren. Ich verschweige hier nicht, dass tatsächlich an einem Tag auch ein Mann mitangepackt hat. Ein Bekannter von Filio hat seine Bienenstöcke im Olivenhain aufgestellt und es war klug, ihn um die Kästen herum ernten und die schweren Säcke schleppen zu lassen.

      In der Ölmühle wird ohne Zusatzstoffe Olivenöl von den Bio-Früchten gewonnen. Und dann bringt Filio die ersten 115 Liter mit nach Hause – dafür mussten wir 600 Kilogramm Oliven ernten. Wie schmeckt der neue Jahrgang? Eine große Karaffe mit Öl aus dem Blechkanister steht zusammen mit Brot bereit zum Probieren. Man kann Olivenöl wie Wein degustieren und wir lernen, dass richtig gutes Öl im Abgang im Hals kribbeln muss. Es ist ein ganz besonderer Moment für uns und die ganze Familie. Die Farbe des Öls ist fast giftgrün, da ungefiltert. Schon der Geruch ist fantastisch. Wir nehmen einen Happen Brot und dippen es ins Olivenöl. Es kitzelt heftig im Hals und wir schmecken die fruchtigen und teils scharfen Aromen. Alle sind sehr zufrieden. Das Öl ist essenziell und ein Allrounder für die Familie. Es wird in Mengen verzehrt, vercremt, zum Abschminken benutzt - auch das Hundefutter wird mit einem guten Schuss verfeinert.

      Wir freuen uns, dass unser Team nach einer Woche Verstärkung bekommt: mit Sanne aus Deutschland, Matteo aus Italien und Filios Sohn Niko, der aus Athen anreist, kommen wir schon deutlich schneller voran und Männer haben einfach mehr Kraft für die schweren Arbeiten. Wir lachen viel und die Arbeit macht mit all den interessanten Menschen richtig Spaß, so dass die Zeit fliegt.

      Nach zweieinhalb Wochen sagen wir schweren Herzens Tschüss. Die Gastfreundschaft, die wir hier erlebt haben, ist unbeschreiblich. Wir werden wie ein Teil der Familie gesehen. Filio bringt uns mit dem Truck zur Passhöhe, von wo es per Bike hoppelig bergab mit je 1,5 Litern Olivenöl im Gepäck hinüber an die Westküste geht. Wir verbringen zwei weitere Wochen in Messenien bei Claire und Alexandros, einem jungen französisch-griechischen Paar, das im November und Dezember ebenfalls zusammen mit Freiwilligen die Ernte durchführt. Auch hier tolle Menschen, aber schwere Arbeit und lange Tage teils bis zum Sonnenuntergang über dem Meer. Damit tragen sie, wie alle Kleinbauern in Mani, zum Erhalt dieser Kulturlandschaft bei, in einer Gegend, wo mehr Menschen sterben als geboren werden.

      Wir lernen so viel über dieses Grundnahrungsmittel, das wohl Jede:r im Küchenschrank stehen hat. Leider hören wir auch, wie die großen Player Öle verschiedener Qualität und Sorte mangels Transparenz durch die EU-Gesetzgebung, legal mischen und in den Supermärkten verkaufen dürfen. Ein Kribbeln dürfte wohl in keinem dieser Öle zu spüren sein, vom Geschmack ganz zu schweigen. Olivenöl zählt in Maßen genossen zur gesunden mediterranen Ernährung. Ich werde in Zukunft noch mehr darauf achten, welches Öl ich kaufe. Extra Virgin und Bio muss es auf jeden Fall sein, auch wenn das teurer ist. Am besten auch ein Öl, das mit dem Namen des Herstellers versehen ist. Gute Kontakte zu den Produzenten haben wir jetzt auf jeden Fall, mal sehen wie wir das Öl nach Deutschland bringen können - vielleicht ja auch in größeren Mengen.
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    You might also know this place by the following names:

    Kókkina Louriá, Kokkina Louria, Κόκκινα Λουριά

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