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  • Day 17

    Rote Rosen

    May 7, 2019 in France ⋅ 14 °C

    T5, Tag 17, WT 13:
    Limoges-Châlus, 35,6 km, H690, A600, reine Gehzeit 9:45, Dienstag, 7.5.2019

    Frühstück bei Kaiserwetter, da schmelzen die heutigen gut fünfunddreißig Kilometer doch schon fast von allein dahin.
    Wir waren gut erholt (Man wird ja bescheiden) und unsere „Optimismus-Tanks“ schon fast wieder vollständig hergestellt.

    Wir starteten diese erneute Monsterdistanz zwar mit Respekt, dafür aber siegessicher in Richtung Südwesten.
    Unser Weg führte uns, mehr oder weniger, wieder einmal der „La Vienne“ entlang die wir nach gut sieben Kilometern ein letztes Mal über eine Brücke auf das Südufer, in der Hoffnung damit auch die Autos zurückzulassen, querten.

    Nach gut neun Kilometern verließen wir die „Rue de Lestrade“ rechts nach „Chez Picat“ wo uns gleich hinter dem Kaff wieder einmal eine meiner absoluten Lieblingsstraßen erwartete, klein, asphaltiert, keine Autos und schöne Natur, die sich im weiteren Verlauf in weites Ackerland wandelte.

    Mit dem zwölften Kilometer betraten wir eine Handvoll alter Häuser, namens „Nouailhas“, und obwohl die alten, vermutlich ehemals landwirtschaftlichen Gebäude alle recht dicht zueinanderstanden, gab es auch hier keine Menschen. Wo waren die nur alle?

    Gleich an einem der ersten alten Häuser fiel uns eine pompös- und über und über mit roten Blüten gekrönte Hausfassade auf. Es war eine rote, zart duftende Rose mit riesigen Blüten die wir bis dahin in einer solchen Größe, Farbe und Schönheit noch nie gesehen hatten. Dazu muss man wissen, dass Marions absolute Lieblingspflanzen Rosen und Kamelien sind, in unserem Garten Ihre Babys, so zu sagen. Wir waren Beide echt von den Socken über so viel verschwenderische Blütenpracht. So etwas entdeckt man vermutlich einmal mehr nur als Wanderer. Die Rose musste auf Grund ihrer Größe uralt gewesen sein.

    Ein alter Brunnen, direkt daneben, vor der wärmenden Hauswand, bot Gelegenheit für eine kurze Rast. Wir konnten diesen Ort nicht einfach so verlassen, die Sonne schien und der Rosenstrauch hatte uns fest in den Bann gezogen, aus Marion wurde meine Rosendame. Sie ließ es sich nicht nehmen dem Strauch eine Blüte zu entreißen, um damit Ihr Haar zu schmücken, danach krönten wir unsere kleine Pause mit einem Eiweiß-Riegel.

    Nur mit eiserner Disziplin konnten wir uns dem Zauber der Rose wieder entziehen und folgten nun einem Feldweg, der wegen des überhängenden Blattwerks der begleitenden Bäume eher einem Tunnel glich, romantisch.

    Nach zweiundzwanzig Kilometern passierten wir die wenigen Häuser des absolut unbedeutenden „Flavignac“, die liebliche Landschaft öffnete sich, wurde weit und war eingebettet in sanftes Hügelland, ohne Menschen, wo sind die alle hin? Der Himmel bot einmal mehr das dazu passende, grandiose Schauspiel.
    Es wäre mühsam die einzelnen Stationen der abwechslungsreichen, sich permanent verändernden Landschaft zu beschreiben, sie war schön, aber dennoch unbedeutend.

    Mit dem vierunddreißigsten Kilometer betraten wir, bereits ziemlich am Ende mit unseren Kräften, endlich „Châlus“ dessen Eintausendsechshundert Einwohner auch hier verschwunden waren und nach weiteren Eineinhalb Kilometern standen wir vor unserer heutigen Herberge, dem Chambres d'hôtes „Au fil du temps“. Ich denke wir waren die einzigen Gäste zu dieser Jahreszeit, im Sommer sieht das vermutlich anders aus.

    Auch waren wir wieder an dem Punkt, wo jeder weitere Meter Wegstrecke bedeutender Argumente bedurft hätte, wir wären echt fertig und hatten einen riesigen Hunger. Leider machte der Gastgeber keine Anstalten uns zu fragen, ob er etwas dagegen unternehmen darf, leider.

    Mit diesem Loch im Bauch konnten wir uns leider noch nicht unserer wohlverdienten Ruhe zuwenden, wir mussten das Loch unbedingt stopfen und machten uns auf, ein geöffnetes Restaurant in Dorf zu finden. Der Hunger war ein so bedeutendes Argument.

    Wir fanden das „Le Sax'o“, beherbergt in einem uralten Gemäuer mit gigantischem, offenem Kamin. Ein großartiges Restaurant, gut besetzt von satten und zufriedenen Gästen mit einem gehobenen Alkoholspiegel zu fortgeschrittener Zeit. Wir waren vermutlich die letzten Gäste, die noch etwas zum Essen bekamen.

    Obwohl wir uns zuvor im Hotel noch „restaurierten“ und auch unsere Wanderklamotten gegen die Abendgarderobe tauschten, sah man uns auch ohne Rucksack und gut gekleidet an, dass wir irgendwie anders waren. Schnell berichteten wir den neugierigen und kommunikativen Gästen, mit gehobenem Alkoholspielgel, darunter einige Engländer, von unserem Fußmarsch von Hamburg bis hierher. Wie immer vermochte es kaum einer zu glauben oder die Leute konnte sich das einfach nicht vorstellen.

    Wir hatten einen schönen und lustigen, redseligen Restabend, bereichert mit köstlichen Speisen. Dieses Restaurant ist eine echte Empfehlung.

    Zufrieden konnten wir uns nun der wohlverdienten Ruhe zuwenden.
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