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  • Day 30

    Geradeaus

    May 20, 2019 in France ⋅ 17 °C

    T5, Tag 30, WT 25:
    Parentis-en-Born – Mimizan (29,2 km, H210, A230), reine Gehzeit 5:52, Montag, 20.5.2019

    Frank brachte uns, gut abgefüllt mit Frühstück, zurück zum gestrigen Ausgangspunkt, dem „Le Petit Bôo Guesthouse La Burle“, in „Parentis-en-Born“.
    Was bei unserem Ausstieg so in Franks Kopf wühlte war mir klar, „…die spinnen die Deutschen“. Mit dicken Bäuchen und insofern etwas knapp an Luft, machten wir uns auf den langen Weg.
    Wir hatten so gar keine Vorstellung von dem, was uns heute an Strecken-High-Lights begeistern könnte, dafür aber jede Menge an hoffentlich selbsterfüllenden Fantasien.

    Unser Startpunkt, das Tor zum Guesthouse, war Mitten im Nichts, an einer langen- und wie fast immer kaum befahrenen Straße, der „Route de la Bourle“.
    Entsprechend waren unsere Erwartungen an den Ort, den es gar nicht zu geben schien. Wir hatten zunächst etwas Schwierigkeiten unseren rechten Weg mit Komoot zu finden, wo es doch so einfach war, immer entlang der etwas öden Straße.
    Die Häuser wurden mehr, und nach gut drei Kilometern standen wir vermutlich im Zentrum von „Parentis-en-Born“.
    Es war ein eigenartiger Mix an Baustielen des Sechstausend Seelen Ortes.
    Ein Mix aus bürgerlichen Wohngebieten mit ihren gepflegten Einfamilienhäusern, einem relativ alten Ortskern, selbstverständlich mit einer alten Kirche, und einer Ausfallstraße die mit ihren flach gebauten Einkaufszentren und Geschäften wegen ihrer großzügigen Gestaltung eher an eine typisch amerikanische Kleinstadt erinnerte, nicht unangenehm. Der Ort war ambivalent, teilweise wirkte er aber auch etwas düster. Die Sonne kämpfte noch mit den Wolken, schien aber den Kampf für sich zu entscheiden.

    Unser Weg aus der Stadt, mit seinen sechstausend Nasen nur gut halb so groß wie Prien am Chiemsee (Ein wichtiger Vergleich für mich, ist ein Teil meiner Heimat), führte uns auf der „Rue Du Chateau D'eau“ am gestrigen Monster vorbei.
    Die vermeintliche Papierfabrik war gar keine, wie ich noch gestern Abend recherchierte. Es ist ein Art Chemieunternehmen namens „Chemviron“ die unter anderem Aktivkohle herstellt. Keine Ahnung wozu sie dafür diese Unmengen von Plantagenkiefern, die in riesigen Bergen sauber gestapelt die Fabrik umringen, benötigen.
    Laut Google arbeiten hier Zweihundertzwanzig Menschen.
    Der größte Witz steht allerdings auf deren Website (https://www.chemviron.eu/de/) unter dem Menüpunkt „Welt verbessern“, „Nachhaltigkeit“.
    Sehr geehrter Herr Vorstand, ich überlasse Ihnen gerne die Wanderroute unserer letzten Tage, dann können Sie sich selbst einmal von den gigantischen Nachteilen Ihrer Nachhaltigkeit überzeugen. Was halt alles so als nachhaltig zählt, ich könnte mir den Finger in den Hals stecken, aber abhaken ist besser.

    Gleich hinter dem Monster befanden wir uns wieder einmal zufällig auf irgendeinem Jakobsweg, und schon waren wir wieder im Wald.

    Mit dem elften Kilometer kamen wir wieder an einer dieser gigantischen-, bewässerten-, und kreisförmigen Anbauflächen, mit ca. einem Kilometer Durchmesser, vorbei.
    Der Weg bis dort hin war gar nicht unangenehm. Einsame Landstraßen und schöne- Wege in einer Landschaft, die mehr und mehr an die Lüneburger Heide erinnerte. Hier war es flach und weitläufig, bis zum Horizont.
    Rahul, wohnhaft in Singapur, geboren und aufgewachsen in Indien, war verständlicher Weise begeistert von der Einsamkeit hiesiger Landstraßen. Er ließ es sich nicht nehmen sich von uns, mitten darauf sitzend, ablichten zu lassen. Ein Beweisfoto für die ungläubigen Nachbarn im verwöhnten Singapur.

    Mit dem Kreis befanden wir uns plötzlich auf einem Sandweg inmitten dieser heideähnlichen Landschaft. Er ging nur geradeaus, bis zum Horizont und weit darüber, ein Lineal. Der Weg, eigentlich mehr eine breite Sandstraße, war schön, erschreckend und beängstigend zugleich, fast zehn Kilometer in einer Linie, mitten im Nichts, keine Gebäude, keine Autos, keine Menschen, einfach nichts, unglaublich einsam war es hier. Wir fühlten uns wie Winzlinge, verloren in einer Galaxie. Links und rechts endlose, prärieähnliche Graslandschaft.
    Mich faszinieren solche Einsamkeiten, eigentlich ganz mein Ding, aber irgendwann hört auch bei mir der Spaß auf, nämlich dann, wenn man nach weiteren sieben Kilometern immer noch eine gerade Sandstraße bis zum Horizont sieht, ohne einen greifbaren Anhaltspunkt fürs Auge. Marion hatte die Lust an diesem Superlativ ohnehin schon weit vor mir verloren. Da halfen nur noch Lieder, Witze und Stories, aber auch diese erschöpften sich, wir legten uns ins Gras, einsame Pause.

    Die Sonne hatte mittlerweile den Kampf für sich entschieden und bescherte uns angenehme Temperaturen.
    Am Ende des Lineals gab es wenigstens einige große Kiefern zu sehen, Vorboten eines weitläufigen und lichten Kiefernwaldes, diesmal natürlich und groß gewachsen. Einsam auf dem sandigen Weg war es aber weiterhin, erst mit dem zwanzigsten Kilometer hat sich auch die Einsamkeit verabschiedet, es war übrigens immer noch der Jakobsweg.
    Der Ort „Saint-Paul-en-Born“ mit seinen neunhundert Bürgern stellte so etwas wie die rettende Insel der Schiffsbrüchigen für dar. Unsere Augen krallten sich an der gebotenen Abwechslung fest, endlich, sie erholten sich von der Monotonie.

    Etliche Kilometer später kündigte sich, nach fast dreißig Kilometern, der weitläufige Rand von „Mimizan“ an. Dummerweise kamen wir auf die Idee eine von Komoot nicht akzeptierte Abkürzung zur Villa, quer über ein Feld, zu nehmen. Leider wurde auf der anderen Seite des Feldes das ganze Villenviertel mit einem unüberwindbaren Zaun vor den bösen Mitmenschen beschützt. Die vermeintliche Abkürzung bescherte uns einen Kilometer Umweg, Komoot war diesmal eindeutig schlauer.

    Nach einer phantastischen Dusche unter der wir uns des Heidesandes entledigten, und danach gespornt mit frischen Ausgeh-Klamotten plus einer Prise Parfüm, machten wir uns auch schon wieder auf dem Weg zum Strand von Mimizan, Frank war unser Chauffeur.
    Im intensiven Licht der Abendsonne standen wir am gigantischen und menschenleeren Strand, romantische Fotos schießen, von Marion und mir, wir Beide, langjährig verliebt und Stolz auf unsere bisherige Wanderung.

    Danach saßen wir schon wieder im schönen Restaurant „A Noste“, mit gigantischen Blick auf Meer, goldenem Strand und untergehender Sonne.
    Die Begrüßung war herzlich, wir waren die Exoten, keine Frage. Marion und Rahul geben sich einmal mehr dem französischen Wein hin, ich bevorzugte wie immer Cola Light. Für Rahul waren die Weinpreise hierzulande ein Schnäppchen, verglichen mit Singapur. Natürlich gab es auch leckeres für uns zu Speisen.
    Wir ließen die Strecke noch einmal lustig Revue passieren, war schon unglaublich heute, wieder einmal. Und das Beste, morgen hatten wir Urlaub, einen ganzen Tag in der schönen Villa Baccara.
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