• Lima

    20 Maret 2023, Peru ⋅ ☀️ 26 °C

    Heut morgen haben wir in Callao, dem Hafen von Lima festgemacht. Während die Gäste bereits unterwegs sind und die 11-Millionen-Stadt erkunden, beginnt der Tag für die Crew zunächst mit einem General Drill. Wie beim letzten Mal wird wieder ein Feuer mitsamt Verletzten simuliert, nur dass der Spaß diesmal nicht in den Rettungsbooten, sondern draußen auf der Pier endet, wo wir durch unsere bloße Existenz in Rettungsweste schon ganz schön ins Schwitzen kommen.

    Von individuellen Ausflügen in die Stadt wird schiffseitig nicht direkt gewarnt, es gibt aber eine lange Liste von Dingen, die man beachten und unterlassen soll, daher bin ich sehr froh, wieder einen kleinen Ausflug begleiten zu können. Zwar wäre ich gern auch mehr zu Fuß unterwegs gewesen, bekomme so aber innerhalb von wenigen Stunden und dank einer sehr urigen Führerin mit bayrischem Akzent einen guten Überblick, was diese riesige Stadt ausmacht.
    Lima war schon Hauptstadt, als sich Peru noch weit stärker entlang der Küste ausdehnte und hat sich diesen Stolz überregionaler Bedeutung erhalten. Architektonisch sieht man hier ganz viel Europa des 17./18. Jahrhunderts, Häuser im spanischen, mauretanischen und französischen Stil, die bei näherem Hingucken aber oft nur aus herausgeputzten Fassaden bestehen. Ich fühle mich ein bisschen wie an einem Filmset. Wir besichtigen ein Dominikanerkloster und ein Herrenhaus im Kolonialstil. Hier wird unfassbarer Prunk zur Schau gestellt, den sich die Kolonialherren aus Europa haben herschiffen lassen, im Austausch für Gold, Silber, Guano und andere Rohstoffe, die hier im großen Stil abgebaut wurden.
    Abgesehen davon, dass mich 300 Jahre altes Porzellan und feinst verzierte Samtstühle nicht sonderlich interessieren, ekelt mich dieser Reichtum - der ja vor allem auf der Ausbeutung der indigenen Bevölkerung fußt - ziemlich an. Ich bin froh, als wir diesen Teil des Stadtrundgangs hinter uns haben.

    Die politische Lage in Peru und damit auch ganz besonders in der Hauptstadt ist labil und brisant, der gewählte Präsident im Dezember irgendwie abgesägt worden, nun seine Stellvertreterin im Amt, die jedoch wenig Rückhalt in der Bevölkerung hat. Damit das Volk nicht etwa anfängt, seine Meinung an zentralen Plätzen der Stadt kundzutun, sind diese von Polizisten abgeriegelt. Vor Banken bilden sich lange Schlangen. Unsere Stadtführerin, eigentlich ein eher ruhiges Gemüt, schimpft wie ein Rohrspatz, als sie auf die politische Situation angesprochen wird. Hier braut sich etwas zusammen, das kann man regelrecht spüren. Regen ist es übrigens nicht, den gibt es statistisch ungefähr 20 Minuten (5mm) pro Jahr, während die Menschen nur 30km entfernt - am Fuße der Anden - immer wieder mit Starkregen, Überschwemmungen und Erdrutschen zu kämpfen haben. Ohne das Wasser aus den Bergen jedoch würde diese Stadt nicht existieren, jeder Baum, jeder Strauch muss bewässert werden. Hierfür gibt es eine eigene Behörde, die sich um nichts anderes kümmert.
    Auch abseits der klimatischen Bedingungen ist es sicherlich nicht einfach, hier zu leben. Die meisten Bewohner der Stadt sind arm bis sehr arm. Im Mittel verdient man hier umgerechnet 450 US-Dollar im Monat – und da ist natürlich auch die gutverdienende Oberschicht miteingerechnet. Ungefähr 85% der Menschen in Lima haben keine Krankenversicherung. Auch die Rate der Analphabeten ist mit 11% vergleichsweise hoch, sodass hier Buslinien unterschiedliche Farben haben, damit wirklich jeder weiß, wo sie hinfahren.

    Auf dem Rückweg zum Hafen – und auch das ist wohl typisch für Lima - stehen wir über eine Stunde im Stau, sodass ich es gerade noch schaffe, zu duschen und meinen Anzug überzuwerfen, ehe ich mich ans Klavier setzen muss. Ein spannender Tag, den ich für mich an den Tasten noch ein bisschen Revue passieren lasse.
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