• Von Spuckefäden und gefrorenen Fingern

    15. januar 2024, Finland ⋅ ☁️ -14 °C

    Vier Tagen haben wir noch, bis wir wieder ganz im Süden der Ostsee sein müssen. Und auch wenn wir bis nach Kiel noch weit über 1000 Seemeilen hinter uns bringen müssen, wird genug Zeit bleiben, ein, zweimal rechts ranzufahren. .. bzw. erstmal links, denn unser nächster Hafen liegt nochmal auf finnischer Seite.

    Den gestrigen Seetag habe ich genutzt, um Wäsche zu waschen und Reisetagebuch zu schreiben. Wir haben den Bottnischen Meerbusen und damit die geschlossene Eisdecke hinter uns gelassen und den Bottnischen Golf fast vollständig durchquert. Ich muss mich erstmal wieder dran gewöhnen, dass wir nicht mehr von Eis-Leitplanken gehalten werden, sondern frei in alle Richtungen schaukeln können.

    Verglichen mit dem, wie ich Pazifik, Atlantik und Mittelmeer kennengelernt hab, verhält sich die Ostsee heute ein bisschen bitchy. Denn während sie sich optisch recht friedlich gibt, schaukelt sie uns mit der Kombination aus kurzer Wellenlänge und ordentlich Swell willkürlich in unterschiedliche Richtungen. Nicht doll, aber gerade in meinem fensterlosen Würfel im Bauch des Schiffes fühlt sich die Unvorhersehbarkeit der nächsten Bewegung doch eher unangenehm an.

    Nun gibt’s aber erstmal wieder ein paar bewegungslose Stunden. Über der kleinen Stadt Rauma geht gerade die Sonne auf und ich nehme einen der ersten Shuttlebusse ins Stadtzentrum, da ich bereits um 11 Uhr wieder zurück an Bord sein muss für den Soundcheck der legendären (und von mir nicht sonderlich gemochten) Pølser-Party.

    Anders als in so ziemlich jedem anderen Ort in Skandinavien ist die hölzerne Innenstadt von Rauma nicht irgendwann innerhalb der letzten 300 Jahren komplett niedergebrannt, und so steht hier auf 28 Hektar das größte zusammenhängende Ensemble traditioneller Holzhäuser, vermutlich der ganzen Milchstraße.
    Ich wandle durch die verschneiten Erdstraßen, entlang der bunten Häuserzeilen. Menschen scheint es hier nicht zu geben, dafür aber immerhin einen Fuchs, der mir freundlicherweise den Weg zum nächsten Supermarkt weist, sodass ich meinen Studentenfutter-Vorrat aufstocken kann, bevor ich zurück aufs Schiff gehe.

    Die oben schon erwähnte Party findet traditionell auf dem Pooldeck statt. Auch bei -16 Grad.
    DJ Stefan hat alles übereinandergezogen, was er dabei hat und spielt zwei Stunden lang einen Sommerhit nach dem anderen, um sich ein paar warme Gedanken zu machen.
    Es ist kurz nach ein Uhr mittags und ich kann von meinem DJ-Platz aus beobachten, wie eine Hand voll Gäste sich einen Kurzen nach dem anderen reinlöten und sukzessive die sonst so feinen Manieren über Bord werfen. Es gibt gratis Schnaps, Dieter! Ja, dir gehört die halbe Innenstadt von Paderborn, aber das ist der Moment, wo du zuschlagen musst!
    Das kenn ich schon von meiner letzten Tour und kann nun die Minuten an meinen eingefrorenen Fingerkuppen abzählen, bis der/die erste fröhlich zu mir wankt - am besten noch das leergesabberte Glas auf meinem Audio-Interface abstellt - und konspirativ „Hasse auch wat von AC/DC?“ raunt, wobei die feinen Spucketröpfchen trotz eisigem Wind totsicher ihren Weg auf das Glas meines iPads finden. wo sie fortan bei jedem neuen Song durch die Gegend gewischt werden.
    Hab ich schon erwähnt, dass ich nicht so ein Fan bin von der Pølser-Party?

    Aber auch die geht vorbei, und so taue ich am frühen Nachmittag bei Kakao und Kuchen wieder auf, während sich das Schiff schon langsam wieder entlang der Kaimauer Richtung offene See bewegt.
    Es liegen abermals anderthalb Seetage vor uns, immer entlang der schwedischen Küste. Diese werden nochmal gespickt sein mit Vorträgen unserer Experten. Besonders auf den von Thomas, dem Astrophysiker, freue ich mich sehr. Mit Kopenhagen wartet noch ein Highlight, bevor es dann zurück nach Kiel geht.
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