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  • Day 264

    Im Nachtzug nach Tbilisi

    May 2, 2019 in Azerbaijan ⋅ ⛅ 21 °C

    Gamarjoba!

    Wir sind am kaspischen Meer, wir sind in Azerbaijan, wir sind in Baku..., wir sind zurück in Europa :-) Naja, fast! Aber dazu noch später...

    Auf unserem Weg nach Georgien machen wir Stop in 'Baku', der Hauptstadt von Azerbaijan. Wir sind mit dem Flieger von Kathmandu über 'Sharjah' in den Vereinigten Arabischen Emiraten in die ehemalige Sowjetrepublik geflogen um von dort mit dem Zug weiter nach Georgien zu fahren.

    Es ist für uns ja fast ein Kulturschock. Kommen wir doch gerade aus einem Land, in dem nicht einmal jedes Dorf Strom, geschweige denn eine Straßenverbindung hat. War die Passagierabfertigung in Kathmandu nah' an einer Katastrophe, werden wir hier in einem hoch modernen Flughafen empfangen. Es ist blitzsauber, sehr organisiert, es gibt vernünftige Toiletten und, wir wollen es kaum glauben, es ist ruhig!

    Um 4 Uhr in der Nacht, fallen wir in unserem herrschaftlichen Zimmer mit hohen Decken und einem, auf den zweiten Blick, mit Gas betriebenen offenen Kamin aus Sowjetzeit in unser Bett ;-) Wir sind hundemüde und schlafen erst einmal bis 9:00 Uhr aus.

    Um 20:40 Uhr soll unser Nachtzug nach 'Tiflis' (Tbilisi) abfahren. Also Zeit genug um noch etwas über die Stadt zu erfahren. So haben wir uns bei einer 'Free-Walking-Tour' angemeldet.
    Die Stadt gibt uns genau das, was wir seit Wochen etwas vermisst haben: stressfreie grüne Parkanlagen, saubere Straßen, eine tolle Promenade entlang der kaspischen See und frische Luft.

    Wir sind überrascht. 'Baku' ist eine auf den ersten Blick sehr europäisch wirkende Stadt. Auf den zweiten Blick werden wir jedoch auf den großen Einfluss der starken Nachbarn Russland und dem Iran aufmerksam gemacht, der überall in der Stadt zu sehen ist. Hier stehen Gebäude mit islamischen Stilelementen neben dominanten Betonbauten der Sowjets und alte russische Ladas fahren an uralten Moscheen vorbei.

    Unser schiitischer Stadtführer erzählt uns, dass 90% der Einwohner Moslems sind. Jedoch zeigt man sich hier auf der Straße doch eher "westlich". Jeanshose, T-Shirt und Turnschuhe prägen den Kleidungsstil. Traditionell lebt man eher hinter der heimischen Haustür der Familien: kommt beispielsweise der Sohn ins heiratsfähige Alter, geht die Mutter ins Bäderhaus um die perfekte Partnerin für ihren Sohn zu finden. Nur dort sieht man die wahre Pracht ;-) Es wird recherchiert und mit allen Tricks versucht die Eignung zu prüfen! Der Sohn braucht dabei nicht zu glauben, daß er sich gegen die Entscheidung wehren könne! So wurde die Freundin seines Cousins von der Familie nicht geduldet. Er versuchte daraufhin Druck auf seine Eltern auszuüben und brach den Kontakt zu seinen Eltern für 2 Jahre ab. Die Eltern hatten jedoch offensichtlich den längeren Atem: jetzt ist er mit einer durch die Eltern ausgewählten Frau verheiratet und hat 2 Kinder. Fragt man sie, ob sie glücklich sind, so beantworten sie dies mit einem Nein. Man respektiere sich jedoch.

    Wir erfahren sehr viel interessante Dinge über das 28 m unter dem Meeresspiegel liegende 'Baku' mit seiner Jahrhunderte alten und von einer prächtigen Stadtmauer umgebenen Altstadt. So gibt es zum Beispiel keine großen Korridore, nur regelmäßig unterbrochene Straßenzüge und schmale Gassen, damit im Sommer die oft über 40°C heißen Winde und Stürme aus der Wüste gebrochen werden. Oder, dass man sich früher vor Eintritt in die Stadt an den Toren erst Waschen musste und dass außerhalb der Innenstadt pro Tag nur 4 Stunden lang Wasser aus dem Hahn zu bekommen ist.

    Nachdem wir es uns noch mit 1l leckerem Vanilleeis aus dem Supermarkt im mit Stiefmütterchen bepflanzten 'Fountainssquare' beglückt haben (in Nepal war dies mit den stündlichen Stromausfällen für uns keine Option!), wollen wir noch etwas Lokales essen gehen und fragen unsere Gastgeber der vergangenen Nacht nach einer guten Empfehlung. Und natürlich haben sie eine super Idee parat. Kurzer Hand greift er zum Telefon und ruft einen Bekannten an, der wiederum eine ältere Frau kennt, welche die besten 'Qutab' der Stadt machen soll. Das sind dünn mit Fleisch, oder Kräutern gefüllte, leicht gesüßte Fladenbrote, auf die dann getrocknete, geraspelt Granatäpfel gestreut werden, mit Naturjoghurt bestrichen und dann zusammen gerollt werden. Das tolle ist, dass sein Freund die 'Qutabs' nicht nur uns vorbei bringt, sondern auch extra den Joghurt einkaufen geht :-)

    Begeistert und gestärkt geht es zum Bahnhof. Der hinterste Waggon des Zuges Nr. 38 ist unserer :-) Nachdem wir unsere in aserbaijanisch geschriebenen Tickets 'entziffert' haben, wird eingestiegen. Wagen Nr. 1F und Platznummern 30 und 32 sind die unseren. Wir haben die oberen der schmalen Klappliegen ergattert. Kopfhöhe 50 cm. Länge 1,70m. Während meine muffelnden Füße halb im Gang hängen, zähle ich 53 Liegen im Wagen und Ariane meint: "Hmm, ein U-Boot wäre wohl nichts für uns".

    Der nächste Spaß beginnt, als unsere stämmige, nur aserbaijanisch sprechende Zugbegleiterin uns, wie hätte es auch anders sein können, ein ebenfalls auf aserbaijanisch geschriebenes Zollformular für den georgischen Grenzübertitt zum Ausfüllen in die Hand drückt!

    Wir rumpeln mit unserem Zug bei offenen Fenstern durch die Nacht. "Pass auf, daß du keinen Zug bekommst ;-)", bis wir gegen 5 Uhr in der Früh etwa 5 km vor der georgischen Grenze in einem Dorf namens 'Beyuk-Kyasikv' halten. Die Ausreiseformalitäten werden erledigt: alle Pässe der Reisenden eingesammelt und ein kleines Büro am Ende des Waggons eingerichtet. Während des etwa 1-stündigen Prozederes ist unser Zug von Beamten umstellt! Hmm, ob die Angst haben, dass wir uns auf und davon machen?! Im Leben nicht ;-) Gleiches Prozedere bei der Einreise 5 km nach der Grenze, nur daß es diesmal ganze 2 1/2 Stunden dauert. Ja, die Georgier scheinen ein geduldiges und stressfreies Völkchen zu sein.

    Willkommen in Geogien!

    Ariane & Marco
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