• RauchWirdDeinenKopfAuslösen...

    August 17, 2019 in China ⋅ ⛅ 30 °C

    ...oder: Lost in Translation - almost.

    Um 8:20 Uhr landen wir sanft in Beijing.
    Jeder von uns hat ca zweieinhalb Stunden geschlafen, das muss reichen für Heute.
    Flughafenroutine. Unser erster Weg führt uns
    zur Immigration, nachdem von allen Fingern die Fingerabdrücke gescannt wurden, schlüpfen wir elegant durch die Pass- und Visakontrollen. Willkommen in China!

    Unser Gepäck ist diesmal ganz vorne dabei.
    Das ist so niedlich: drei schlaffe 60 Liter Rucksäcke, mit schlappen 6 Kilo Gewicht und einer mit knapp zehn Kilo. So leicht sind wir noch nie gereist, als Handgepäck wäre das eigentlich locker durchgegangen. Schauen wir mal, was Souvenirs dann so wiegen bei der Abreise...

    Dann, Geld muss her! Ich entschließe mich gleich einen größeren Betrag am Flughafen zu tauschen, der Wechselkurs ist definitv eine Frechheit. Die Fee beträgt knappe zehn Prozent! So viel sei hier schon verraten: es wird auch „draussen’ nicht mehr günstiger, die Prozedur wird nur noch aufwändiger. Also könnte man rein theoretisch getrost seine gesamte Barschaft schon am Flughafen tauschen.

    Weiter geht die Routine mit Sim-Karten kaufen. China mobile ist die Wahl, 20 GB Data und Telefon, 20 Tage gültig, 13 €, das ist OK.
    Klick-klack, passt und läuft.
    Wenn man sich mit Reisen in China beschäftigt, erfährt man schnell, dass die Great Firewall of China die meisten unserer Apps und Webseiten nicht funktionieren lässt. VPN heisst hier die Zaubertüte. Wir haben dieses virtuelle Hintertürchen auf Anraten diverser Chinablogger schon Zuhause installiert, im Lande angekommen, keine Chance. Welches VPN nicht schon von der Chinesischen Regierung geknackt wurde und welche aktuell funktionieren sollten, dazu gag es Foren im Netz mit relativ aktuellen Informationen.
    Ich habe zwei Apps auf meinen Mobiles, eine geht, die andere nicht, witziger Weise funktioniert das VPN, das nichts kostet. Kann sich aber alles wieder ändern. Auf jeden Fall, wir sind online, mit verwischten Spuren über irgendwelche Server dieser Netzwelt, vorbei an der Firewall. Und online fühlt sich einfach gut an.

    Jetzt wollnwa noch Nachhause, ins gelobte Spring Time Hostel, das uns bis dato nicht rauswerfen musste. Seltsam, aber wahr, Gottseidank. Man wird ja bescheiden.
    Wir sind nicht wach und geduldig genug für Ubahn Gepuzzle bis zum Hostel, ein andermal. Bei einem offiziellen Taxicounter bekommen wir unseren Transfer in einem Van für stolze 36€ verpasst, andererseits, ein bezahlbarer Luxus, gönnen wir uns.

    Und jetzt, jetzt ist der Augenblick, in dem wir die Airconditionwelt der Flughäfen verlassen und unsere erste Planetpekingluft schnuppern...
    Auch auf diesem Planeten gibt es eine Sonne, wie bei uns, es hat angenehme mitte Zwanzig Grad, die Atmosphäre verfügt über einen gewissen Sauerstoffgehalt und ist durchaus atembar, die Feuchte der Athmosphäre: unfeucht, die fremde Spezies nicht unbedingt freundlich, aber sie lässt uns in Ruhe. Kommunikation zero. Die Frisur hält.

    Wir übergeben dem uns zugewiesenen Navigator ein Kärtchen mit seltsamen, aber hübschen Schriftzeichen drauf von unserem Habitat-Agenten, worauf der sogleich die Maschinen startet und uns in seine Galaxie chauffiert. Der Booking-dot-com-Trick hat funktioniert. Es beschallen uns zu unserem Transit fremdartige, hochfrequente Gesänge zu sehr eiernder Instrumentalisierung. Sind wir vorhin über Kamtschatka vielleicht doch falsch abgebogen... Tatooïne?
    Zu diesem Soundtrack blicken wir aus den Fenstern und versuchen uns ein erstes Bild von der neuen Welt zu machen. Grau, stapelweise Wohneinheiten in beängstigenden Stapelarten, in die Breite, nach Oben, rechtwinklig, wie Inseln in einem Meer von Planquadraten. Die haben wir aus unserem Fluggerät schon wahrgenommen.

    Stau, Grau, Lampions, müde, wach, brems, wir sind da. Der Taxifahrer weiss nicht wirklich, wo sich unser Hostel versteckt, aber es muss hier irgendwo sein, fuchtelt er uns, und schwupps stehen wir da mit großen Augen, vor einer Metrostation. MapsMe sagt: Ja, der Mann hat schon richtig gefuchtelt, ist richtig hier, Dongsi Station.
    Die Rucksäcke geschultert marschieren wir auf hypnotisierende riesige rote Schriftzeichen los, die etwas weiter nach hinten versetzt von einem Gebäude herunter leuchten. Baulärm und Presslufthammer werden hinter einer Glastür leiser, auf der ein vielversprechender Aufkleber mit Spring Time Hostel klebt. Innen sieht es aus wie ein Hostel, es sitzen Menschen rum, die aussehen wie Gäste von einem Hostel und hinterm Tresen sitzt einer, der herumkruschtelt wie ein Rezeptionist von einem Hostel, wir sind da. Äähhhm, English? Nope. Also, wir wären jetzt da...
    Tipp tipp tipp, bitte lesen:
    Die Zimmer sind noch nicht fertig.
    Gesicht: Oh.
    Ja, ähmm, klar, erstmal der Reisepass... Check in...
    Tipp tipp tipp: macht Viertausendirgendwas Yuan, cash.
    Gesicht: Oh, Mist, ich hab zu wenig umgetauscht.
    Tipp tipp tipp: Wo ist hier bitte ein Bank?
    Kann ich erstmal 1000 Yuan anzahlen?
    Tipp tipp tipp: ok
    Nochmal tipp tipp tipp: In einer Stunde ist das Zimmer fertig.
    Blick in eine Runde hungrig knurrender Augen...
    Tipp tipp tipp: ok, wir gehen was Essen. Bis in einer Stunde.
    Tipp tipp tipp: Stellt euer Gepäck solange im Büro ab.
    Handzeichen für Ok, zweimal Lächeln, und Abgang.

    Halbzwölf ist es ungefähr.
    Wunder der Kommunikation, ich kann nämlich seit zehn Sekunden traditionelles Chinesisch, Wunder der Technik: Ich bin so dermaßen vom Googleübersetzer begeistert, sage ich euch. DeutschChinesischDeutsch, es funktioniert und das auch noch offline! Bäm. Ein großes Fragezeichen, das die letzten Wochen über meinem Kopf geschwebt hatte, hat sich mit diesem Moment in große Erleichterung aufgelöst. Was habe ich nicht immer wieder und so oft über die äusserst schwierige Kommunikation in China gelesen, puff, weg, geht doch!

    Voll informiert und überdreht-beschwingt steuern wir auf die erstbeste Fassade zu, die nach Restaurant aussieht. Rustikale Holzbalkenverkleidung aussen, rote Laternen, winkende Buddhas, großer Eingang - rein.
    Es ist ein Restaurant.
    Im Eingangsbereich wird von Weiss bemützten Köchen Fleisch in dünnste Scheiben geschnitten, wir mit unseren fragenden Blicken werden sofort eingefangen, platziert und haben auch gleich die zweisprachigen Menues vor der Nase. Zum Einstieg gibt es also Hotpot.

    Die Kinder und ich stellen begeistert unser Buffet zusammen, von einer Bedienung in schicker Restaurantuniform werden wir dabei geduldig durch das Bestellprozedere geführt: Fleischsorten diverse, Lotuswurzeln, Knoblauchzehen, Chinakohl, Morcheln, Spinat, etc., diverse Soßen dazu. Der Hotpot mit der dampfenden Brühe wird in unsere Mitte auf den Tisch gestellt. Es geht los. Einen besseren Anfang hätte unsere kulinarische Reise durch China nicht nehmen können. Wir habe allesamt mit geschlossenen Augen genossen, die Geschmacksexplosionen, die Zartheit, die Frische, die Exotik, die Düfte - genau so muss China schmecken! Meine Kinder gehen dabei mit Stäbchen um, als kennen sie weder Messer und Gabeln, stolzer Papa. Wir genießen lange, sehr lange.
    Den Weg zur Toilette leiten einen fluoriszierende Comicfußabdrücke am Boden, Aufkleber mit dem
    Chinesischen Schriftzeichen für Toilette - ich realisiere jetzt zum ersten Mal so richtig, dass ich tatsächlich in China sein muss. Kennt ihr dieses Gefühl?
    Überall kleben und stehen Schilder mit chinesischen Texten herum, der Härtetest für die Kamerafunktion vom Googleübersetzer. Draufhalten auf die Schriftzeichen und kurz warten, bis die Übersetzung kommt. Wir brechen zusammen vor Lachen. Gleich nochmal, gleicher Text, komplett andere Übersetzung. Wir lachen uns krumm. Wir haben ein neues Spiel! Texte raten. So ein bisschen Sinn machen die angebotenen Übersetzungen schon, der sich aber eher über seinen Unsinn erschließen lässt. Da muss Microsoft eindeutig nochmal ran, aber immerhin ein großer Spaß.

    Bevor wir aber vor lauter Lachen und Hotpot wirklich platzen, machen wir uns auf zu unserer Bleibe. Vorher bezahlen am Counter, mit 30 Euro ist dieses Gelage fast ein Schnäppchen.
    Eigentlich sind wir nach dem wahnsinns Essen jetzt schrecklich müde und wollen nur noch ins Bett.
    Unsere Doppelzimmer liegen in unterschiedlichen Stockwerken, Laura und Nele und Fynn und Papa jeweils zusammen. Die Zimmer sind überraschend geräumig, die Betten sauber, die Bäder in gewohnt asiatischem Flair und Flora in dieser Klasse, mit Gebrauchsspuren. Passt. Baustellenlärm? Wasnfürnbausssstlllnlrm ...zzzzz ...Wir sehen uns dann um 17 Uhr wieder, gute Nacht!

    Um Halbsechs wache ich als erster auf
    Zähes Aufstehen, aber die Neugier auf das Neue ist größer. Eine U Bahnsation weiter beginnt ein vom LP vorgeschlagener Weg durch Hutongs, ein Wohnviertel, das aus sogenannten Hofhäusern mit maximal zwei Stockwerken besteht. Das alte traditionelle Peking findet man hier. Lange Straßen und Gassen ziehen sich zwischen den Karrees und steingrauen und fensterlosen Aussenmauern der Hofhäuser, die sich straßenseits nur durch ein Portal betreten lassen, das je nach Bewohner mal einfach, mal pompöser gestaltet ist.

    Die Hürde des ÖPNV Ticketkaufs nehmen die Kinder am Automaten mit Bravour, bevor es durch die Sicherheitskontrolle am oberen Ende der Rolltreppen geht. Rucksäcke und Taschen werden wie am Flughafen durchleuchtet, ein kurzer Check noch von der Security mit dem Beeperstab, beept nix, und runter gehts zum Bahnsteig. Die Gleise sind durch eine Glaswand vom Bahnsteig abgetrennt, die Türen zum Zug öfffnen sich erst, nachdem der Zug gehalten hat. Wir sind die einzigen Touristen weit und breit und verstohlene Neugier können auch die coolen Pekinger in ihren Blicken nicht verstecken - wir auch nicht.

    Die Hutongs beginnen direkt gegenüber der U Bahnstation und es ist knackevoll am Eingangsportal, so viele Menschen! Warum müssen ausgerechnet Heute alle 1,3 Mrd. Chinesen zum flanieren hierher kommen?
    Es ist Samstagnacht, klare Sache.
    Wir lassen uns vom Menschenstrom mitziehen, der sich in den Gassen dann erfreulicher Weise etwas entzerrt. Unsere Füße haben wieder durchgehend Bodenkontakt, wir können wieder selbstständig laufen.

    Auf der abendlichen Hauptstraße der Hutongs präsentieren sich in schöne Lichter getaucht, sehr nette kleine Läden und auch Imbisse und kleinere Restaurants. Es wird fast schon gemütlich, trotz der vielen Menschen.
    Wir lassen uns vom Anblick in einen Imbiss ziehen und holen uns da lecker aussehende Bällchen unbekannter Konsistenz, die wir dann sogleich verkosten - köstlich, was immer das in dem Teigmantel war, in der Soße drumrum schwammen immerhin identifizierbare Miniioktopussteilchen...

    Nächster Halt: Eis am Stiel. Die schwere Entscheidung am Ende ganz leicht, wir alle sind Mangojunkies. Was für ein Eis, süchtig machend nach dem ersten Kontakt.
    Mit der Energie des gut aufgezuckerten Blutspiegels entdecken wir mit Entzücken diese rot glasiert leuchtenden Entenleiber in einem Fenster baumeln. Diese Küche bietet Enten-Dürüm an. Perfekt! Eine Köchin wickelt im Akkord Entenfleisch, eingelegtes Gemüse und etwas Kohl in einen dünnen Fladen, Hoisinsoße drüber... Augen zu und reinbeissen... wir können dazu sogar im hinteren Teil vom Imbiss richtig an einem Tisch sitzen. Großes Entenglück.

    Dann, erneutes Zittern, Sabbern, Glubschaugen, beschleunigter Gang, eindeutig Suchtsymptomatik, ein Eis muss her, schnell. Das passt jedoch nur noch in Fynn und Laura rein, Nele und Papa sind noch im Entengeschmackskoma.
    Mit entspanntem Gang, aber dennoch mit der Unruhe eines Zockers zieht uns Fynn langsam Richtung Hostel. Wir nehmen eine ruhigere Gasse, vorbei an einem Gewässer mit wunderschönen Trauerweiden und romantisch illuminierten Brücken, bis uns die kalte LED Ästhetik und die Aircon der Metrostation schockfrostet. Kartenkauf und Security. Schwupps sind wir wieder bei unserer geschätzten Dongsi Station.
    Wir beschließen noch einen kleinen Umweg über einen Supermarkt, um Nescafé, Wasser, Kekse und ein Tsingtao für Papa käuflich zu erwerben.
    Zum Ladenschluß um Zehn ruft der Ladenleiter seine Mitarbeiter zur Aufstellung zum Appell und nach motivierendem Lobgesang in gebelltem Chinesisch - was ich für unsere Ohren eher demotivierend anhört, aber sicher nett gemeint ist - wird noch eine kleinlaute Litanei, vermutlich ein Hoch auf die Arbeiterklasse, mit halben Herzen und Stimmen von der Mitarbeiterschaft brummelnd absolviert.
    Mich hat dieses kurz aufgeschnappte Szenario am Rande sehr seltsam berührt und finde es deshalb erwähnenswert.
    Die Kinder trollen sich ins Hostel, ich versuche mich mit Geldabheben noch bei der hiesigen Postbank und scheitere kläglich. Keine Auszahlung ohne chinesischen Ausweis. Ein Pekinger Obdachloser, der im Bankraum auf Pappen logiert, sieht mir aus dem Augenwinkel durch seinen Biernebel dabei zu.

    Ich raschel noch ein bisschen mit den Seiten vom LP mit Blick auf die Aktivitäten des morgigen Tages, schreibe, trinke Tsingtao und schlafe dann tatsächlich irgendwann auch mal gejetlagged ein.
    Fynn war da eindeutig schneller.
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