• 8. September

    September 8, 2024 in Norway ⋅ ☀️ 16 °C

    Es ist Sonntag und was mache ich am Sonntag immer? Falsch, heute ist mal kein Ruhetag. Der letzte war erst am Freitag und so schiebe ich den nächsten vielleicht auf Dienstag. Ich habe wunderbar geschlafen und kann in der Hütte schön am Tisch sitzen und frühstücken. An meiner Hose steht eine dringende Reparatur des Reißverschlusses an, das mache ich gleich heute am Morgen noch mit. Das Wetter lässt sich herrlich an, die Sonne strahlt mystisch hinter den Wolken hervor und da ich es heute recht langsam angehen lasse, geht es erst um zehn los. Es erwartet mich ein deutlicher Aufstieg ausgangs von etwas über 500 m.ü.M. auf über 1000m und am Ende wieder runter auf 600m. Dementsprechend geht es von Beginn an gut aufwärts, einige Passagen sind schon ordentlich steil. Am Morgen ist es erst noch Wald und ich merke schon, das wird kein Tag zum Rennen. Ich bin ziemlich am Pusten, fühle mich nicht so kräftig wie an manch anderen Tagen und von daher brauche ich schon recht lange, bis ich den Grenzpunkt Riksrøys 272 nach Norwegen erreiche. Hier heißt es nun „Hejdå Svenska Lappland“ und „Velkommen til Finnmark“. So ist die Bezeichnung Lapplands in Norwegen. Gleichzeitig betrete ich den Rohkunborri Nasjonalpark. Von hier aus ist noch 1 km weiter die Lappjordhytta, in der lasse ich mich erst mal zu einer Pause nieder und finde im Schrank einige zurückgelassene Köstlichkeiten, daher entscheide ich kurzfristig, mir eine der selbstgemachten Mahlzeiten direkt zuzubereiten, was auch immer es ist. Irgendwas mit Bohnen, Mais, Kartoffelbrei und crispy drin, schmeckt tatsächlich sehr gut. So gestärkt geht es weiter bergan. Nachdem ich kurz darauf die Baumgrenze überschritten hab, treffe ich auf eine Wanderin aus Dresden. Auf der gegenüberliegenden Seite des Tals ist ein Hubschrauber am Berg aktiv und sie vermeint, dort ein Licht gesehen zu haben, als wenn jemand dem Hubschrauber ein Signal geben will. Ich versuche mit dem Fernglas irgendwas derartiges zu erkennen, benötige einige Zeit, bis ich dieses Licht als ein weißes Rentier erkenne, dass von etlichen anderen umgeben ist. Dann ist klar, der Hubschrauber treibt die Rentiere zusammen. Wir beobachten das Ganze für eine Weile, irgendwann hören wir einen merkwürdigen Sound dazu ähnlich dem amerikanischer Polizeiautos und ja, es ist der Helikopter. Trotz aller Traditionen, die die Sami haben, sind sie doch in vieler Hinsicht hochmodern unterwegs. Nachdem ich weitergehe und die ganze Zeit im Rücken in einiger Entfernung den Heli höre, kommt er irgendwann auf meine Seite gewechselt und ganz in meiner Nähe steht er auch über dem Wald, wechselt ständig die Position hin und her und macht auch dieses durchaus nervige Geräusch. Und dann dauert es auch nicht lange und eine Herde Rentiere zieht nicht weit entfernt von mir vorbei, begleitet aus der Luft. Irgendwann verschwindet der Blechvogel, es ist nach der interessanten Showeinlage für mich auch wieder schön, Ruhe zu haben. Ich steige weiter aufwärts, die Beine gehen nach dieser kräftigen Mahlzeit durchaus besser jetzt. Je höher ich komme, desto weiter kann ich blicken, allerdings ist die Weitsicht heute eher im Bereich des schemenhaften, alles wirkt dunstig, die Berge sind nur als Silhouetten erkennbar, was aber auch einen gewissen Charme hat. Am Nachmittag gibt sich das Ganze mehr und mehr, ich habe anfangs weit im Osten, später auch im Westen dickste Quellwolken an den Bergen und die Sonne lugt immer mehr und zeigt sich dann zumindest teilweise an blauem Himmel. Noch immer höre ich, obwohl es eine inzwischen immense Entfernung ist, die Hupe der Erzzüge, wenn sie auf der gegenüberliegenden Seite dieses weiten Tals am Berg entlang fahren. Ich sitze hier oben auf diesen Almwiesen, der Wind ist nicht sonderlich stark, und genieße immer wieder die Aussicht auf die inzwischen mehr orange werdende Oberfläche dieser sanften Hügel. So sanft diese Hügel auch sind und so einfach der Weg hier oben über das Grasland zu laufen ist, schaffe ich es doch um halb vier, mit dem Fuß an einem Stein kurz anzudotzen, zu straucheln und liege am Boden. Glücklicherweise konnte ich mich mit den Händen einigermaßen abfangen, trotzdem bin ich ausgerechnet mit dem Knie gelandet, das ohnehin schon lädiert ist. Ich sitze ein paar Minuten auf der Stelle, befrage das Knie eine Zeit lang und schätze mich einfach glücklich, dass ich nicht mit der oberen Zahnreihe gebremst habe. Trotzdem merke ich schon hier, dass es durch ist für heute. Ich bin recht hoch in den Bergen und sobald ich eine gute, nicht zu sehr ausgesetzte und mit Wasser versorgte Stelle finde, werde ich für heute beenden. Das dauert auch nicht mehr allzu lange. Der Weg führt mich nach einer guten halben Stunde abwärts in ein Hochtal, in dem von vielen verschiedenen Stellen her kleinere und größere Gewässer zusammen laufen. Ein schöner Platz ist schnell gefunden, ich habe sage und schreibe zehn Kilometer geschafft heute und so habe ich noch gute 3 Stunden feinsten Sonnenschein, leicht säuselnden Wind und angenehm warme Luft um mich. Wenn diese Zeit auch nicht übermäßig lang ist, fühlt sie sich doch ein bisschen wie Ruhetag an. Immerhin kann ich mir den Bart noch schneiden und habe das Zelt am Abend auf einer Seite noch sehr lange komplett offen um den schönen Farben der Wolken und der Landschaft im Sonnenuntergang zu fröhnen.Read more