• 10. Juli

    July 10 in Norway ⋅ ☁️ 12 °C

    Am Morgen circa um acht marschiert eine Gruppe von 10-15 Leuten in neon-grünen Anzügen vorbei, angeführt scheinbar von einem Guide, der was erklärt. Ich wundere mich bei alldem Gesabbel, dass die Touristen, die normalerweise für irgendwelche Safaris auf Schnellbooten rausgefahren werden, jetzt tatsächlich hier zu Fuß umherlaufen. Tun Sie natürlich nicht, wie ich gute 10 Minuten später feststellen darf. Es ist die grüne Abteilung des Bauhofs, die mit allem, was in irgendeiner Form Krach machen kann und dem Grasschnitt dient, hier angerückt ist. Gut, dass ich gleich aufgestanden bin und begonnen habe, mein Zeug zusammen zu packen. Auf einer der Bänke möchte ich frühstücken, aber es ist so ein lautes Geknatter und Getöse, dass ich mich doch mit dem Fahrrad noch ein Stück weiter auf eine recht windige Bank verziehe. Das Wetter hat sich toll gehalten, es ist zwar bewölkt, aber trocken, also ideales Reisewetter. Bevor ich die Telegrafbukta endgültig gegen halb elf verlasse, gibt es noch eine umfangreiche Wäsche in dem tollen Sanitärgebäude. Naja, so endgültig verlassen geht dann doch nicht so schnell, denn wenige Meter von hier entfernt treffe ich beim Losfahren auf das Umberto Nobile-Denkmal. Ich bin ganz fasziniert, habe ich doch vor gut drei Wochen gerade den Film „Das rote Zelt“ gesehen, in dem die von ihm geführte und auf dem Rückweg verunglückte Nordpol-Expedition im Luftschiff „Italia“ sowie die folgende Rettungsaktion erzählt wird. Natürlich war das auch gestern eins der Themen im Museum. Heute mache ich beim Fahren mal das Licht aus und werde dafür die Powerbank am usb-Outlet anschließen. Will doch mal sehen, wieviel vom Nabendynamo so rumkommt, denn langsam gehen meine Akkureserven dem Ende entgegen. Es geht noch einmal durch die Stadt am Hafen entlang und dann über die große Tromsøbrua runter von der Insel. Die Straße steuert hier genau auf die Eismeerkathedrale zu, die ich mir ohnehin zumindest von außen mal ansehen will. Als ich den kleinen Berg hochgeradelt komm spricht mich Carl Henrik an. Er ist von meinem Fahrrad etwas begeistert, da er selbst oft in dieser Art unterwegs ist. Ein Deutscher, der hier in Tromsø lebt und mir direkt Dusche oder Unterkunft anbietet, wenn ich mal wieder hier bin. Dann muss er sich aber auch schon direkt wieder um seine asiatische Reisegruppe kümmern, er hat einen ganzen Bus voll zu dirigieren. Das ist schlimmer als einen Sack voll Flöhe zu hüten. Nach der Kathedrale ein letzter Blick nochmal rüber zur Stadt und dann geht es ländlich raus am Balsfjorden entlang. Es sind hier immer mal wieder kleinere landwirtschaftliche Anwesen oder Gehöfte mit diesen schönen alten Scheunen dabei. Gegen eins habe ich mich vom Fjord entfernt und auf einen kleineren Pass hochgearbeitet, ein guter Zeitpunkt für die erste Pause. Nach der geht es dann auf der E8 weiter, eine Fernstraße mit entsprechend viel Verkehr. Eine große Freude ist das nicht und ich hoffe einfach mal, dass es nicht allzu lange so läuft. Meine Abzweigung am Ende des Fjords verpasse ich, wohl weil ich so sehr nach der Brückenbaustelle geguckt habe und merke es erst sechs Kilometer später, werde aber belohnt mit Unmengen von Lupinen am Straßenrand. Eine andere Bikerin, die mir auf meinem Rückweg zum EV1 entgegenkommt, hat scheinbar die selbe Sehstärke in ihrer Filzbrille. Ich stoppe sie und mache sie auf ihren kleinen Fehler aufmerksam. Wieder zurück am Weg geht es weg vom Fjord rüber zur Sandbukta durch ein langgezogenes Hochtal, das zu beiden Seiten von Bergen gesäumt ist. Scheinbar war gerade zur Eiszeit die Stunde zu Ende, sonst wäre es mit ein bisschen gutem Willen auch ein etwas tieferes Tal geworden, das heute ein Fjord wäre. Es fährt sich wunderbar ohne große Steigung und auf einmal sehe ich da was für ein Schild am Straßenrand? Zur EISCAT Station links ab. Wow, da muss ich natürlich sofort hin und arbeite mich über einen staubigen Feldweg bis zu dieser gigantischen Anlage. Die Warnung vor „Radiation Hazard“ ist da schnell überlesen. EISCAT ist nicht etwa ein Anbieter von leckerem Softeis, sondern eine Forschungsvereinigung, die hier hoch im Norden bis hin nach Spitzbergen einige Radarstationen zur Erforschung der Ionosphäre und Magnetosphäre betreibt. Schon in Kiruna habe ich davon gelesen und dass sie Forschungen im All, unter anderem zu Polarlichtern betreiben. Während ich stehe und alles inspiziere, fällt eine Schar Moskitos über mich her, so dass ich in kürzester Zeit lange Jacke und Hose überziehe. Grundsätzlich ist es ja hier an der Küste entlang ziemlich gut mit Mücken, lediglich die Knots sind abends oftmals nervig. Noch ein Stück weiter auf dem Feldweg sehe ich vom Berg herunter einen brachialen Wasserfall, den ich gern für ein Bad nutzen würde, leider endet der Weg noch in so großer Entfernung, dass es mir nicht wert ist, dorthin zu laufen. Zurück auf der Straße, die auch deutlich entspannter ist als die E8 vorhin zieht es sich weiter sehr elegant sanft auf und ab und je weiter die Uhr Richtung vier schreitet, desto stärker sehe ich spitze schroffe Berge im Voraus, das muss der Ullsfjorden sein, wo ich hin will. Da stehen sie spitz an spitz wie zur Parade und empfangen mich, die Einladung wird noch unterstrichen durch eine lange Abfahrt runter auf Seehöhe. Am Fährkai in Breivikeidet sehe ich, dass noch fast eine Stunde Zeit ist, bis die nächste abfährt und so ist es jetzt um kurz nach vier allerbeste, aber auch allerhöchste Zeit zur Mittagspause. Am Molenkopf sitzt es sich wunderbar mit dem Blick über den Fjord und die von drüben kommende Elektrofähre. Die 20 Minuten Übersetzen nach Svensby sind schnell getan, von hier sind es noch 22 km bis zur nächsten Fähre. Bis dahin geht es auch relativ simpel zu fahren immer zwischen rechts und links aufragenden Bergen hindurch. Die wirken hier dank ihrer Schroffheit irgendwie höher als in den letzten Tagen. Nach Lyngseidet rollt es sich wieder rasant ab Richtung Fjord, hier suche ich erst mal den Supermarkt auf. Denk gerade noch darüber nach, ob ich die Fähre hier heut noch nehme oder mich doch zur Ruhe bette. Immerhin ist es schon halb acht, aber die Fähre liegt schon am Kai und wird erst in 20 Minuten abfahren, so dass ich meinen Einkauf noch in Ruhe zu Ende bringen kann. Gedacht, getan, lege ich um zehn vor acht mit ab, um in gut 40 Minuten nach Dálusvággi rüberzumachen. Was der Bengel aber vergessen hat, ist das Wasser. Da ich jetzt irgendwie zum Ende kommen möchte, brauche ich noch Frischwasser und beginne, in diesem kleinen Örtchen zu suchen. Es gibt eine Schule und ein Rathaus, aber nirgends ist ein externer Wasseranschluss und Leute sind ebenfalls nicht zu sehen. Also radel ich etwas weiter und so werden es noch einige Kilometer, bis ich an einem Bach, der von den Bergen runterkommt, frisches Wasser zapfen kann. Kurz danach, obwohl nicht weit von der Straße entfernt, ist zwischen den Bäumen eine Stelle, an der ein paar Wohnmobile und auch schon zwei andere Radler ihren Platz gefunden haben. Wunderschön auf einem Felsen, auf einer Anhöhe über dem Fjord, parke ich mein Zelt. Ich erwarte keinen Sturm, von daher muss als Absicherung ein dicker Stein und meine Packtaschen ausreichen. Nachdem ich mich mit einem Litauer noch etwas unterhalten habe, bereite ich etwas zum Essen zu und verziehe mich angesichts der kleinen Plagegeister, also ich meine die ganz kleinen, ins Zelt, was ich aber die ganze Nacht bis auf das Netz offen lassen kann. Was für eine herrliche Aussicht die ganze Nacht hindurch. Es wird gegen zwei am Morgen sogar noch deutlich klarer, als ich zwischendurch mal wach bin.Read more