• 26. Juli

    July 26 in Norway ⋅ ☁️ 13 °C

    An die Vereinbarung, ordentlich lange auszuschlafen, halte ich mich und wir sitzen irgendwann nach um zehn zusammen und frühstücken. Die zwei sind in ihrer Art sehr herzliche angenehme Leute und da sie auch so alt sind wie ich, haben wir viel zu erzählen. Vom Leben hier oben im Norden, aber auch weiter im Süden Norwegens, wo Thomas herstammt. Sie sind beide gerade hier in Hannes Heimatdorf auf Urlaub, wo ihre Geschwister leben und arbeiten und das sie natürlich bis ins Detail kennt. Faszinierend sind für mich die vielen kleinen Details und Geschichten, die ich für mich mitnehmen kann. Zum Beispiel von der kleinen Insel Lille Ekkerøy unweit des Dorfs, wo 1952 mal ein Eisbär auf einer Eisscholle angelandet ist. Angesichts der für ihn widrigen Umstände bis hierher war er am Verhungern und man hat ihm dann auch relativ schnell den Garaus gemacht. Gegen zwölf brechen wir bei recht tristem Wetter auf nach Vardø, hier ist ja gerade das Pomoren-Festival, das wir besuchen wollen. War das Wetter beim Aufbruch noch trüb und auf der Strecke sogar etwas regnerisch, ist es beim Festival wieder klar und sonnig. So bin ich doch wieder zurück an diesem Ort, an dem ich noch gestern Morgen kaum etwas wahrgenommen habe, insbesondere nicht die vielen Street Arts an den Häusern. Wir drehen extra eine Runde durch den Ort, um hier und da eins dieser Kunstobjekte auszumachen. Eins ist besonders interessant, hier hat der Künstler auf einer Giebelwand in einem einfachen Rauhputz, der weiß überstrichen ist, die Farbe so aufgekratzt, dass es ganz ohne weitere Farbe ein tolles Gemälde mit einer gewissen Räumlichkeit ergibt. Und heute treffe ich auch die Leute wieder, die ich gestern Abend nur so kurz beim Kaffeetrinken kennengelernt habe, es sind nämlich Hannes Eltern. Die Welt ist in so einem Dorf ja doch recht klein. Die Pomoren übrigens sind eine Volksgruppe nahe Archangelsk im hohen Norden Russlands am Weißen Meer, die über lange Zeit mit den Menschen in der Finnmark Handel betrieben haben. Sie segelten zu den Dörfern in Nord-Norwegen, um dort Holz, Leder und Mehl zu verkaufen. Im Gegenzug erwarben sie Fisch und Pelze. Diesen Handel gibt es heutzutage nicht mehr, aber es gibt eine Verbundenheit, umso trauriger, dass angesichts des aktuellen Verhältnisses zu Russland niemand aus dieser Gegend als Gast anwesend ist. Wir schlendern über den kleinen Marktplatz, besuchen das Pomoren-Museum und ich probiere mal eine Wintermütze, die aus Robbenfell und vom Fjällräven gemacht ist. Etwas Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen und die beiden zeigen mir noch einige Sachen in der kleinen Stadt. Da ist die Festung Vardøhus aus circa 1300, was mich jedoch am meisten beeindruckt, ist das Denkmal für die Opfer der Hexenverbrennung. Mir war bis dahin nicht klar, dass es ebenso Männer wie Frauen getroffen hat und hier wurden im 17. Jahrhundert 135 Menschen auf dem Scheiterhaufen verbrannt, da sie der Hexerei beschuldigt waren. Zu jedem von ihnen gibt es hier eine Niederschrift, die den Namen und die jeweilige Geschichte der Unglückseligen wiedergibt. Gegen fünf am Nachmittag sind wir wieder zurück und haben noch Großes vor. Die beiden haben draußen im Fjord einen Käfig in gut 100 m Tiefe platziert, in dem sie die hier invasiven Königskrabben fangen wollen. Wir fahren gemeinsam raus, nachdem wir in dem kleinen Hafenrestaurant, das Hannes Bruder betreibt, noch einmal Terje und Hiltrud antreffen. Draußen heißt es dann natürlich anpacken, ich hätte nicht geahnt, wie viel Kraft es kostet, einen solchen Korb 100 m im Wasser emporzuziehen. Wir wechseln uns mehrere Male ab, um am Ende doch nur an Erfahrungen reicher zu sein. Aber alleine die Tatsache, hier draußen zu sein und von dem ganzen eine Vorstellung zu kriegen und auch mitzuhelfen ist es alle Male wert. Wir versuchen uns danach noch eine ganze Zeit lang an verschiedenen Stellen beim Angeln, fahren aber schlussendlich doch ohne die erhoffte Beute zurück. Als Trostpreis hatte ich immerhin in gut 60 m Tiefe mit meinem Haken eine recht große Seealge samt einem Stein unten dran erwischt und die ganz enthusiastisch nach oben gezogen. Das Ziehen und Zerren an der Leine hätte ebenso gut ein Dorsch sein können. Trotzdem gibt es bei den beiden am Abend keine Pilzsuppe, sondern nach frischen Schrimps als Vorspeise Flunder mit Kartoffeln und flüssiger Butter als Hauptgericht. Ein einfaches Essen, wie ich es mir als Dorfkind nicht besser wünschen könnte. Dass das alles frisch hier aus dem Fjord ist, erklärt sich von selbst. Wieder sitzen wir lange bis Mitternacht und erzählen, jeder hat irgendetwas inspirierendes beizutragen. Da ich diesen zusätzlichen Tag hier verbracht habe, will ich morgen ganz früh aufbrechen und das Schiff rüber nach Kirkenes nehmen, um dann von da weiter Richtung Osten zu machen.Read more