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- Tag 31
- Mittwoch, 6. August 2025 um 20:00
- ☀️ 16 °C
- Höhe über NN: 98 m
FinnlandInari69°23’47” N 28°22’26” E
6. August

Ist doch schon ein Ding, wie sich so manches zuträgt. Mir klingelt von gestern noch von irgendwem in den Ohren, wir täten wohl Regen kriegen. Meine Windows-App, sprich der Blick aus dem Fenster und ein Schauer in den frühesten Morgenstunden bestätigt mir das im Großen und Ganzen. Und da sich Klärchen mit dem Weckdienst für mich in den letzten Tagen ja dermaßen verausgabt hat, hält sie sich heute zurück. Damit ich Langschläfer aber nicht komplett den ganzen Tag hier am Fjord rumliege, schicken Sie mir um Punkt acht einen aus der Rentierarmee. Schön mit Glocke um den Hals pimmelt der mich raus und der Tag nimmt seinen Lauf. Schöne volle dunkelgraue Wolken ziehen da über die Berge hinterm Bach her, trotzdem ist es angenehm warm und so ist das Frühstück eine schnelle Sache draußen vor dem Zelt. Schon anderthalb Stunden später schiebe ich das voll bepackte Rad den kleinen Rentierpfad wieder die Böschung hoch Richtung Straße, um die letzten 10 km am Fjord entlang zu radeln und nach nochmal so vielen werde ich die finnische Grenze erreichen. So dunkel und vielfältig kaschiert diese Wolken auch aussehen, leuchtet doch zu meiner linken einiges Blau oben am Himmel. Gute 20 Minuten später meine ich, das Ende des Fjords schon so gut wie erreicht zu haben, angesichts der Ebbe sind große Sandbänke freiliegend. Ich steige extra auf einen Hügel neben der Straße, um das von hier oben aus zu betrachten, ja ein letztes Mal aufs Meer zu schauen. Als ich weiterfahre, überholt mich kurz darauf hupend der Althippie Lothar von gestern. Es braucht von hier aus aber noch weitere zehn Minuten, bis ich tatsächlich das Ende des Munkefjord erreicht habe. Das Wasser hat sich über mehr als einen halben Kilometer zurückgezogen, da dieser letzte Ausläufer relativ flach ist. Zur Zeit der Ebbe sind diese Bereiche wenig ansehnlich und locken schon gar nicht zum Baden. Mich aber springt diese letzte Chance so sehr an, dass ich mit dem Fahrrad augenblicklich in den gut 1,50 m tiefen Graben brettere, es dort abstelle und ohne lange zu überlegen über krautigen Grund in die Richtung laufe. Ich muss in dieses Wasser! Der Fjord ist hier einen guten Kilometer breit und es passiert jetzt in einer merkwürdigen Art etwas, das ich nicht gut beschreiben kann. Ich marschiere stracks durch den Schlick Richtung Wasser, würde mir am liebsten alles runterreissen. Erreiche das flache Wasser und laufe und laufe immer weiter hinein. Bin wie geflasht und merke, dass irgendwas ganz außer der Reihe mit mir passiert. Mir laufen die Tränen übers Gesicht, ich erinnere mich nicht, wann ich das mal hatte. Das Wasser ist und wird mir überhaupt nicht kalt, es geht immer weiter, lediglich das Telefon nehme ich irgendwann aus der Hosentasche in die Hand, weil das Wasser inzwischen bis zum Bund reicht. Es fühlt sich an, als könnte ich komplett einmal bis zur anderen Seite durchlaufen. Was ist das…? Ich glaube, ich habe mich verliebt in all das schöne hier oben und muss jetzt loslassen. Ein unfasslich aufwühlendes Gefühl für mich. Nach weit über der Hälfte wird das Wasser irgendwann zu tief, als dass ich das alles noch kontrollieren könnte und angesichts von drei Metern Tidenhub und keiner richtigen Ahnung von den Zeiten der Gezeiten kehre ich wieder um. Beruhige mich auch langsam wieder und komme klar, aber es braucht auch eine Weile, sich laufend durch das Wasser zu schieben. Puh……. Was war das denn? Die letzten Tage habe ich schon an bestimmten Stellen sehr emotional empfunden und sie haben mich positiv mitgenommen, das war wohl jetzt der große Ausbruch. Aber jetzt fühle ich mich auch gut, diese wunderschöne Gegend zu verlassen, die mich so gebannt hat. Eine Stunde ist jetzt locker rum, ich mache mich aus dem Graben raus wieder auf die Straße. Es rollt sich sehr gut und so sehe ich schon bald von der E6 aus den Neidenelva beim gleichnamigen Ort Neiden. Hier gibt es das dörfliche Ä´vv Skolt Sami Museum, das diverse Gebäude und die St. George’s Kapelle aus 1565 ausstellt. Von da aus gehe ich gleich zu Fuß noch ein paar Meter weiter zum Fluss und sehe schon aufwärts hinter der Brücke eine Stromschnelle, die ich kurz darauf am Weg aufsuche, als ich auf den Finlandsveien 92 abgebogen bin. Auf dem kurzen Fußweg dahin habe ich plötzlich ein heftiges Stechen am Zeh, statt hier unzählig erwarteter Mückenstiche hat sich ausgerechnet eine Biene des „Allemannsretten“ in meinen Crocs bedient und zumindest aus ihrer Sicht alles gegeben. Ich patsche eh durch diverse Wasserlöcher und so ist dieser Stich schnell vergessen. Gegen halb eins fahre ich nach einer Steigung weg vom Fluss immer dichter auf ein Regengebiet zu, die Schlieren voraus sind unübersehbar, ich hoffe auf einen Unterstand oder vielleicht den Grenzübergang. Immerhin die Zollkontrollstelle gute 5 km vor der eigentlichen Grenze erreiche ich noch „pünktlich“, nachdem ich jetzt schon seit 10 Minuten in strömendem Regen gefahren bin. Ein finnischer Zöllner winkt mich schon herein, als ich draußen die wichtigsten Sachen noch wegpacke. Drinnen soll ich mich erst mal trocknen und komme dann mit ihm und auch seinen norwegischen Kollegen ins Gespräch, während ich darauf warte, dass der Regen aufhört. Da nicht viel los ist, setzt er mir erst mal einen Kaffee an und nach einer knappen Stunde breche ich nach wohlwollend interessanten Gesprächen von hier wieder auf. Um kurz vor halb zwei habe ich dann die tatsächliche Grenze von Norwegen nach Finnland erreicht, Kontrollen gibt es hier eh nicht und so rolle ich nach Lappi Sápmi, dem „Land der Samen“ in der Region Inari ein. Der Regen hat schon kurz vor der Einreise wieder begonnen, dieses Mal habe ich mir zumindest die Regenjacke übergezogen. Es kommt jetzt alles runter, was nicht oben angenäht ist, ich bin dabei völlig selig und genieße die Fahrt. Schon wenige Kilometer nach dem Grenzübergang kommt der Ort Näätämö, ja bitte richtig und am Stück aussprechen! Hier gibt es einen kleinen gemütlichen Supermarkt, in dem auch verschiedene Gerichte von einem Fleischer zum Direktverzehr angeboten werden. Mich reizt eine Hähnchenkeule mit überbackenen Kartoffeln, es ist sehr angenehm zu sehen, dass die Preise in diesem Land doch verträglicher erscheinen als noch im letzten. Während ich hier eine gute Stunde zubringe, hat der Regen Zeit, über einen Nachlass zu sinnieren. Erfolgreich, wie sich dann zeigt. Geradezu klischeehaft bestätigt sich mir ab jetzt all das, was ich von Finnland gehört habe und wie es in meinem Kopf auch ungefähr existiert: Die Berge werden zu gerade noch leicht rundlichen, bewaldeten Hügeln und wenn eins am Straßenrand nicht fehlen darf, dann ist es hier und da mal ein Rentier, viel wichtiger aber ein See. Es ist tatsächlich exakt das, was ich für den Rest des Tages sehr angenehm wahrnehme. Das ewige Auf und Ab in Norwegen legt sich jetzt in ein fast ebenes Profil, auf dem ich die meiste Zeit kaum unter 25 KMH bin. Und tatsächlich immer und immer wieder zieht sich die Straße in leichten Bögen um Seen, gleichermaßen rechter und linker Hand. Gegen fünf kündigt mir ein Schild in Sevettijärvi ein weiteres Museum an, dass aber um diese Zeit schon geschlossen ist. Ein paar Holzhütten und ein hölzernes Boot im Außenbereich sehe ich mir noch an, um dann aber auch dank immer mehr werdender Moskitos zurück zum Parkplatz zu gehen. Hier treffe ich auf Martin, einen fliegenden Holländer auf dem Motorrad, mit dem ich ins Gespräch komme und mich recht lange sehr gut unterhalte. Nebenbei kommen drei Rentiere aus der Nähe, wo sie ein Sami zwischendurch mit etwas Futter angelockt hatte, immer wieder zu uns und sind am Ende ganz ohne Scheu direkt bei uns. Nach einer knappen Stunde mache ich noch den kurzen Abstecher auf der anderen Seite der Straße zum See, wo das Wassertaxi geparkt ist. Aufgrund der unzähligen Seen macht ein solches Flugzeug hier natürlich Sinn. Für heute ist es aber laut Martins Aussage schon zu spät, sonst hätte er selbst auch noch eine Runde drehen wollen. Ich ziehe inzwischen weiter und orientiere mich ganz langsam nach einer Stelle zum Übernachten. Der Himmel baut vor mir massivste und wirklich imposante Quellwolken auf, aus denen immer wieder Donner zu hören ist, während der Rest des Himmels komplett blau macht. Einen Platz, an dem eine Reihe Wohnmobile stehen, schlage ich zwecks eleganter Zeltmöglichkeiten aus und fahre damit direkt in die Front hinein. Schnell noch die Regenjacke drüber und rechts wirkt ein Grundstück so, als wäre es für mich geeignet. Da ein Wohnhaus darauf steht, an dem sämtliche Vorhänge zugezogen sind und es irgendwie tot wirkt, klopfe ich pro forma an der Tür, um mir ein Okay zu holen. Just in diesem Moment setzt heftiger Regen ein und ich hole das Fahrrad noch zwei Stufen hoch direkt vor die Haustür unter ein Vordach. In diesem Moment ist hinter einem der Vorhänge auf einmal kurz ein Gesicht zu sehen und die Tür geht auf. Ein irgendwie für mich sehr seltsam aussehender Mann guckt mich groß an, kann aber kein Wort Englisch und im Finnischen habe ich noch so meine Defizite, kann also gar nichts. Ich gebe ihm zu verstehen, dass ich nur den Schauer abwarte und dann weiterfahre. Da er aber so spooky auf mich wirkte, helfe ich dem Muli die zwei Stufen wieder runter und gebe ihm die Sporen. Da der Regen nun eh voll im Gange ist, spielt es auch keine Rolle mehr, wie weit ich da durch fahre. Aber allzu lange dauert es nicht mehr und ich biege noch einmal nach rechts von der Straße zum Välijärvi ab. Das Zelt ist in wenigen Minuten in strömenden Regen aufgestellt, als alles angerichtet ist, ist der Regen vorbei und ich kann mich gegen acht im Zelt vor den Blutsaugern abducken. Die Zeit ist natürlich seit dem Grenzübertritt um 1 Stunde voraus gestellt, das bringt mich völlig aus dem Konzept. Das Telefon macht diese Umstellung allein, mein Fahrradcomputer bleibt, wie er ist und wenn es nach mir geht, möchte ich auch für die paar Tage in diesem Land diese Umstellung ignorieren. Spätestens am Supermarkt werde ich da aber im Zweifelsfalle in der Bredouille sein.Weiterlesen
Reisender
Wow... so schön...🥰
Reisender
😍
Reisender
Irre schön