• 15. August

    August 15 in Sweden ⋅ ☁️ 20 °C

    Wieder hat es in der Nacht geregnet, also immer dann, wenn es mich so gar nicht stört. Recht früh am Morgen, es könnte wohl gegen sieben rum sein, höre ich Schritte draußen. In der Hoffnung auf einen kapitalen Elch blinzle ich durchs Turmluk und gebe mich mit einem vorbeiziehenden Ren zufrieden. Es ist noch leicht am Regnen, während mein Blick mir mindestens zur Hälfte am Firmament schon blauen Himmel verrät. Das lässt sich doch gut an, also raus aus dem Federwerk und ran ans schwarze Gold zur Morgenstunde. Hoffentlich hält der kräftige Wind noch ein wenig an, so habe ich gute Chancen, ohne die Knots klarzukommen, die sonst schon ziemlich penetrant sind. Die Mücken dagegen sind im gut überschaubaren Rahmen. Noch während ich frühstücke, hört es auf zu regnen, die Sonne kommt raus und so habe ich ein leichtes Spiel, am Ende kurz drüberzuwischen und bin fertig. Der Berg Pyhäkero, der sich weit dahinten über dem See bis auf 713 moh erhebt, liegt in leichtem Dunst, es ist ein wunderschöner heller Morgen. Als ich das Rad auf dem sandigen Weg zum Aufsteigen bereit mache, fällt mein Blick unweigerlich auf den Tacho und ich bin erschrocken, wie früh es doch ist. Noch’ne Stunde abgezogen, ist es jetzt wirklich erst Dreiviertel sieben? Halt, diese Uhr ist ja nicht finnisch, also ist es in Wirklichkeit Dreiviertel acht, eigentlich wache ich um diese Zeit so oft erst auf, aber heute radel ich los. Folge für die nächsten 25 km noch der Sunroute, ich würde sie aber eher als die GirlsRoute bezeichnen. Es sind unheimlich viele Frauen unterwegs, oder fallen mir die einfach mehr auf als die Kerle? Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. So auch ein junges hübsches Mädel mit langem geflochtenen Zopf, das mir in der Morgensonne entgegengeradelt kommt und mit ihr um die Wette strahlt. An einer kleinen Ausfahrt rechts der Straße, hier ist sowas wie Café und Parkplatz ausgeschildert, treffe ich auf eher verlassen wirkende Gebäude, die irgendwie nach Veranstaltungen im Winter aussehen. Mein Ziel war eigentlich, einen Mülleimer zu finden, stattdessen steht dort aber ein großes Siegertreppchen, auf das ich mich heute früh doch einfach selbst hochschwinge und eine kleine Pause halte. Warum denn nicht? Gratuliere mir gleich noch zum schönsten Freitag in dieser Woche. Auf dem weiteren Weg überholt mich etwas später ein französisches Paar. Wir werden uns noch einmal eine gute halbe Stunde später begegnen und ein wenig quatschen, als ich am Straßenrand stehe und einer Libelle erste Hilfe leiste, die gerade eben von einem Auto getroffen wurde. Ob sie es schafft, bleibt am Ende ungewiss. Die zwei halten aber an, weil sie eher ein Problem bei mir vermuten. Verständlich, guck mich doch mal an! Und so haben wir etwas Zeit, uns ein wenig über das Von und Nach auszutauschen. Sie werden in Kürze in Palojoensuu auf die E8 Richtung Süden nach Helsinki abbiegen, während ich gegen halb elf an dieser Stelle rechts nach Nordwesten abdrehe. Der blaue Himmel ist bis dahin in recht kurzer Zeit doch einer dunklen Wolkenwand gewichen, die sich freundlicherweise mit meinem Richtungswechsel auch aus meinem Sichtfeld entfernt. Für mich bleibt es schließlich der EV7, der sich jetzt am Muoniojoki entlang zieht, welcher hier die Grenze zu Schweden darstellt. Ich gebe heute wieder den ganzen Tag den Grüßaugust, insbesondere bei Motorradfahrern, die ja üblicherweise nur ihresgleichen Gruß erwidern. Vielleicht sind die Leute von dem Mann inspiriert, der oben ohne reist statt in Jacken, Mützen und Handschuhen eingehüllt zu sein, wie ich auch so manchen Radler hier sehe. Die müssen doch kaputt gehen da drin! Irgendwann Richtung halb zwölf sind am Straßenrand immer mal wieder kleine selbstgemachte Schilder aufgestellt, die vermutlich auf irgendwas essbares, vielleicht einen Imbiss hindeuten. Aus dem finnischen kann man sich wirklich nix, aber auch gar nix ableiten, wie es in der schwedischen oder norwegischen Sprache so simpel möglich ist. Also kehre ich gegen elf an diesem Parkplatz ein, es riecht schon von draußen gut und in der großen runden hölzernen Hütte verkaufen sie geräucherten Lachs, Seesaibling und diverse andere Leckereien, die einen auf langen Reisen auf den Geschmack und wieder zu Kräften bringen. Ich nehme mir ein Stück geräucherten Lachs, der mit Blauschimmel gefüllt ist. Was für eine Leckerei und dabei ist es noch nicht mal richtig Mittagszeit. Mit der Betreiberin unterhalte ich mich recht lange, es ist so interessant, wenn die Leute von hier aus diesem Leben erzählen, von dem ich gar nicht so weit entfernt im letzten Winter ja schon so einiges mitbekommen habe. Lannavaara ist von hier nur noch 50 km Luftlinie entfernt, entlang der Straßen aber ist es für mich heute nicht mehr erreichbar. Nach dieser Köstlichkeit fröne ich weiter durch die arktische Tundra bei 23°. Ein Knacken oder besser gesagt Klicken, was ich seit drei oder vier Tagen bei jeder Umdrehung der Pedale höre, konnte ich bisher nicht genau ausmachen, werde es aber auch vorerst ignorieren. Es hört sich nicht akut an und ist ein wenig wie ein Taktgeber. Sumpf, Wald, weites Land mit sanften Hügeln, wunderbar koloriert und gut beleuchtet, das ist mein Weg. Je länger sich der Nachmittag hinzieht, desto dunkler zieht sich das Gebräu am Himmel zusammen und der Wind frischt auf. Noch bevor irgendwas himmlisches losgeht, erreiche ich Karesuando und wechsle auf die schwedische Seite, wo ich seit ach wie langer Zeit tatsächlich mal eine unverschlossene und für meine Begriffe auch wirklich schöne Kirche vorfinde. Ich genehmige mir ein halbes Stündchen und sehe noch zu, dass ich in der Nähe des Muoniojoki niederkomme. Es windet heftig, auffällig viele Schwalben fliegen hier, als würden sie sich schon sammeln. Der schwere Regen, den ich angesichts der dunklen Wolken erwartet habe, bleibt aus. Also alle Dramaturgie nur für mich zur Faszination inszeniert.Read more